Robert Klatt
Das Geschlecht des Babys ist nicht rein zufällig, sondern wird vom Alter und von Genvarianten der Mutter beeinflusst. Es besteht somit keine 50:50-Chance beim Geschlecht des zweiten Kindes, sondern das Geschlecht entspricht mit höherer Wahrscheinlichkeit dem Geschlecht des ersten Kindes.
Boston (U.S.A.). Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Eizelle ein X- oder Y-Chromosom aus dem Spermium erhält und somit ein weibliches oder männliches Kind entsteht, ist identisch. Manche Familien bekommen trotz der 50:50-Chance aber nur Mädchen oder nur Jungen. In der Forschung besteht deshalb schon lange die Annahme, dass das Geschlecht nicht zufällig ist, sondern verschiedene biologische Faktoren die Geschlechterverteilung des Babys beeinflussen. Ein möglicher Grund dafür könnte etwa sein, dass sich bei manchen Frauen eher die weiblichen Embryonen und bei manchen die männlichen Embryonen im Mutterleib durchsetzen.
Forscher der Harvard University haben nun eine Studie publiziert, die untersucht hat, welche Faktoren einen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeiten bei der Geschlechterverteilung haben. Laut ihrer Publikation im Fachmagazin Science Advances haben sie dazu Geburtsdaten und Gendaten von 58.007 Frauen, die mindestens zwei Kinder geboren haben, analysiert. Die Wissenschaftler haben zudem das Alter der Frauen bei der Geburt, ihre Größe, ihren Body-Mass-Index (BMI), ihre Blutgruppe und weitere Eigenschaften berücksichtigt.
Die Analyse offenbart, dass das Alter der Mutter die Geschlechterverteilung beeinflusst. Ältere Frauen haben demnach eine höhere Wahrscheinlichkeit, Kinder mit demselben Geschlecht zu gebären. Zudem wird die Geschlechterverteilung durch unterschiedliche Genvarianten beeinflusst. Mütter, die die Genvariante NSUN6 auf Chromosom 10 besitzen, bekommen mit einer höheren Wahrscheinlichkeit nur Mädchen, und Mütter mit der Genvariante TSHZ1 auf Chromosom 18 nur Jungen.
Laut den Forschern zeigt die Studie somit, dass das Geschlecht pro Geburt nicht als simple Binomialverteilung betrachtet werden kann, sondern dass die Wahrscheinlichkeit eher einer Beta-Binomialverteilung ähnelt. Die Chance ist somit nicht 50:50, sondern hin zu einem Geschlecht verschoben. Frauen, die bereits ein Mädchen bekommen haben, bekommen also mit einer höheren Wahrscheinlichkeit wieder ein Mädchen als einen Jungen und umgekehrt. Es ist somit belegt, dass nicht nur die Geschlechtschromosomen, sondern auch biologische Faktoren das Geschlecht der Kinder beeinflussen.
„Familien, die sich Nachkommen von mehr als einem Geschlecht wünschen und bereits zwei oder drei Kinder des gleichen Geschlechts haben, sollten sich darüber im Klaren sein, dass sie beim Versuch, ihr nächstes Kind zu bekommen, wahrscheinlich einen Münzwurf mit einer zweiköpfigen Münze machen.“
Die Forscher erklären zudem, dass neben den identifizierten mütterlichen Faktoren noch andere Faktoren das Geschlechterverhältnis beeinflussen könnten, darunter auch Faktoren des Vaters, die in der Studie nicht untersucht wurden.
„Es ist wahrscheinlich, dass es väterliche Faktoren gibt, die wir nicht berücksichtigt haben.“
Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.adu7402