137.000 offene Stellen

Deutschland fehlen immer mehr IT-Fachkräfte

Robert Klatt

IT-Fachkraft bei der Arbeit )kcotS ebodAffoknedoroG(Foto: © 
Auf den Punkt gebracht
  • In Deutschland fehlen aktuell etwa 137.000 IT-Fachkräfte
  • Laut dem Branchenverband Bitkom e. V. könnten Experten aus Russland und Belarus helfen
  • Unternehmen können diese aufgrund bürokratischer Hürden aber nur schwer einstellen 

Deutschland fehlen aktuell etwa 137.000 IT-Fachkräfte. Helfen könnten IT-Experten aus Russland und Belarus, die Unternehmen aufgrund von bürokratischen Hürden aber nur schwer einstellen können.

Berlin (Deutschland). In Deutschland fehlen laut einer kürzlich publizierten Studie von Bitkom e. V., dem Branchenverband der Informations- und Telekommunikationsbranche, etwa 137.000 IT-Fachkräfte. Quer über alle Branchen suchen Start-ups und etablierte Unternehmen damit trotz der problematischen konjunkturellen Lage mehr IT-Experten als vor Covid-19.

„Wir erleben auf dem IT-Arbeitsmarkt einen strukturellen Fachkräftemangel. Der Mangel an IT-Fachkräften macht den Unternehmen zunehmend zu schaffen und wird sich in den kommenden Jahren dramatisch verschärfen. Der demographische Wandel führt dazu, dass signifikant weniger junge Menschen mit IT-Qualifikationen auf den Arbeitsmarkt kommen und zugleich scheiden mehr Ältere aus einschlägigen Berufen aus. Der Fachkräftemangel entwickelt sich zum Haupthindernis bei der digitalen Transformation.“

Lediglich ein kleiner Teil der befragten Unternehmen (8 %) hält das Angebot an IT-Fachkräften für ausreichend, während fast drei Viertel (74 %) von einem Fachkräftemangel sprechen. Ein Großteil der Unternehmen (70 %) rechnet zudem damit, dass das Problem sich in den kommenden Jahren vergrößert.

IT-Experten aus Russland und Belarus

Eine mögliche Lösung für dieses Problem ist die Einstellung von IT-Experten aus Russland und Belarus. Über ein Drittel der Unternehmen mit offenen Stellen für IT-Fachkräfte erklärte, dass Fachkräfte aus diesen Ländern einstellen würde, wenn diese zuvor eine behördliche Sicherheitsprüfung durchlaufen. Bisher beschäftigt nur ein Bruchteil (1 %) der Umfrageteilnehmer IT-Experten aus Russland und Belarus. Aus diesen Ländern zugewanderte IT-Experten haben jedoch das Potenzial dazu, 59.000 Stellen zu besetzen.

„Wir müssen gerade jetzt ukrainische IT-Anbieter und Nearshore-Dienstleister partnerschaftlich stabilisieren und in den digitalen Wertschöpfungsnetzwerken halten. Gleichzeitig sollten wir sicherheitsüberprüfte IT-Experten aus Russland und Belarus nach Deutschland holen und hier wirtschaftlich und gesellschaftlich dauerhaft integrieren.“

Personalsuche dauert über sieben Monate

Im Mittel benötigen Unternehmen in Deutschland aktuell 7,1 Monate, um eine offene Stelle für IT-Fachkräfte zu besetzen. Um neue Mitarbeiter zu gewinnen, nutzen die Unternehmen vor allem Initiativbewerbungen (97 %) und Stellenausschreibungen (93 %), aber auch andere Methoden wie Praktika (61 %), Karrieremessen (31 %) Headhunting (22 %) und Active Sourcing (21 %), also die aktive Ansprache potenzieller Kandidaten über soziale Netzwerke wie LinkedIn oder spezielle Plattformen wie JobSwop.io. Ein kleiner Teil der Unternehmen (12 %) versucht überdies IT-Spezialisten zu gewinnen, indem freie Mitarbeiter in ein festes Anstellungsverhältnis übernommen werden.

