Robert Klatt
Planeten, Sterne, Galaxien und interstellare Gaswolken enthalten nur einen kleinen Teil der beim Urknall entstandenen Baryonen. Nun wurde entdeckt, wo sich die übrige, „fehlende“ Materie im Universum befindet.
Pasadena (U.S.A.). Im Universum entstanden unmittelbar nach dem Urknall Baryonen. Wenn man die Masse dieser Materieteilchen, die in Planeten, Sternen, Galaxien und interstellaren Gaswolken existieren, addiert, fehlt jedoch ein großer Teil der Baryonen. Wissenschaftler des California Institute of Technology (Caltech) haben nun eine Studie publiziert, die erklärt, wo sich die fehlende Masse im Weltraum befindet.
„Wir wissen, dass diese Materie irgendwo dort draußen sein muss, weil wir sie im frühen Universum sehen.“
Die fehlenden Baryonen befinden sich demnach in diffusen Gasen und Gasfilamenten im intergalaktischen Medium, scheinbar leeren Räumen zwischen den Galaxien. Weil die Baryonen eine extrem geringe Konzentration haben, können sie mit Teleskopen aber nicht beobachtet werden.
„Dieses diffuse, ionisierte Gas ist notorisch schwer zu messen, hat aber enorme Bedeutung für die Galaxienbildung, astrophysikalische Feedbacks und die Kosmologie.“
Laut der Publikation im Fachmagazin Nature Astronomy haben die Astronomen des Caltech die fehlende Materie mithilfe von Fast Radiobursts (FRB) kartiert. Dies sind ultrakurze, energiereiche Radioblitze, die im Weltraum Milliarden Lichtjahre zurücklegen. Wenn FRBs Materieteilchen treffen, werden sie minimal gestreut und ihr Frequenzspektrum verbreitert sich. Die dabei entstandene Dispersion ermöglicht Rückschlüsse darauf, auf wie viel Materie ein FRB bei seiner Reise durch den intergalaktischen Raum begegnet ist.
Insgesamt haben die Forscher 69 FRBs aus unterschiedlichen Entfernungen analysiert. Die Kombination der Dispersion und der Entfernung zeigt die Dichte und die Anzahl an Baryonen im von ihnen durchquerten intergalaktischen Medium.
Die Analyse offenbart, dass das intergalaktische Medium und nicht die Sterne, Planeten und andere feste Objekte einen Großteil der Materie enthält. Galaxien enthalten demnach nur neun Prozent der Baryonen.
„Unsere Analysen legen stattdessen nahe, dass mehr als 90 Prozent der Baryonen im Kosmos in kalten Gasen oder im diffusen, ionisierten Zustand vorliegen.“
Mehr als drei Viertel der normalen Materie (76 %) entfällt laut der neuen Analysemethode auf den Raum zwischen den Galaxien.
„Beim jahrzehntealten Problem der fehlenden Baryonen ging es immer um die Frage, wo diese Materie steckt. Jetzt wissen wir dank der Fast Radiobursts: Drei Viertel der Baryonen schweben zwischen den Galaxien.“
Die neuen Ergebnisse können laut den Forschern dabei helfen, die Entstehungsgeschichte des Universums und weitere Grundfragen der Astronomie besser zu verstehen.
„Dies ist ein Triumph der modernen Astronomie. Wir beginnen nun, die Struktur und Zusammensetzung des Universums in ganz neuem Licht zu sehen – dank der Fast Radiobursts. Diese ultrakurzen Blitze erlauben es uns, auch die unsichtbare Materie zu erfassen, die die weiten Räume zwischen den Galaxien füllt.“
Nature Astronomy, doi: 10.1038/s41550-025-02566-y