Mittelalterliche Pest

Ursprung des Schwarzen Todes rekonstruiert

Robert Klatt

Tschu-Tal am Fuße des Tian Shan-Gebirges in Kirgisistan )6881 tsuguA ,nibyeL .S.A(Foto: © 
Auf den Punkt gebracht
  • Der Schwarze Tod tötete im Mittelalter etwa 60 Prozent der Bevölkerung in Europa
  • Wo die Pandemie ihren Ursprung hatte, war bis heute umstritten
  • DNA-Sequenzen der Pestgenome zeigen nun, dass die Krankheit in der Region um den Yssykköl-Sees in Kirgisistan entstanden ist

Die Pest tötete im Mittelalter etwa 60 Prozent der Bevölkerung in Europa. Nun wurde der Ursprungsort des Schwarzen Todes erstmal rekonstruiert.

Leipzig (Deutschland). In Europa kam es ab dem Jahr 1347 durch das Bakterium Yersinia pestis zum sogenannten Schwarzen Tod. In den folgenden Jahren starben an der Pest bis zu 60 Prozent der Bevölkerung. Auch in den kommenden Jahrhunderten kam es mehrmals zu lokalen Ausbrüchen, bei denen viele Menschen starben. Bis heute war es Wissenschaft jedoch umstritten, wo die schreckliche Krankheit ihren Ursprung hatte.

„Auf historischen Aufzeichnungen und Gendaten beruhende Hypothesen haben eine Reihe von möglichen Herkunftsorten erwogen, sie reichen vom westlichen Eurasien bis nach Ostasien“, erklärt Maria Spyrou von der Universität Tübingen. Gemeinsam mit Forschern der University of Sterling und des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie (MPI EVA) wurde nun der Ursprung des Schwarzen Todes rekonstruiert.

Yssykköl-Sees in Kirgisistan

In der Region um den Yssykköl-See in Kirgisistan haben Archäologen bereits vor 140 Jahren in Gräbern aus dem Mittelalter Hinweise auf eine Epidemie in den Jahren 1338 und 1339 entdeckt. Weil dies knapp zehn Jahre vor dem Auftreten der Pest in Mitteleuropa war, vermuteten Archäologen, dass die Toten in den Gräbern von Kara-Djigach und Burana an der Pest gestorben sein könnten.

Im Rahmen der aktuellen Studie entnahmen die Forscher Gewebeproben der Seuchentoten aus dem Mittelalter, die sie im Labor auf den Pesterreger Yersinia pestis untersuchten. Bei drei der sieben Proben fanden sie DANN des Bakteriums. „Wir konnten damit endlich nachweisen, dass die auf den Grabsteinen erwähnte Epidemie tatsächlich durch die Pest verursacht wurde“, erklärt Phil Slavin.

DNA-Sequenzen der Pestgenome untersucht

Laut ihrer Publikation im Fachmagazin Nature verglichen die Wissenschaftler anschließend die DNA-Sequenzen der Pestgenome aus Kirgisistan mit 47 historischen und 203 modernen DNA-Sequenzen von Yersinia pestis. Sie konnten so untersuchen, ob der lokale Pestausbruch in Zentralasien mit dem Schwarzen Tod in Europa in Verbindung stand oder ob es sich dabei um ein isoliertes Ereignis handelte.

Laut des so rekonstruierten Stammbaums ist die Pest-DNA aus Kirgisistan älter und ursprünglicher als die aus Europa bekannten Gensequenzen von Yersinia. „Wir fanden heraus, dass sich die alten Stämme aus Kirgisistan genau am Knotenpunkt eines massiven Diversifizierungsereignisses befinden“, erklärt Spyrou.

Aufspaltung in vier Bakterienstämme

Zuvor konnte das Diversifizierungsereignis, bei dem sich Yersinia pestis in vier Stämme aufspaltete, nur grob auf das 10. bis 14. Jahrhundert bestimmt werden. In der Geschichte des Pesterregers ist die starke und schnelle Aufspaltung, die als Ursprung der Pestdiversität gilt, einmalig. Das Diversifizierungsereignis ist überdies mit der rapiden Ausbreitung des Schwarzen Todes verbunden. Die Medizin geht davon aus, dass die mittelalterliche Pandemie erst möglich wurde, weil der Erreger sich in vier Stammeslinien aufteilte.

Außerdem belegen die in Stammeslinien entdeckten DNA-Proben, dass die vier bekannten Linien der Pest ihren Ursprung am Yssiköl-See hatten. Es ist demnach sehr wahrscheinlich, dass die mittelalterliche Pest in Zentralasien entstanden ist. „Es ist uns tatsächlich gelungen, den Ursprungsstamm des Schwarzen Todes und seinen genauen Ausbruchszeitpunkt – das Jahr 1338 – zu bestimmen“, konstatiert Spyrou.

Übertragung durch Murmeltiere

Die Übertragung der Bakterien auf den Menschen erfolgte laut den Autoren vermutlich durch Murmeltiere. Es immer in dieser Region noch immer vereinzelt bei Murmeltieren und ihren Flöhen diese Krankheitserreger gefunden. „Moderne, mit dem alten Stamm am engsten verwandte Stämme finden wir heute in Pestreservoirs rund um das Tian-Shan-Gebirge, also ganz in der Nähe des Fundortes dieses alten Stammes“, erklärt Johannes Krause.

Gemeinsam bilden die Funde somit ein Bild, das klar zeigt, dass die Test nicht aus China oder Südasien stammt, sondern in China oder Südasien die ersten Menschen infiziert hat. Dies wird auch dadurch untermauert, dass es am Schwarzen Meer bereits im Jahr 1346 zu Pestausbrüche gekommen ist, also kurz bevor die Pest sich in Mitteleuropa und am Mittelmeer ausbreiten konnte.

Nature, doi: 10.1038/s41586-022-04800-3

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