Robert Klatt
In Deutschland beziehen 1,8 Millionen Menschen Bürgergeld, obwohl sie erwerbsfähig sind. Die Mehrheit von ihnen sucht nicht aktiv nach einer neuen Arbeit. Als Gründe nannten die Betroffenen oft die zu geringen Einkommenschancen.
Tübingen (Deutschland). In Deutschland beziehen aktuell rund 1,8 Millionen Menschen Bürgergeld, obwohl sie grundsätzlich arbeitsfähig sind. Forscher des Instituts für Angewandte Wirtschaftsforschung e. V. (IAW) haben im Auftrag der Bertelsmann Stiftung eine Studie erstellt, die erstmals systematisch untersucht, ob die betroffenen Bürgergeldbezieher intensiv nach einer neuen Arbeitsstelle suchen. Sie haben dazu Bürgergeldempfänger befragt, die seit mindestens einem Jahr Bürgergeld erhalten.
Die Mehrheit der Bürgergeldempfängerinnen (63 %) und Bürgergeldempfänger (53 %) gab an, dass sie im letzten Monat nicht aktiv nach einer neuen Arbeit gesucht haben. Ein Großteil der Bürgergeldempfänger, die aktiv nach einem neuen Job suchen, wendet dazu zudem nur wenig Zeit auf. Lediglich wenige Bürgergeldempfängerinnen (4 %) und Bürgergeldempfänger (7,6 %) investieren wöchentlich 20 Stunden oder mehr in die Arbeitssuche.
Viele Befragte (25 %) gaben an, dass sie nicht aktiv nach einer neuen Arbeit suchen, weil die Einkommenschancen zu gering sind und ihr realistisch zu erzielendes Gehalt ihre finanzielle Situation kaum verbessern würde. Außerdem suchen viele Bürgergeldempfänger (22 %) nicht nach einer neuen Arbeit, weil sie laut eigenen Angaben aufgrund der Kinderbetreuung oder der Pflege von Angehörigen zeitlich gebunden sind. In Kombination führen diese Faktoren dazu, dass vor allem Frauen in Paarhaushalten deutlich weniger aktiv eine neue Arbeit suchen als Männer in Paarhaushalten oder Singlefrauen.
„Wenn in Paarhaushalten der Mann das höhere Einkommen generiert und Frauen auch bei einer Arbeitsaufnahme weniger verdienen würden als ihr Partner, ist die Motivation, sich einen Job zu suchen, gering.“
Die Umfrage zeigt zudem, dass Frauen, die in Deutschland geboren wurden, weniger aktiv nach einer neuen Arbeitsstelle suchen als Frauen mit Migrationshintergrund.
„Das kann an unterschiedlichen Faktoren liegen, wie einer Diskriminierung am Arbeitsplatz oder Geschlechterrollenbildern, die in manchen Herkunftsländern besonders stark ausgeprägt sind.“
Entscheidend ist außerdem die Dauer des Bürgergeldbezugs. Menschen, die bereits lange die staatliche Transferleistung erhalten, bewerben sich deutlich weniger aktiv auf neue Arbeitsstellen als Personen, die erst kurz Bürgergeld erhalten.
Etwa die Hälfte der Bürgergeldbezieher (49 %), die nicht aktiv nach einer neuen Arbeit suchen, gaben als Grund dafür an, dass es zu wenig passende Stellen für ihre Qualifikation geben würde.
„Wer lange Leistungen bezieht, verliert oft den Anschluss. Aufgabe der Jobcenter ist, zu unterstützen und passgenaue Jobs oder Qualifizierung anzubieten.“
Die Studienautoren sprechen sich angesichts dieser Situation dafür aus, dass die staatlichen Stellen sie besser unterstützen müssen, etwa durch Weiterbildungsangebote und eine gute Kinderbetreuung. Um Menschen zu einer legalen Arbeitsaufnahme zu bewegen, sollten laut ihnen Personen, die Arbeitsmöglichkeiten ohne Grund ablehnen, stärker sanktioniert werden und es sollte stärker gegen Schwarzarbeit vorgegangen werden.
„Außerdem muss Schwarzarbeit unterbunden werden, indem betroffene Personen stärker zeitlich eingebunden werden.“