Robert Klatt
Die U.S.A. besitzen eine der größten Öl- und Gasindustrien. Eine Analyse zeigt nun erstmals, welche Gesundheitsprobleme die daraus resultierende Luftverschmutzung verursacht und welche Bevölkerungsgruppen besonders darunter leiden.
London (England). Obwohl die U.S.A. über eine der weltweit größten Öl- und Gasindustrien verfügen, hat die Wissenschaft die dadurch entstehenden gesundheitlichen und sozialen Auswirkungen bisher kaum systematisch untersucht. Forscher des University College London (UCL) haben nun eine Studie publiziert, die alle Phasen des industriellen Zyklus und die daraus resultierenden Gesundheitsprobleme analysiert hat.
Laut der Publikation im Fachmagazin Science Advances haben die Forscher dazu mit einem komplexen Modell die Quellen der Luftverschmutzung durch Öl und Erdgas und die Konzentration der Luftschadstoffe simuliert. Diese Informationen haben sie mit Bevölkerungs- und Gesundheitsdaten sowie mit früheren Studien zu den Gesundheitsrisiken der Luftverschmutzung verbunden, um die Gesundheitsfolgen ermitteln zu können.
„Wir haben ein hochmodernes Luftqualitätsmodell eingesetzt, um die Luftverschmutzung, die durch jede einzelne Phase des Öl- und Gaszyklus verursacht wird, von anderen Quellen abzugrenzen.“
Das Modell zeigt, dass Luftverschmutzung durch Öl- und Gasaktivitäten in den U.S.A. jährlich rund 91.000 vorzeitigen Todesfälle verursacht. Außerdem kommt es durch die Emissionen der Erdöl- und Gasindustrie zu 216.000 neuen Asthmafälle bei Kindern und über 10.000 Frühgeburten jährlich. Ein Großteil der gesundheitlichen Schäden entfallen auf die Endnutzung der fossilen Brennstoffe in Fahrzeugen oder Kraftwerken (96 %).
Die Studie zeigt zudem, dass die Emissionen sich über die Landesgrenzen hinaus auswirken und in Südkanada zu etwa 1.170 vorzeitigen Todesfällen und in Nordmexiko zu etwa 400 vorzeitigen Todesfällen pro Jahr führen.
„Unsere Studie liefert ein weiteres überzeugendes Argument dafür, dass wir den Ausstieg aus der Öl- und Gasnutzung dringend beschleunigen müssen. Hunderttausende Kinder, Erwachsene und ältere Menschen könnten in den USA jedes Jahr vor Krankheiten und dem frühen Tod bewahrt werden. Der Übergang zu sauberer Energie ist also nicht nur im Kampf gegen die Klimakrise notwendig, sondern rettet auch im Hier und Jetzt Menschenleben und verringert Umweltungerechtigkeiten.“
Die fünf Bundesstaaten mit der höchsten Gesamtbelastung durch alle Phasen des Öl- und Gaszyklus sind zugleich die bevölkerungsreichsten, nämlich Texas, New York, Pennsylvania und New Jersey. Wenn man die Belastung pro Kopf betrachtet, leiden die Bewohner von New Jersey, dem District of Columbia, New York, Kalifornien und Maryland am stärksten unter den Emissionen der Öl- und Gasindustrie.
Die Studie hat zudem untersucht, welche Bevölkerungsgruppen besonders stark unter den gesundheitlichen Folgen der Luftverschmutzung durch Öl und Gas leiden. Dabei kamen die Forscher zu dem Ergebnis, dass die Emissionen vom Anfang der Produktionskette besonders Indigene und hispanische Gemeinschaften treffen, während die Emissionen der Weiterverarbeitung und Endnutzung vor allem Schwarze und asiatische Bevölkerungsgruppen treffen.
Insgesamt leidet die schwarze Bevölkerung der U.S.A. am stärksten an Gesundheitsproblemen durch die Emissionen der Öl- und Gasindustrie. Dies wird vor allem in Süd-Louisiana, der berüchtigten Region „Cancer Alley“, und im Osten von Texas deutlich, wo es besonders oft zu Frühgeburten, Asthma bei Kindern und frühzeitigen Todesfällen kommt.
„Es ist bekannt, dass Luftverschmutzung durch Öl- und Gasaktivitäten manche Gemeinschaften härter trifft als andere. Diese Gemeinschaften sind sich dieser ungerechten Belastung längst bewusst. Unsere Studie zeigt jetzt mit belastbaren Zahlen, wie groß diese gesundheitlichen Unterschiede tatsächlich sind.“
Die deutlichen Unterschiede in der durch die Luftverschmutzung verursachten Belastung zwischen den Bevölkerungsgruppen hat historische Ursachen. In der Vergangenheit hat da sogenannate „Redlining“ dazu geführt, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen in der Nähe von Industrieanlagen oder stark befahrenen Straßen angesiedelt wurden, also an Orten mit einer sehr starken Luftverschmutzung,
Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.adu2241