Interstellare Mission

Ist eine Reise zu einem nahen Schwarzen Loch realistisch?

 Robert Klatt

Konzept für interstellare Mission )kcotS ebodAgnoc(Foto: © 

Das erdnächste, bekannte Schwarze Loch, Gaia BH1, ist rund 1.560 Lichtjahre entfernt. Laut einem Astrophysiker könnte eine interstellare Reise zu einem Schwarzen Loch trotzdem in 20 bis 30 Jahren beginnen und das Schwarze Loch nach rund 70 Jahren Flugzeit erreichen.

Shanghai (China). Im beobachtbaren Universum sollen laut einem Modell der Scuola Internazionale Superiore di Studi Avanzati (SISSA) etwa 40 Trillionen Schwarzer Löcher existieren. Das erdnächste, bekannte Schwarze Loch Gaia BH1 ist rund 1.560 Lichtjahre von der Erde entfernt. Es ist somit aktuell utopisch, eine interstellare Mission zu einem Schwarzen Loch durchzuführen, weil die Entfernung selbst für die schnellsten Raumsonden deutlich zu hoch ist. Der Astrophysiker Cosimo Bambi von der Fudan-Universität hält eine Mission zu einem Schwarzen Loch trotzdem für möglich.

„Auch wenn eine solche Mission spekulativ und extrem anspruchsvoll wäre, ist sie nicht komplett unrealistisch.“

Laut seiner Publikation im Fachmagazin iScience hat Bambi deshalb untersucht, wie eine solche Mission durchgeführt werden könnte.

Schwarzes Loch in Erdnähe

Zunächst müsste für eine interstellare Reise zu einem Schwarzen Loch ein Schwarzes Loch gefunden werden, das sich deutlich näher an der Erde befindet als das Schwarze Loch Gaia BH1. In der Astronomie geht man davon aus, dass solche Schwarzen Löcher in einer Entfernung von 20 bis 25 Lichtjahren existieren müssen. Diese stellaren Schwarzen Löcher können jedoch nur schwer entdeckt werden, weil sie inaktiv sind und keine Materie verschlingen.

„Es gibt einige neue Technologien, um solche Schwarzen Löcher aufzuspüren, daher halte ich es für realistisch, dass wir noch innerhalb der nächsten zehn Jahre ein geeignetes Objekt finden.“

Antrieb der Raumsonde

Laut dem Astrophysiker müsste zudem ein Antrieb für eine Raumsonde entwickelt werden, mit dem diese ein Schwarzes Loch innerhalb von wenigen Jahrzehnten erreichen kann. Die Sonde müsste dafür etwa ein Drittel der Lichtgeschwindigkeit erreichen. Weil aktuelle Raketenantriebe diese Geschwindigkeit nicht ermöglichen, arbeiten Wissenschaftler seit 2016 im Rahmen der von Stephen Hawking und Yuri Milner initiierten Breakthrough Starshot Initiative an einem neuen Antriebskonzept.

Das Konzept sieht kleine Raumsonden mit einem mehrere Quadratmeter großen Lichtsegel vor, das mit Hochleistungslasern bestrahlt wird. Der Strahlungsdruck soll das Segel auf extrem hohe Geschwindigkeiten beschleunigen und dadurch interstellare Reisen ermöglichen. Es existieren bereits Prototypen von Nanoraumsonden mit Lichtsegeln, aber die entsprechenden Laser fehlen noch.

„Mit heutiger Technologie würde ein solcher Laser-Array rund eine Billion Euro kosten – das ist jenseits jedes Budgets.“

Bambi geht davon aus, dass die Kosten für ausreichend leistungsfähige Laser in den kommenden drei Jahrzehnten durch technische Fortschritte auf rund eine Milliarde Euro sinken.

Annäherung an das Schwarze Loch

Der Astrophysiker erklärt zudem, dass die Annäherung an das Schwarze Loch eine enorme Herausforderung wäre. Mit einem entsprechenden Lichtsegelantrieb könnte eine Raumsonde ein schwarzes Loch nach rund 60 bis 70 Jahren Reisezeit erreichen. Anschließend müsste sie dort abbremsen und einen Orbit um das Schwarze Loch einnehmen. Aktuelle Techniken reichen aber nicht aus, um die dafür nötigen präzisen Kurskorrekturen durchzuführen.

Laut Bambi könnte die Raumsonde deshalb alternativ nur am Schwarzen Loch vorbeifliegen und mehrere, noch kleinere Raumsonden abwerfen. Diese könnten Messungen durchführen und die Daten an die größere Raumsonde senden, bevor das Schwarze Loch sie einsaugt.

Die Messungen könnten unter anderem beantworten, ob Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie auch unter den Extrembedingungen in der Nähe eines Schwarzen Lochs gilt und ob Schwarze Löcher wirklich einen Ereignishorizont besitzen.

„Es gibt Modelle, nach denen das Resultat eines Sternenkollapses ein horizontloses Objekt ist – ähnlich einem Fusselball.“

Die Entwicklung und der Bau einer Raumsonde, die Reisezeit zu einem Schwarzen Loch und das Senden der Messdaten zur Erde würden insgesamt über einhundert Jahre dauern.

„Das Ganze klingt vielleicht verrückt und nach Science-Fiction. Zurzeit fehlt uns auch noch die Technologie für eine solche Mission. Aber in rund 20 bis 30 Jahren könnte das schon anders aussehen.“

iScience, doi: 10.1016/j.isci.2025.113142

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