D. Lenz
Der Klimagipfel von Kattowitz könnte zu einem historischen Wendepunkt für den Klimaschutz werden – wenn die Unterzeichner den Regelkatalog einhalten.
Angesichts der aktuellen Klimaentwicklungen steht die Uhr auf 5 vor 12. Und trotzdem gibt es kritische Stimmen, welche den Klimawandel in Zweifel ziehen. Oder denen die Prognosen schlicht egal zu seien scheinen. Dabei haben Wissenschaftler, der University of Wisconsin, verschiedene Klimamodelle durchgerechnet – um herauszufinden, was der Menschheit für Klimabedingungen drohen. Geht die Entwicklung ungebremst weiter, befindet sich die Erde auf dem besten Weg, zum Beginn des Eozäns oder sogar bis in die Kreidezeit zurückzufallen.
Aber selbst, wenn die Entwicklung nicht ganz so dramatisch verläuft, geben die Klimamodelle Anlass zur Sorge. Eine Erwärmung der Erde hat massive Auswirkungen auf grundlegende Strömungsmuster in der Atmosphäre und der Meere. Was droht, sind gemäßigte Klimazonen bis knapp unter die Polkappen, ein Mittelmeerklima in ganz West- und Mitteleuropa und die Ausdehnung der Sahara bis auf Spanien. In einem solchen Szenario würde es zu einem spürbaren Ansteigen des Meeresspiegels kommen. Nord- und Ostseeküste, wie die Menschen sie in Deutschland heute kennen, würde es nicht mehr geben. Wie sehen Wissenschaftler die Chancen, solche Szenarien noch abzuwenden?
Anhand von:
haben Wissenschaftler die Klimageschichte verschiedener Erdzeitalter untersucht. Möglich wurden so Aussage darüber, wie die Temperaturen in verschiedenen Epochen der Erdgeschichte aussahen – unter anderem durch die Isotopenverhältnisse in Muschelschalen.
Aber auch die Verteilung von Fossilien – in Relation zur Lage der Kontinente – gibt Aufschluss darüber, wie das Klima in frühen Erdzeitaltern ausgesehen hat.
In der Kreidezeit – einer ausgesprochen warmen Periode – lag die Jahresmitteltemperatur am Nordpol bei 20°C. Kein Vergleich zur Durchschnittstemperatur in der vorindustriellen Phase. Und auch das Eozän war eine Warmzeit. Hätte damals Menschen im nördlichen Russland gelebt, wäre das Baden im Sibirischen Meer ohne Weiteres bei über 20°C Wassertemperatur möglich gewesen.
Die Studie der US-Wissenschaftler hat die Entwicklung der Jahresmitteltemperatur – über verschiedene RCP-Modelle (Representative Concentration Pathways) – untersucht. Das Ergebnis: Geht die Entwicklung weiter, lebt der Mensch in einem Klima, welches 2030 dem des Pliozäns entspricht. Die Durchschnittstemperatur würde dann zwischen 1,8°C bis 3,6°C höher liegen. Bis zur Jahrhundertwende könnte der Menschheit dann noch einmal der Sprung in die Vergangenheit drohen.
In der Modellrechnung würde die Erde dann klimatisch (wie bereits angesprochen) ins Eozän katapultiert. Die Durchschnittstemperatur würde in diesem Szenario bei 24°C und wäre so neun Grad höher als heute. Laut der Berechnungen der US-Forscher würden:
eine Entwicklung, die Millionen Jahre gedauert hat, innerhalb von 200 Jahren erleben. Erdgeschichtlich ist dieser Zeitraum nicht einmal ein Wimpernschlag.
Folgen einer Entwicklung, wie sie die Modellrechnungen des Forscherteams aus den USA prognostizieren, kann sich heute kaum ein wissenschaftlicher Laie vorstellen. Es käme in jedem Fall zu dramatischen Auswirkungen. Viele der Folgen würden Probleme, wie sie jetzt schon offensichtlich sind, in den Schatten stellen.
Dürren, Überschwemmungen, eine sich extrem verändernde Vegetation – es gibt viele Folgen, die sich heute noch nicht komplett überschauen lassen. Und einige Wissenschaftler sehen die Zukunft noch deutlich düsterer.
Die vom Menschen ausgestoßenen Klimagase wirken sich aufs Klima aus. Diese Aussage ist seit Jahren zu hören. Sehr viel leiser sind in der Vergangenheit Stimmen von Wissenschaftlern gewesen, welche auf Rückkopplungseffekte hinweisen.
Hintergrund: Eine sich erhöhende Durchschnittstemperatur kann dazu führen, dass weitere Klimafaktoren außer Takt geraten. Dadurch kann zu einer Entwicklung kommen, durch welche sich die Faktoren verstärken – und der Effekt am Ende nicht mehr aufzuhalten ist. Das ganze System lässt sich am besten mit Dominosteinen vergleichen. Zu den kritischen Faktoren gehören das:
Gashydrat. Auch als Methanhydrat/Methaneis bekannt, handelt es sich um Eis, in dessen Kristallgitter Methan gebunden ist. Dieses Gashydrat kommt am Meeresboden (in bestimmten Tiefen) und im Permafrostboden vor.
Für die Bildung sind sehr spezifische Druck-/Temperaturverhältnisse maßgebend. Werden diese – etwa durch ein Schmelzen des Poleises – gestört, kann aus dem marinen Gashydrat Methan entweichen, das wiederum die Klimaerwärmung beschleunigt. In der Folge wird das Methanhydrat im Permafrostboden instabil – es setzt sich eine Kaskade in Gang. Im Endergebnis ist der Klimawandel nicht mehr aufzuhalten.
Eine Erwärmung um wenige Grad wirkt im ersten Moment unspektakulär. Auf das Klima kann diese Entwicklung dramatische Auswirkungen haben. Dürren wie im Sommer und Herbst 2018 sind nur ein Vorgeschmack. Der Mensch ist letztlich sowohl Teil des Problems wie auch der Lösung.
Was kann getan werden, um ein Kippen des Klimas zu verhindern? Erheblichen Anteil an der Entwicklung hat der Ausstoß von Klimagasen. Ganz oben auf der Liste steht Kohlendioxid – sprich CO2. Hier muss jeder einzelne Verbraucher, aber auch die Gesellschaft als Ganzes, einen Beitrag leisten.
2018 war bisher beim Wetter ein Jahr der Superlative. Zu warm und zu trocken – so das allgemeine Fazit für Deutschland. Wetter ist aber noch lange nicht Klima. Forscher sind sich allerdings bewusst, dass es beim Klima – wenn die Entwicklung anhält – in Zukunft zurück in die Vergangenheit geht. Eine Studie mit Modellrechnungen kommt zum Ergebnis, dass die Erde wieder im Eozän landen könnte. Aber anders als nach den Dinosauriern, als die Natur Millionen Jahre zur Anpassung Zeit hatte, verläuft die Veränderung diesmal im Zeitraffer. Weder die Natur noch der Mensch sind daran angepasst. Ändert sich nichts, könnte es in den kommenden Jahren zu unangenehmen Phänomenen beim Wetter kommen.