Homo heidelbergensis

Älteste Fußabdrücke Deutschlands in Niedersachsen entdeckt

Robert Klatt

Ältester Fußabdruck Deutschlands )grebnekcneSilegnareS .J(Foto: © 
Auf den Punkt gebracht
  • Im niedersächsischen Schöningen wurden etwa 300.000 Jahre alte menschliche Fußspuren entdeckt
  • Die Spuren stammen höchstwahrscheinlich vom Frühmenschen Homo heidelbergensis, einem Bindeglied zwischen dem Homo erectus und dem Neandertaler

Archäologen haben im niedersächsischen Schöningen etwa 300.000 Jahre alte menschliche Fußspuren entdeckt, die höchstwahrscheinlich vom Homo heidelbergensis stammen.

Tübingen (Deutschland). Im niedersächsischen Schöningen haben Archäologen in einem ehemalige Braunkohletagebau bereits zahlreiche Relikte entdeckt, die bis zu 300.000 Jahre alt sind. Darunter befanden sich Steinwerkzeuge und Bearbeitungsspuren, die von Homo heidelbergensis stammen. Es handelt sich dabei um einen Frühmenschen, der höchstwahrscheinlich das Bindeglied zwischen dem Homo erectus und dem Neandertaler bildet.

Forscher der Universität Tübingen und des Senckenberg Forschungsinstituts um den Paläontologen Flavio Altamura haben seit 2018 Bereiche im Südwesten des ehemaligen Braunkohletagebau näher untersucht. Dort wurden fossile Tierspuren entdeckt, die die Forscher systematisch analysiert und kartiert haben. Vor etwa 300.000 Jahren befand sich an dieser Stelle das schlammige Ufer eines Sees. Dieser Schlamm konserviert die Fußspuren von Tieren.

Fußabdrücke von Frühmenschen

Bei der Untersuchung der Fußabdrücke entdeckten die Forscher zudem Spuren von Frühmenschen.

„Unter den Abdrücken befinden sich auch drei Spuren, die mit Fußabdrücken von Homininen übereinstimmen.“

Die Beschaffenheit und Dimensionen der entdeckten Abdrücke weisen laut der Publikation im Fachmagazin Quaternary Science Reviews darauf hin, dass sie möglicherweise von einem ausgewachsenen Frühmenschen und zwei jüngeren Individuen hinterlassen wurden. Diese etwa 300.000 Jahre alten Spuren stellen die bislang ältesten menschlichen Fußabdrücke in Deutschland dar. Die Forscher haben starke Vermutungen, dass der Verursacher dieser Abdrücke der Homo heidelbergensis sein könnte.

Dieser Hominide, dessen erste und älteste Knochenfunde im Jahr 1907 in einer Sandgrube nahe Heidelberg gemacht wurden, ist einzigartig in Europa und hat daher seinen Namen erhalten. Obwohl bislang keine Knochen dieses Frühmenschen in Schöningen gefunden wurden, lässt das Alter sowie die handwerkliche Qualität der entdeckten Werkzeuge und Waffen den Schluss zu, dass sie vom Homo heidelbergensis angefertigt wurden.

Einblick in das Leben des Homo heidelbergensis

Wie Altamura erklärt, erlauben die neu entdeckten Fußspuren einen Einblick in das Leben des Homo heidelbergensis.

„Es handelt sich aufgrund der Spuren auch von Kindern und Jugendlichen wohl eher um einen Familienausflug als um eine Gruppe erwachsener Jagender. Unsere Funde bestätigen, dass diese ausgestorbene Menschenart sich an See- oder Flussufern mit flachem Wasser aufhielt. Das ist auch durch andere Fundstellen mit Homininen-Fußabdrücken des Unter- und Mittelpleistozäns bekannt.“

Laut den Entdeckern befanden sich die Homo heidelbergensis in der Nähe des Sees, weil sie dessen Wasser und Fische nutzen konnten.

„Je nach Jahreszeit waren rund um den See Pflanzen, Früchte, Blätter, Triebe und Pilze verfügbar.“

Spuren von unterschiedlichen Tieren

Wie Grabungsleiter Jordi Serangeli erklärt, entdeckten die Forscher zudem unterschiedliche Tierspuren, darunter auch Spuren des Europäischen Waldelefanten, dem größten Landtier der Zeit.

„Die von uns entdeckten Elefantenspuren in Schöningen erreichen eine beachtliche Länge von 55 Zentimetern. In einigen Fällen haben wir auch Holzfragmente in den Spurrillen gefunden, die von den Tieren in den damals weichen Boden gedrückt wurden.“

Außerdem wurden Spuren von einem weiteren großen Säugetier des Eiszeitalters konserviert.

„Eine Spur stammt zudem von einem Nashorn – Stephanorhinus kirchbergensis oder Stephanorhinus hemitoechus – und ist der erste Fußabdruck dieser Art aus dem Pleistozän, der in Europa gefunden wurde.“

Prähistorische Lebenswelt des Homo heidelbergensis

Die Spuren von Tieren, die in Verbindung mit den menschlichen Fußabdrücken und anderen Artefakten entdeckt wurden, bieten tiefe Einblicke in das Ökosystem dieser Gegend vor langer Zeit. Ein See von einigen Kilometern Länge und mehreren hundert Metern Breite befand sich in einer offenen Landschaft, die von Birken und Kiefern sowie Gräsern geprägt war. An dessen schlammigen Rand versammelten sich verschiedenste Tiergruppen, darunter Elefanten, Nashörner und Huftiere, um zu trinken oder sich in dem Gewässer abzukühlen. Innerhalb dieser prähistorischen Szene agierte eine kleine Gruppe des Homo heidelbergensis.

„So oder so ähnlich könnte es vor 300.000 Jahren im niedersächsischen Schöningen ausgesehen haben“.

Die Untersuchung altertümlicher Spuren stellt eine gewaltige Ressource dar, um ein glaubwürdiges Porträt vergangener Lebenswelten zu zeichnen. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, diese Zeugnisse der Geschichte zu untersuchen und zu bewahren. Sobald die geologischen Schichten, in denen sie verborgen liegen, der natürlichen Erosion zum Opfer fallen, sind diese einmaligen Funde relativ zügig den Kräften der Witterung ausgesetzt und riskieren dadurch ihre Zerstörung.

Falko Mohrs, Niedersächsischer Minister für Wissenschaft und Kultur, kommentiere die Entdeckungen ebenfalls.

„Die neuen Erkenntnisse zeigen zum wiederholten Male die herausragende Bedeutung der Fundstelle Schöningen, welche bereits durch spektakuläre Funde, wie die berühmten neun Wurfspeere, eine Stoßlanze, zwei Wurfstöcke oder das nahezu vollständiges Skelett eines eurasischen Waldelefanten, bekannt ist. Ich bin gespannt auf die Funde, die zukünftig in Schöningen geborgen werden!“

Quaternary Science Reviews, doi: 10.1016/j.quascirev.2023.108094

Spannend & Interessant
VGWortpixel