Bewerbungsprozess wird digitaler

Neben den unterschiedlichen Methoden zur Personalgewinnung versuchen die Unternehmen außerdem möglichst viele Bewerber anzusprechen, indem sie den Bewerbungsprozess so einfach wie möglich gestalten. Neben Bewerbungen per E-Mail (99 %) und per klassischer Bewerbungsmappe auf Papier (77 %) nutzen viele Unternehmen deshalb inzwischen auch Online-Bewerbungs-Tools (39 %), eine Bewerbung mit einem Klick aus einem Business-Netzwerk (16 %), oder eine Bewerbungs-App (13 %).

Auch der weitere Bewerbungsprozess läuft bei vielen Unternehmen deutlich digitaler ab als noch vor wenigen Jahren. Die Befragten nutzen etwa Videokonferenzen für Bewerbungsgespräche (78 %) oder bauen einen digitalen Bewerbungspool auf (73 %), also eine Datenbank, aus der sie in Zukunft neue Stellen besetzen können. Auch Tests, die zuvor im Assessment-Center vor Ort stattgefunden haben, laufen inzwischen bei der Hälfte der Unternehmen (50 %) über das Internet ab. Ein kleiner Teil beschleunigt den Bewerbungs- und Einstellungsprozess zudem damit, dass das Probearbeiten ebenfalls remote erfolgt (16 %) und dass der Arbeitsvertrag per digitaler Signatur unterzeichnet wird (26 %).

„Die Unternehmen bespielen beim Recruiting die komplette Klaviatur. Das hilft natürlich im Einzelfall, den gesamtgesellschaftlichen Fachkräftemangel löst es nicht."

Einwanderung von IT-Fachkräften erleichtern

In den kommenden Jahren wird der Fachkräftemangel im IT-Bereich mit hoher Wahrscheinlichkeit in Deutschland weiter zunehmen. Dafür sprechen etwa die sinkenden Studentenzahlen im Bereich der Informatik. 2021 begannen nur 72.075 Menschen in Deutschland ein solches Studium. 2020 waren es noch 3.000 Studenten mehr und 20219 sogar knapp 6.000. Außerdem beendet nur etwa die Hälfte der Studienanfänger im Fachbereich Informatik ihr Studium.

Um dauerhaft den Fachkräftemangel beseitigen zu können, erwarten die meisten Unternehmen (90 %) deshalb von der Politik, dass der Einwanderungsprozess für Experten aus dem Ausland digitaler und schneller abgewickelt wird.

„Die Bundesregierung arbeitet an einer Novelle des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes, deren Ausrichtung wir voll unterstützen. Es ist wichtig, dass wir gerade mit Blick auf den IT-Bereich berufspraktische Erfahrung genauso berücksichtigen wie formale Abschlüsse. Überflüssig ist bei IT-Fachkräften aber der fortdauernde Nachweis von Deutschkenntnissen bereits bei der Einreise. Wichtig wäre, den Einwanderungsprozess konsequent zu digitalisieren und zu entbürokratisieren.“ 

Besonders deutsche Start-ups haben im internationalen Wettbewerb um die besten IT-Fachkräfte zudem noch immer mit Standortnachteilen zu kämpfen. Die Befragten erklärten deshalb, dass sie sich neue Möglichkeiten wünschen, mit denen sie Beschäftigten am finanziellen Erfolg der Unternehmen beteiligen können (68 %). Zudem benötigen die Unternehmen (60 %) mehr Rechtssicherheit bei der Einstellung von IT-Spezialisten aus dem Ausland sowie Verbesserungen der rechtlichen Rahmenbedingungen für Remote Work aus dem Ausland (46 %). Bisher erschweren vor allem sozialversicherungs- und steuerrechtliche Vorgaben diese Möglichkeit stark.

„Die rechtlichen Barrieren für Remote Work in der Praxis müssen mindestens innerhalb der EU so schnell wie möglich fallen. Wir müssen zügig in all diesen Bereichen aktiv werden, um für IT-Fachkräfte das Arbeiten in Deutschland attraktiver zu machen.“

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