Robert Klatt
Die Dunkle Materie soll einen Großteil des Universums ausmachen, wurde bisher aber nur indirekt, über ihre Gravitation beobachtet. Nun wurde Gammastrahlung (Annihilationsstrahlung) entdeckt, die das theoretische Modell bestätigt und der erste direkte Hinweis auf Dunkle Materie sein könnte.
Tokio (Japan). Ein Großteil der Materie des Universums (85 %) ist laut Vermessungen der kosmischen Hintergrundstrahlung dunkel. Die Dunkle Materie, die aus bisher unbekannten Teilchen besteht, sendet nicht normale Materie Strahlung aus, sondern kann nur indirekt über die Wirkung ihrer Gravitation auf andere Objekte beobachtet werden. Wenn Teilchen der Dunklen Materie kollidieren, kann es jedoch dazu kommen, dass sie einander vernichten und dabei energiereiche Gammastrahlung (Annihilationsstrahlung) freisetzen.
Forscher der Universität Tokio um den Astrophysiker Tomonori Totani haben nun ein Paper publiziert, laut dem es im Halo der Milchstraße einen Gammastrahlungsüberschuss gibt, der mit den theoretischen Vorhersagen der Annihilationsstrahlung übereinstimmt. Die Analyse der Gammastrahlung zeigt, dass ein Teilchen der Dunklen Materie die rund 500-fache Masse eines Protons hat.
„Es wäre das erste Mal, dass wir Dunkle Materie gewissermaßen sehen. Und es würde zeigen, dass die Dunkle Materie aus Teilchen besteht, die nicht im Standardmodell der Physik enthalten sind.“
Wie der Wissenschaftler erklärt, umfasst das Standardmodell der Physik alle bekannten Elementarteilchen und ihre jeweilige Wechselwirkung miteinander. Die Gravitation ist im Standardmodell jedoch nicht enthalten, obwohl sie zweifelsfrei eine essenzielle Rolle einnimmt. Versuche der Forschung, die Gravitation mit in das Standardmodell zu integrieren, sind bisher gescheitert, weil dazu zusätzliche Teilchen nötig sind. Diese werden mit großen Beschleunigeranlagen, unter anderem durch die Europäische Organisation für Kernforschung (CERN), gesucht.
In den vergangenen Jahrzehnten hat die Wissenschaft mehrere Teilchen entdeckt, die potenziell Dunkle Materie sein könnten, darunter schwach wechselwirkende massereiche Teilchen (WIMPs). Wenn zwei WIMPs zerstören sie sich gegenseitig und emittieren Strahlung. Diese Strahlung haben unterschiedliche Forschungsprojekte im Gammabereich gesucht und in den Aufzeichnungen der Gammasatelliten Fermi tatsächlich gefunden. Zunächst wurde angenommen, dass die Annihilationsstrahlung von Dunkler Materie stammt. Es wurde jedoch kurz darauf entdeckt, dass diese Strahlung auch durch die Existenz von Neutronensternen erklärt werden kann.
Die Wissenschaftler um Totani haben deshalb mit Daten des Weitwinkelteleskops LAT von Fermi die Gammastrahlung des Halos der Milchstraße analysiert, also den Bereich der Galaxie, in dem es nur wenige Neutronensterne gibt. Die bekannten Quellen für Annihilationsstrahlung aus diesem Bereich, der abseits der sternenreichen Scheibe und des Zentrums liegt, haben die Forscher in ihrem Modell herausgerechnet.
Es verblieb trotzdem ein deutlicher Gammastrahlungsüberschuss im Energiebereich von 2 bis 200 Gigaelektronenvolt (GeV) mit einem deutlichen Maximum bei 20 GeV. Die beobachtete und anschließend modellierte Energieverteilung entspricht der Energieverteilung, die auch bei der gegenseitigen Vernichtung von WIMPs erwartet wird. WIMPs sind rund 500-mal schwerer als Protonen.
Die Ergebnisse wurden vor der Publikation der Studie bereits auf mehreren Konferenzen präsentiert. Das dortige Fachpublikum beurteilt die Ergebnisse größtenteils als wissenschaftlich sehr interessant, auch, weil Totani einen sehr guten Ruf als theoretischer Kosmologe und Datenanalyst hat. Sowohl die nicht an der Forschung beteiligten Wissenschaftler als auch Totani sprechen bisher aber nur von einem „möglichen Nachweis der Dunklen Materie“. Bevor man tatsächlich darüber berichten kann, dass der erste direkte Nachweis der Dunklen Materie geglückt ist, müssen die Ergebnisse noch durch andere Forschungsgruppen reproduziert werden.
Totani erklärt zudem, dass der beobachtete Gammastrahlungsüberschuss nicht zweifelsfrei auf Dunkle Materie zurückgehen muss, sondern dass dieser auch auf bisher unbekannte astrophysikalische Phänomene zurückgehen könnte. Laut ihm sollten deshalb Zwerggalaxien, die sich stark von der Milchstraße unterscheiden, ebenfalls nach Gammastrahlung durchsucht werden. Wenn ein identischer Nachweis der Gammastrahlung dort ebenfalls möglich ist, spricht dies laut Totani stark dafür, dass diese tatsächlich von Dunkler Materie stammt.
„Ein Signal aus dem Halo bedeutet für sich allein keinen eindeutigen Beweis von Dunkler Materie.“
Quellen:
Studie im Fachmagazin Journal of Cosmology and Astroparticle Physics, doi: 10.1088/1475-7516/2025/11/080