Höhere Sicherheit

Tempolimit von 120 km/h in Deutschland würde Verkehrstote deutlich senken

 Robert Klatt

Tödlicher Autounfall auf einer deutschen Autobahn )kcotS ebodAtredierB divaD(Foto: © 

In Deutschland gibt es auf einem Großteil der Autobahnen kein Tempolimit, obwohl die meisten Autofahrer dafür sind. Die Einführung einer pauschalen Geschwindigkeitsbegrenzung von 120 km/h würde die Zahl der Unfälle, Verletzten und Verkehrstoten deutlich reduzieren.

Bochum (Deutschland). In Deutschland hat ein Großteil der Autobahnen aktuell kein Tempolimit (70,4 %), obwohl sich laut einer Umfrage der TARGOBANK die meisten Autofahrer eine pauschale Geschwindigkeitsbegrenzung wünschen. Eine solches Tempolimit würde laut der Bundesanstalt für Straßen- und Verkehrswesen (BASt) die CO₂-Emissionen des Straßenverkehrs deutlich senken. Forscher der Ruhr-Universität Bochum (RUB) haben nun untersucht, wie sich ein Tempolimit von 120 km/h auf die Verkehrsunfälle auswirken würde.

Wie die Forscher der RUB erklären, wurde die letzte große Studie dazu zwischen 1974 und 1977 durchgeführt, als die Autobahnen und Autos technisch noch deutlich schlechter waren. Damals kamen die Wissenschaftler zu dem Ergebnis, dass ein Tempolimit von 130 km/h die Zahl der Unfälle mit Personenschaden (- 10 %) und die Zahl der Schwerverletzten und Verkehrstoten (- 20 %) deutlich senkt.

„Da es bislang keine geeigneten Daten für eine solche Analyse gab, habe ich eigens einen neuen Datensatz aus einer Vielzahl einzelner Datenquellen zusammengestellt.“

Künstliche Intelligenz (KI) bewertet Autobahnen in Deutschland

Laut der Publikation im Fachmagazin Transportation Research Part A: Policy and Practice umfasst die Datenbasis rund die Hälfte des gesamten Autobahnnetzes. Die Forscher haben die Autobahnen in 500 Meter lange Abschnitte unterteilt und deren Straßenzustand, Verkehrsaufkommen und Wetter erfasst.

„Eine vergleichbare Datenbasis gab es bisher nicht.“

Anschließend hatte eine Künstliche Intelligenz (KI) die kausalen Effekte eines Tempolimits aus diesen Abschnitten modelliert.

„Vereinfacht ausgedrückt sucht der Algorithmus Straßenabschnitte, die sich in den relevanten Eigenschaften möglichst ähnlich sind und sich nur darin unterscheiden, dass sie ein Tempolimit haben oder nicht. Da sich Abschnitte mit und ohne Tempolimit im Durchschnitt systematisch unterscheiden und zudem nie alle relevanten Gefahrenquellen vollständig im Datensatz abgebildet werden können, bleibt ein solcher Vergleich zwangsläufig unvollständig.“

Um diesen Aspekt zu berücksichtigen, haben die Forscher die These aufgestellt, das Autobahnabschnitte mit einem Tempolimit ein höheres Unfallrisiko haben. Wenn dort kein Tempolimit existieren würde, hätte es also mehr Unfälle gegeben als in ähnlichen Abschnitten ohne Geschwindigkeitsbegrenzung.

„Eigenschaften, die diese Annahme verletzen könnten – also Merkmale, die beispielsweise zu einem Tempolimit führen, obwohl sie tatsächlich mit vorsichtigerem Fahrverhalten und damit mit weniger Unfällen zusammenhängen –, werden besonders berücksichtigt und gegebenenfalls aus der Schätzung ausgeschlossen. Aufgrund der Datenbasis und der in der Studie getroffenen Annahmen sind die Ergebnisse konservativ geschätzt – die tatsächlichen Effekte könnten also noch stärker ausfallen.“

Tempolimit von 120 km/h reduziert Unfälle

Laut den Ergebnissen des Modells würde ein Tempolimit von 120 km/h auf allen Autobahnen Unfälle mit Leichtverletzten (- 9 %), Unfälle mit Schwerverletzten (- 26 %) und tödliche Unfälle (- 35 %) deutlich reduzieren. Umgerechnet auf alle bisher unbeschränkten Autobahnabschnitte würde ein Tempolimit von 120 km/h 53 tödliche Unfälle mit 58 Todesopfern, 649 schwere Unfälle mit etwa 904 Schwerverletzten sowie 801 leichte Unfälle mit etwa 1.375 Leichtverletzten jährlich verhindern. Zudem würden die Unfallkosten um 216 Millionen Euro sinken.

Am stärksten wären die Auswirkungen des Tempolimits an Ein- und Ausfahrten und auf wenig befahrenen Autobahnabschnitten, auf denen viele Autofahrer besonders schnell fahren. Die hohen Geschwindigkeiten und die Geschwindigkeitsunterschiede zu anderen Fahrzeugen führen oft dazu, dass Unfälle besonders schlimm verlaufen. Auf ohnehin vollen Autobahnabschnitten sind die Geschwindigkeiten hingegen bereits geringer und ein Tempolimit hätte weniger Effekte.

Transportation Research Part A: Policy and Practice, doi: 10.1016/j.tra.2025.104616

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