Diskriminierung der Familien?

Deutsche Gesellschaft soll schuld an Clankriminalität sein

Robert Klatt

Polizist im Kampf gegen Clankriminalität )kcotS ebodAmarklexiP(Foto: © 

In Deutschland dominieren Familienclans viele Bereiche der organisierten Kriminalität. Eine Studie zeigt nun die Ursachen der Clankriminalität.

Berlin (Deutschland). In Berlin, Bremen und vielen anderen Großstädten Deutschlands dominieren Großfamilien aus dem arabischen Kulturkreis unterschiedliche Bereiche der organisierten Kriminalität, darunter etwa den Handel mit Drogen, illegales Glücksspiel und die Schutzgelderpressung. Wissenschaftler der Technische Universität Berlin (TU Berlin) um den Soziologen und Kriminologen Robert Pelzer haben im Rahmen des Forschungsprojekts „Biographien und Lebenswelten von Angehörigen großfamiliärer Strukturen“ die Clankriminalität in Deutschland untersucht. Finanziert wurde die 660.000 Euro teure Studie durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).

Wie Pelzer in einem mit FOCUS berichtet, haben die Forscher zehn biographische Interviews mit 21 bis 55 Jahre alten Personen aus dem Umfeld von bekannten Clans durchgeführt. Die familiären Wurzeln der Personen waren im Libanon und in Palästina. Sieben der zehn Teilnehmer (70 %) waren polizeibekannt und saßen bereits im Gefängnis. Außerdem wurden Kurzinterviews mit 18 Angehörigen von Großfamilien und ihren Begleitpersonen erstellt und die Forscher haben mehrere Mitarbeiter von Strafverfolgungsbehörden, aus der Justiz, der sozialen Arbeit sowie Rechtsanwälte der Clanmitglieder befragt.

„Ergänzend haben wir die Straftatenbiographien von 46 zufällig ausgewählten Personen, die von polizeilicher Seite dem Phänomen Clankriminalität zugerechnet werden, anhand von Ermittlungsakten und Auszügen aus dem Bundeszentralregister analysiert.“

Medienberichte verfälschen Bild

Die Studie widerlegt die medial verbreitete Annahme, dass Angehörige arabischsprachiger Großfamilien generell kriminell und gewaltbereit seien und sich von der Mehrheitsgesellschaft abgrenzen. Tatsächlich unterscheiden sich ihre kriminellen Verhaltensmuster kaum von denen deutschstämmiger Straftäter.

Zudem wird hervorgehoben, dass diese Gruppen in Deutschland oft Diskriminierung und Alltagsrassismus erfahren, was ihre persönliche Entwicklung beeinträchtigt und die Neigung zu kriminellen Handlungen fördern kann. Insbesondere die Stigmatisierung führt dazu, dass sie aufgrund ihrer Familienzugehörigkeit häufig als potenzielle Kriminelle behandelt werden.

Kaum Chancen in Schule und Beruf

Laut der Studie beginnt die Stigmatisierung von Personen, die zu Großfamilien gehören, oft bereits in der Schule. Dies kann zu Mobbing, Stress und einem verringerten Selbstwertgefühl führen und dadurch das Risiko von schlechten Leistungen erhöhen. Die Zugehörigkeit zu einer Großfamilie ist laut den Autoren zudem bei der Suche nach Ausbildungsplätzen, Jobs oder Wohnungen problematisch, weil sowohl erfolgreiche Schüler als auch Schulabbrecher aufgrund ihrer Familie Ablehnung durch Arbeitgeber oder Vermieter erfahren.

Diese anhaltende Stigmatisierung kann dazu führen, dass Betroffene sich zunehmend mit bereits kriminellen Familienmitgliedern identifizieren und daraufhin auch kriminelle Lebenswege einschlagen. Hinzukommt, dass Personen aus den Familien oft in schlechten Verhältnissen aufwachsen, Flucht- und Traumaerfahrungen haben und unter einem unsicheren Aufenthaltsstatus leiden.

Institutionelle Diskriminierung durch die Polizei

Die Wissenschaftler kritisieren zudem die institutionelle Diskriminierung in Deutschland, insbesondere gegenüber libanesischen Geflüchteten und deren Nachkommen, die oft keinen Aufenthaltstitel besitzen und lediglich geduldet sind, obwohl ihr Lebensmittelpunkt in Deutschland liegt. Eine Reduzierung der sozialen Ungleichheit und die Schaffung von Perspektiven würde laut den Autoren viele kriminelle Lebenswege verhindern.

Des Weiteren berichten viele Angehörige arabischer Großfamilien über negative Erfahrungen mit der Polizei, etwa häufigere Kontrollen und härtere Behandlung aufgrund ihres Erscheinungsbildes, Nachnamens oder ihrer Herkunft. Dies wird oft von Betroffenen oft als stigmatisierend empfunden und kann zu einem Rückzug aus der Gesellschaft beitragen.

Rassismus durch die Medien

Zudem kritisieren die Forscher die Berichterstattung über Clankriminalität in den Medien. Diese ist laut ihnen oft rassistisch, weil Straftaten einzelner Mitglieder als „Remmo-Clan“, „Abou-Chaker-Clan“, „Miri-Clan“ oder „Al-Zein-Clan“ bezeichnet werden und damit auch Personen schaden, die zwar den gleichen Nachnamen haben, aber oft nicht miteinander verwandt sind oder im Alltag nichts miteinander zu tun haben.

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