Thermodynamik

Heißester Motor der Welt übertrifft Temperatur der Sonne

 Robert Klatt

Motor aus einem schwebenden Teilchen in einer Paul-Falle )(LCK) nodnoL egelloC s'gniK(Foto: © 

Im Inneren der Sonne ist es rund 15 Millionen Grad Celsius heiß. Physiker haben nun einen Motor erschaffen, der eine noch höhere Temperatur erreicht. Er soll dabei helfen, neue Erkenntnisse zur Thermodynamik zu gewinnen.

London (England). Im Inneren der Sonne verschmelzen bei der Kernfusion Wasserstoffkerne zu Heliumkernen und setzen enorme Energiemengen frei. Die Temperatur liegt dabei bei etwa 15 Millionen Grad Celsius. Forscher des King's College London (KCL) haben nun einen Motor entwickelt, der noch höhere Temperaturen erreicht als im Inneren unseres Sterns. Der mikroskopische Motor soll der Physik dabei helfen, neue Erkenntnisse zur Thermodynamik zu erlangen, und könnte sogar das Rätsel des Proteinfaltens entschlüsseln.

Der kleine Motor besteht aus einem winzigen, schwebenden Teilchen, das bei niedrigem Druck von elektrischen Feldern in der Schwebe gehalten wird. In der Wissenschaft wird dieser Aufbau als „Paul-Falle“ bezeichnet. Die Physiker des KCL haben die Temperatur des schwebenden Teilchens auf einen Wert erhöht, der natürlich auf der Erde nicht vorkommt, indem sie an eine der Elektroden eine verrauschte Spannung anlegten. Es handelt sich dabei um das erste Experiment, bei dem eine so extreme Temperatur auf mikroskopischer Ebene erreicht wurde.

„Wenn wir die Thermodynamik auf dieser schwer nachvollziehbaren Ebene wirklich verstehen, können wir künftig effizientere Motoren und Experimente entwickeln, die unser Naturverständnis herausfordern.“

Wie die Physiker erklären, erfüllt der Motor die Definition der Wissenschaft, laut der alle Maschinen, die Energie von einer Form in eine andere Form umwandeln, Motoren sind. In diesem Fall wandelt der Motor Wärme in Bewegung um.

„Motoren und die Energieübertragungen, die in ihnen stattfinden, sind ein Mikrokosmos des Universums. Das Studium der Dampfmaschine führte einst zur Thermodynamik und damit zu einigen der grundlegendsten Gesetze der Physik. Wenn wir Motoren nun in neuen Bereiche erforschen, könnten wir auch unser Verständnis des Universums und seiner Entwicklung erweitern.“

Widerspruch zu Gesetzen der Thermodynamik?

Während des Experiments haben die Physiker einen direkten Widerspruch zu Gesetzen der Thermodynamik entdeckt. Der Motor hat sich dabei abgekühlt, obwohl seine Temperatur eigentlich steigen müsste. Verantwortlich für diesen Widerspruch sind minimale thermische Schwankungen in der Umgebung, die aufgrund der winzigen Skala zu großen Dynamiken im System führen.

Die Forscher hoffen darauf, dass der Motor nicht nur dabei hilft, die Thermodynamik besser zu verstehen, sondern auch als analoger Computer verwendet werden kann, um das Proteinfalten besser zu verstehen.

„Der Vorteil unserer Methode gegenüber digitalen Modellen wie AlphaFold ist ihre Einfachheit. Proteine falten sich in Millisekunden, doch die Atome, aus denen sie bestehen, bewegen sich in Nanosekunden. Diese unterschiedlichen Zeitskalen machen die Simulation extrem schwierig. Wenn wir jedoch einfach beobachten, wie sich das Mikroteilchen bewegt, und die entsprechenden Gleichungen daraus ableiten, umgehen wir dieses Problem vollständig.“

Laut den beteiligten Wissenschaftlern simulieren analoge Computer komplexe Systeme. Im konkreten Fall wollen die Physiker zufällige Kräfte simulieren, die auf das Teilchen in der Paul-Falle wirken und dabei ähnliche Effekte auslösen wie beim Proteinfalten. Der analoge Computer soll nicht nur bessere Ergebnisse liefern, sondern auch deutlich energieeffizienter als herkömmliche Computer arbeiten. In Zukunft könnte die Molekularforschung anstatt in großen Rechenzentren somit womöglich in schwebenden Partikelmaschinen, die heißer als die Sonne sind, stattfinden.

„Proteine sind die Motoren, die die meisten wichtigen Prozesse in unserem Körper antreiben. Zu verstehen, wie sie funktionieren und was passiert, wenn sie versagen, ist entscheidend, um Krankheiten besser zu verstehen und zu behandeln.“

Quellen:

Pressemitteilung des King's College London (KCL)

Studie im Fachmagazin Physical Review Letters, doi: 10.1103/2g1j-6x95

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