
Robert Klatt
Die Anzahl der offenen Stellen liegt in Deutschland deutlich über dem langfristigen Durchschnitt. Dadurch verliert die Volkswirtschaft Milliarden Euro Wirtschaftsleistung. Als Gegenmaßnahme könnten Arbeitskräften aus dem Ausland angeworben werden.
Düsseldorf (Deutschland). Laut einer Studie der Boston Consulting Group (BCG) in Kooperation mit der Internationalen Organisation für Migration der Vereinten Nationen (IOM) gehen Deutschland durch den Arbeitskräftemangel pro Jahr 84 Milliarden Euro Wirtschaftsleistung verloren. Die Einbußen der deutschen Volkswirtschaft sind damit im Vergleich der wirtschaftsstärksten Nationen nach den U.S.A. die global zweithöchsten.
Als Basis der Studie dienten Daten des Institutes für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), laut denen im zweiten Quartal 2022 etwa 1,9 Millionen Arbeitsplätze in der Bundesrepublik als offen gemeldet waren.
Wie der Studienautoren Johann Harnoss erklärt, ist die Anzahl der offenen Stellen damit deutlich über dem Durchschnitt.
„Das ist etwa eine Million über dem langfristigen Durchschnitt. Das sehen sowohl Ökonomen als auch wir als strukturellen Mangel.“
Im Mittel gehen durch jeden fehlenden Arbeitnehmer laut Harnoss und der früheren Siemens-Personalvorständin Janina Kugel jährlich 84.000 Euro Wirtschaftsleistung verloren. Die eine Million fehlenden Arbeitskräfte über dem langfristigen Durchschnitt kosten die Volkswirtschaft somit 84 Milliarden Euro pro Jahr.
Bei einer angenommenen Zuwanderung von 300.000 bis 400.000 Menschen pro Jahr würde in Deutschland die Anzahl der Menschen im arbeitsfähigen Alter bis 2035 um drei Millionen sinken. Bis 2050 schätzen Harnoss und Kugel sogar, dass die Anzahl der Arbeitskräfte um neun Millionen sinkt. Laut Kugel ist es demnach sehr wahrscheinlich, dass ohne entsprechende Gegenmaßnahmen das Problem weiter zunimmt.
„Die Kosten von 84 Milliarden werden noch größer, wenn wir nicht dagegen steuern.“
Als Gegenmaßnahme schlägt Harnoss vor, dass Deutschland in Ländern mit einer wachsenden Bevölkerung gezielt Arbeitskräfte abwerben könnte. Beispiele dafür sind Indien, Nigeria, Indonesien oder Ägypten.
„Eine Möglichkeit wäre, die Leute dort in ihren Heimatländern auszubilden, bevor sie nach Deutschland kommen. Das hätte Vorteile für die Einwanderer, für die Herkunftsländer und für die Zielländer.“
Laut Kugel sollte die politische Ideologie dabei keine Rolle spielen.
„Wir müssen unideologische Linien haben. Dort, wo Einwanderung in großem Maßstab stattfindet, ist auch die Akzeptanz deutlich höher. Falls wir einen noch größeren Fachkräftemangel bekommen, werden wir politische Diskussionen in noch ganz anderen Tönen bekommen.“
Dem deutschen Mittelstand empfehlen Kugel und Harnoss deshalb verstärkt auf dem internationalen Arbeitsmarkt nach neuen Mitarbeiter zu suchen. Dies hilft laut ihnen nicht nur dabei, den Arbeitskräftemangel zu bekämpfen, sondern macht die Unternehmen auch innovativer.
„Je diverser Unternehmen sind, desto innovativer sind sie auch.“