Maßnahmen gefordert

Ernüchternde Bilanz nach zehn Jahren Industrie 4.0 in Deutschland

Robert Klatt

Industrie 4.0 )moc.yabaxipgbeuqik(Foto: © 

In Deutschland scheitert Industrie 4.0 in vielen Unternehmen an der Finanzierung und am Datenschutz. Die Bitkom hat deshalb eine Reihe politischer Maßnahmen zusammengestellt, die die Regierung zur vollen Nutzung des Potenzials von Industrie 4.0 umsetzen soll.

Berlin (Deutschland). Die Forschungsunion der deutschen Bundesregierung sowie ein gleichnamiges Projekt in der Hightech-Strategie der Bundesregierung haben den Begriff Industrie 4.0 vor rund zehn Jahren geschaffen. Der Kern der vierten industriellen Revolution sollte die komplette Vernetzung der Produktion mithilfe moderner Informations- und Kommunikationstechnik sein.

Die technische Grundlage dafür bilden intelligente vernetzte Systeme, die eine selbstorganisierte Produktion ermöglichen. In der Industrie 4.0 kommunizieren und kooperieren Menschen, Maschinen, Anlagen, Logistik und Produkte also direkt miteinander. Es war geplant, so die Produktivität durch eine Optimierung der kompletten Wertschöpfungsketten weiter zu erhöhen.

Industrie 4.0 in vielen Unternehmen im Einsatz

Eine Studie der Bitkom e. V. (PDF) hat nun, zehn Jahre nachdem die vierte industrielle Revolution in Deutschland ausgerufen wurde, untersucht, ob die damals definierten Ziele tatsächlich erreicht wurden. Im Rahmen der Studie wurden 551 Produktionsleiter, Vorstände oder Geschäftsführer von Industrieunternehmen mit mindestens 100 Mitarbeitern in Deutschland im Februar und März 2021 fernmündlich befragt. Mehr als die Hälfte (62 %) der Befragten gaben an, dass in ihrem Unternehmen Industrie 4.0-Anwendungen eingesetzt werden.

„Industrie 4.0 gestaltet effizientere und nachhaltige Wertschöpfungsketten, bietet neue Geschäftsmodelle und schafft Arbeitsplätze in Deutschland. Bedeutende Projekte wie Gaia-X und die Schaffung von europäischen Datenräumen sind wichtige Grundlagen eines funktionierenden Ökosystems für Industrie 4.0. Deutschland als Begründer des Zukunftsprojekts Industrie 4.0 muss gerade auch beim Einsatz von Industriedaten eine Vorreiterrolle einnehmen“, kommentiert Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder die Studie.

Viele Unternehmen bei Industrie 4.0 abgehängt

Obwohl in vielen Unternehmen Industrie 4.0 Anwendungen in der Produktion eingesetzt werden, sehen sich zwei Drittel (66 %) der Unternehmen als Nachzügler oder sogar in puncto Industrie 4.0 als bereits abgehängt an. „Die neue Bundesregierung muss in der kommenden Legislaturperiode Industrie 4.0 und die digitale Transformation schneller voranbringen. Das produzierende Gewerbe ist das Herz der deutschen Wirtschaft und da müssen wir die Schlagzahl erhöhen“, fordert deshalb Rohleder.

Finanzierung und Datenschutz problematisch

In den letzten Jahren haben sich die Probleme beim Einsatz von Industrie 4.0-Anwendungen in Deutschland laut der Bitkom kaum verändert. Die Unternehmen nannten als größtes Problem die fehlenden finanziellen Mittel (77 %) sowie die hohen Datenschutzanforderungen (61 %). Außerdem sind die IT-Sicherheit (57 %) und der Fachkräftemangel (55 %) in vielen Unternehmen problematisch.

„95 Prozent der deutschen Industrieunternehmen sehen Industrie 4.0 als Chance für das eigene Geschäft. Die Entwicklung und der Einsatz solcher Lösungen sind daher ein Muss für eine erfolgreiche Digitalisierung des Standorts Deutschland. Industrie 4.0 ist auch in anderen Anwendungsfeldern wie Mobilität, Gesundheit, Klima und Energie zu einem strategisch wichtigen Einflussfaktor geworden. Die Bedeutung reicht über das produzierende Gewerbe weit hinaus“, erklärt Rohleder.

Forderungen an die kommende Regierung

Als Reaktion auf die Herausforderungen der Industrie 4.0 hat die Bitkom einen zehn Punkte ausgearbeitet, die die kommende Regierung in der nächsten Legislaturperiode umsetzen soll.

  • Bessere steuerliche Rahmenbedingungen für Investitionen in Industrie 4.0
  • Stärkung der steuerlichen Forschungs- und Entwicklungsförderung
  • Auflage eines Investitionswettbewerbs zur Verringerung von C02-Emmissionen
  • Voraussetzungen schaffen für eine rechtssichere Anonymisierung und Pseudonymisierung personenbezogener Daten sowie sicherer Datenaustausch
  • Förderung der Kompetenzentwicklung Industrie 4.0 unter anderem mit Beratungsgutscheinen
  • Innovationsförderung Industrie 4.0 mit leichteren Antragsverfahren
  • Stärkere Ausrichtung der Verbundforschung auf Anwendung von innovativen Technologien
  • Fortführung der Plattform Industrie 4.0
  • Stärkung der Marke Industrie 4.0 auf europäischer Ebene
  • Infrastrukturausbau

Werden diese Maßnahmen erfüllt, würde dies laut der Bitkom dafür sorgen, dass Unternehmen in Deutschland das volle Potenzial der Industrie 4.0 erschließen können.

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