Robert Klatt
In der Antarktis wurden zwei Radiosignale entdeckt, die die komplette Erde durchquert haben. Der Winkel und die extrem hohe Energie der Zerfallsprodukte können nicht durch bekannte Teilchen oder Prozesse erklärt werden.
Pennsylvania (U.S.A.). Das ANITA-Experiment (Antarctic Impulsive Transient Antenna) hat mit seinen Messballons vor mehreren Jahren zwei rätselhafte Radiosignale entdeckt. Diese Radiopulse entstehen durch die Interaktion von energiereichen kosmischen Partikeln, darunter Neutrinos, mit der Atmosphäre oder dem Untergrund. Im Vergleich zu den meisten anderen bisher gemessenen Radiopulsen hatten die vom ANITA-Experiment detektierten Radiosignale mit 0,6 Exaelektronenvolt (EeV) eine rund 200-mal höhere Energie.
Zudem stammten beide Radiosignale aus einer Quelle, die deutlich unter dem Horizont liegt. Laut Forschern der Pennsylvania State University (PSU) befand sich diese Quelle unter dem Eis der Antarktis.
„Die Radiopulse kamen im Winkel von rund 30 Grad von unten aus dem Eis.“
Die Radiopulse müssen demnach die gesamte Erde durchquert haben, um im beobachteten Winkel den Detektor erreicht haben zu können. In der Wissenschaft galt es bisher jedoch als unmöglich, dass energiereiche Zerfallsteilchen den Planeten durchqueren können. Üblicherweise werden die Zerfallsprodukte zuvor von den massiven Gesteinen absorbiert.
„Kein Teilchen des Standardmodells kann bei diesen Energien die rund 5.700 Kilometer durch die Erde hindurch zurücklegen und die Passage überstehen.“
Die Forscher der PSU haben die rätselhaften Radiosignale deshalb erneut untersucht.
„Das ist ein interessantes Problem, denn wir haben bisher noch immer keine Erklärung dafür, was diese Anomalien waren. Wir wissen nur, dass sie höchstwahrscheinlich nicht durch Neutrinos verursacht wurden.“
Laut ihrer Publikation im Fachmagazin Physical Review Letters haben sie dazu die Messdaten des ANITA-Experiments mit Daten weiterer Teilchendetektoren und den Standardmodellen verglichen. Zu den Vergleichsdaten gehörten unter anderem 7,6 Millionen Teilchensignale vom Pierre Auger Observatorium, die im selben Zeitraum erhoben wurden. Das Pierre Auger Observatorium misst Zerfallsprodukte von energiereichen Teilchen aus dem Weltraum.
In den Messungen des Pierre Auger Observatorium konnten die Forscher jedoch kein Signal entdecken, das die rätselhaften Radiopulse aus dem antarktischen Eis erklären kann. Es ist laut ihnen deshalb wahrscheinlich, dass die Radiopulse nicht von Neutrinos aus dem Weltraum verursacht wurden. Auch die physikalischen Standardmodelle liefern keine Erklärung.
„Die Ereignisse bleiben weiterhin eine Anomalie. Sie passen nicht zu den Teilchenkaskaden bekannter Teilchenzerfälle oder -interaktionen.“
Die Forscher vermuten deshalb, dass die beiden Anomalien von einem bisher unbekannten Prozess verursacht wurden.
„Meine Vermutung ist, dass unter dem Eis oder am Horizont ein Prozess stattfindet, den wir bisher nicht verstehen. Allerdings haben wir mehrere Kandidaten dafür schon untersucht und bisher nichts finden können. Im Moment gehört dies zu den ungelösten Rätseln.“
Zukünftige Messungen mit neuen Detektoren, die eventuell weitere Anomalien aufdecken, könnten dabei helfen, eine Erklärung für die rätselhaften Radiosignale zu finden.
„Vielleicht können wir dann herausfinden, worum es sich handelt.“
Physical Review Letters, doi: 10.1103/PhysRevLett.134.121003