Fossile Knochen

Neandertaler haben fremde Frauen und Kinder gegessen

 Robert Klatt

Neandertaler haben Frauen und Kinder gejagt )kcotS ebodAgruNdE(Foto: © 

Knochen aus einer Höhle in Belgien zeigen, dass Neandertaler gezielt schwache Mitglieder anderer Gruppen gejagt haben, um diese zu essen. Der Kannibalismus war ein Bestandteil ihrer Kriege.

Bordeaux (Frankreich). In den Höhlen von Goyet in Belgien wurden im 19. Jahrhundert über 30.000 Skelettreste gefunden, die vom damaligen Ausgrabungsteam als Tierknochen kategorisiert wurden. Forscher der California State University, Northridge (CSUN) haben 2016 entdeckt, dass mindestens 99 der Knochenfragmente von Neandertalern (Homo neanderthalensis) stammen. Die Fossilien besitzen deutliche Spuren einer typischen Schlachtung, darunter Schnittmarken und Häutungsspuren, die zuvor auch an Beutetieren der Neandertaler entdeckt wurden.

In den fossilen Überresten wurde zudem ein großer Röhrenknochen entdeckt, der wohl zerschlagen wurde, um an das darin enthaltene Knochenmark zu kommen. Die Wissenschaftler waren deshalb überzeugt davon, dass die 40.500 bis 45.500 Jahre alten Knochenreste von Neandertalern stammen, die von ihren Artgenossen gezielt zerlegt und gegessen wurden.

Ob die Ernährung der Hauptgrund für den Kannibalismus war, oder ob dafür andere Gründe verantwortlich waren, konnte die Studie aber nicht klar beantworten. Weil in der Region keine Spuren vom modernen Menschen (Homo sapiens) aus dieser Zeit gefunden wurden, konnten die Forscher aber ausschließen, dass er die Neandertaler getötet und gegessen hat.

Gezielter Kannibalismus der Neandertaler

Forscher der Universität Bordeaux haben nun eine neue Studie publiziert, die beantwortet, wieso es in der Region um die Höhlen von Goyet Kannibalismus unter Neandertalern gegeben hat. Laut ihrer Analyse stammen die Knochen der getöteten und gegessenen Artgenossen von vier Frauen und zwei Kindern. Die gegessenen Neandertaler haben eine Knochenstruktur, die darauf hindeutet, dass sie deutlich kleiner waren als die Gruppe, die unmittelbar bei den Höhlen gewohnt hat. Dies deutet darauf hin, dass die Neandertaler ihre Opfer nicht zufällig ausgewählt haben, sondern dass sie gezielt schwache Individuen aus anderen Gruppen gejagt haben.

Laut den Wissenschaftlern ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Opfer mit ihrem schmächtigen Körperbau selbst die Höhlen von Goyet und die dort lebenden, fremden Neandertaler ausgesucht haben. Stattdessen wurden diese von den stärkeren Neandertalern dorthin verschleppt, getötet und anschließend gegessen.

Kannibalismus als Kriegstaktik

Die Forscher halten es für wahrscheinlich, dass die Neandertaler gezielt schwache Mitglieder ihrer benachbarten, konkurrierenden Gruppen gejagt haben, um deren Fortpflanzungspotenzial zu reduzieren. Der Kannibalismus war somit eine Kriegstaktik, um andere Gruppen zu schwächen.

Zudem ist es denkbar, dass eine Hungersnot ebenfalls zum Kannibalismus beigetragen hat. Zum Zeitpunkt des Kannibalismus hatte der moderne Mensch bereits damit begonnen, Europa zu besiedeln. Es ist möglich, dass es dadurch zu einer angespannten Ernährungssituation gekommen ist, die zu Konflikten zwischen Neandertalerpopulationen geführt haben könnte. Dies hätte auch die Neandertaler in den Höhlen von Goyet treffen können, obwohl es dort noch keine modernen Menschen gegeben hat.

Quellen:

Studie im Fachmagazin Nature, doi: 10.1038/srep29005

Studie im Fachmagazin Scientific Reports, doi: 10.1038/s41598-025-24460-3

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