Robert Klatt
Grandiose und maligne Narzissten, deren Persönlichkeit vor allem durch Dominanz und Überheblichkeit auffällt, besitzen sexuelle Fantasien, die sich deutlich vom Durchschnitt unterscheiden. Vulnerable Narzissten, die eher unsicher und empfindlich sind, weisen hingegen keine signifikanten Unterschiede auf.
Mailand (Italien). Narzissten haben eine Persönlichkeit, die durch ein überhöhtes Selbstbild, ein geringes Einfühlungsvermögen gegenüber anderen Menschen und ein starkes Bedürfnis nach Bewunderung geprägt ist. Die Spannweite des Narzissmus beginnt bei leicht erhöhter Selbstsicherheit und reicht bis zu einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Die Psychologie unterscheidet dabei zwischen grandiosen Narzissten, die vor allem durch Dominanz und Überheblichkeit auffallen, und vulnerablen Narzissten, die eher unsicher und empfindlich sind und ein starkes Bedürfnis nach Bestätigung besitzen.
In der Regel streben grandiose Narzissten nach Macht und einem hohen sozialen Status, während sich vulnerable Narzissten schnell übersehen und verletzt fühlen. Es existiert zudem der maligne Narzissmus, eine besonders extreme Ausprägung des Narzissmus, bei der neben den Persönlichkeitsmerkmalen der grandiosen Narzissten noch Einfühlungsverlust, Aggression, Paranoia und antisoziale Verhaltenszüge bestehen.
In romantischen Beziehungen wirken Menschen mit narzisstischen Eigenschaften zunächst meistens selbstbewusst und charmant. Sie setzen aber oft manipulative Strategien ein, um ihr Überlegenheitsgefühl zu sichern, etwa indem sie Aufmerksamkeit und Anerkennung verlangen und auf Kritik gereizt oder abwehrend reagieren. In einer Partnerschaft stellen sie außerdem oft ihre eigenen Bedürfnisse in den Vordergrund und besitzen nur eine geringe emotionale Nähe.
Die Wissenschaft hat zudem mit mehreren Studien festgestellt, dass Narzissten am Anfang einer Beziehung ihren neuen Partner oft idealisieren, ihn aber später entwerten, wenn die Beziehung ihr eigenes Ego nicht mehr stärkt. Um ihr Selbstbild aufrechtzuerhalten, gehen viele Narzissten parallel mehrere Beziehungen ein oder haben ein riskantes Sexualverhalten. Dies soll ihre eigene Attraktivität und ihre Kontrolle über andere Personen demonstrieren. Langfristig führt das Verhalten jedoch dazu, dass bestehende romantische Beziehungen aufgrund der mangelnden Empathie instabil werden und oft schnell enden.
Aufgrund des speziellen Verhaltens von Narzissten in romantischen Beziehungen haben Forscher der L'Università Vita-Salute San Raffaele (UniSR) untersucht, ob sich die Persönlichkeitsstörung auch auf die sexuellen Fantasien und Verhaltensweisen auswirkt. In der Studie sind sexuelle Fantasien als mentale Vorstellungen mit erotischem Inhalt definiert. Diese haben einen großen Einfluss auf das reale Sexualverhalten, müssen aber nicht genauso umgesetzt werden.
Die Studie basiert auf Daten von 583 Italienern, die im Mittel 31 Jahre alt waren. Der Anteil der Frauen (63 %) war höher als der Anteil der Männer (37 %) und die meisten Probanden waren nicht verheiratet (72 %). Zu Beginn der Studie haben die Teilnehmer mehrere Fragebögen zu ihren sexuellen Fantasien beantwortet. Ob maligner Narzissmus bei ihnen besteht, wurde zudem mit mehreren standardisierten Tests erfasst.
Die analysierten Daten zeigen , dass grandiose Narzissten neben signifikanten oft auch machtbetonte sexuelle Fantasien besitzen. Maligne Narzissten haben hingegen oft nicht normtypische Fantasien und Verhaltensweisen, darunter Vorstellungen mit einem großen Machtgefälle wie Sadismus, Unterwerfung oder Demütigung sowie Fantasien wie Voyeurismus. Die sexuellen Fantasien und Verhaltensweisen von vulnerablen Narzissten unterscheiden sich hingegen nicht von der Allgemeinbevölkerung.
„Unsere Ergebnisse können das bestehende Wissen über sexuelle Fantasien und Verhaltensweisen und deren Zusammenhang mit grandiosem, vulnerablem und malignem Narzissmus erweitern und den Weg für weitere Forschung zu antagonistischen Persönlichkeitsmerkmalen als möglichen Wurzeln ungewöhnlicher sexueller Fantasien und Verhaltensweisen in unterschiedlichen Kontexten ebnen.“
Laut den Forschern liefern die Ergebnisse neues Wissen über die Zusammenhänge zwischen der Persönlichkeit und der Sexualität eines Menschen. Sie erklären jedoch, dass die Studie auf Selbstauskünften der Probanden basiert und somit Verzerrungen bestehen könnten. Es ist etwa denkbar, dass Narzissten öfter dazu bereit sind, über ungewöhnliche sexuelle Fantasien und Handlungen zu sprechen.
Quellen:
Studie im Fachmagazin Mediterranean Journal of Clinical Psychology (MJCP), doi: 10.13129/2282-1619/mjcp-4887