Wirkstoff Terbinafin

Pilzmedikament bekämpft aggressiven Prostatakrebs

Robert Klatt

Mit Terbinafin behandelte Zellkultur )moc.hsalpsnusyaH werD(Foto: © 

Aggressiver Prostatakrebs lässt sich oft nicht behandeln. Hoffnung macht nun das Pilzmedikament Terbinafin, das in einer ersten Studie eine hohe Wirksamkeit zeigte.

Würzburg (Deutschland). Prostatakrebs wächst zu Beginn der Erkrankung in der Regel nur langsam. Im späteren Verlauf kommt es jedoch oft zu Metastasen, die sich kaum behandeln lassen. Tritt einer dieser sehr aggressiven Tumore auf, kommt es meist zu einem signifikant erhöhten Wert des Prostata-spezifischen Antigens (PSA), einem Molekül, das die Krebszellen im Körper des Betroffenen produzieren.

Wissenschaftler des Universitätsklinikums Würzburg haben nun eine neue Möglichkeit zur Behandlung von aggressiven Prostatakrebs entdeckt. Laut ihrer Publikation im Fachmagazin Nature Communications haben sie bemerkt, dass bei einem Prostatakarzinom das Enzym SQLE (Squalen-Epoxidase) verstärkt gebildet wird. Normalerweise nutzen Zellen das Enzym SQLE zur Synthese von Cholesterin, in den Krebszellen herrscht aber eine Überaktivität. „Die Expression des SQLE-Gens ist bei Prostatakrebs mit schlechter Prognose und hohen Todesraten verknüpft“, so die Autoren.

Produktion von SQLE hemmen

Die Forscher um Charis Kalogirou suchten deshalb nach einem Wirkstoff, der in den Prostatatumoren die Produktion von SQLE hemmt. Dabei fanden sie heraus, dass Pilzmedikamente mit dem Wirkstoff Terbinafin in Zellkulturen dazu führen, dass die Krebszellen weiterwachsen. Bei einigen Zelllinien verursachte der Wirkstoff sogar ein Absterben der Tumorzellen.

Versuche mit Mäusen

Anschließend erprobten die Wissenschaftler mit Mäusen, denen menschliche Krebszellen implantiert worden waren, ob die Wirkung auch im lebenden Organismus auftritt. Nach sechs Wochen zeigte sich, dass der PSA-Wert der mit dem Pilzmedikament behandelten Tiere deutlich geringer waren als in der Kontrollgruppe. Die Tumore waren nach der Behandlung im Mittel nur noch halb so groß wie bei den nicht behandelten Kontrolltieren.

Keine Auswirkungen auf den Cholesterinhaushalt

Auswirkungen auf den Cholesterinhaushalt der gesunden Zellen gab es hingegen trotz der hohen Wirksamkeit nicht. „Wir konnten keine signifikanten Unterschiede in den Serum-Cholesterin-Werten zwischen den behandelten und unbehandelten Tieren finden. Zusammen demonstrieren diese Ergebnisse, dass der SQLE-Hemmstoff Terbinafin das Wachstum von Prostatakarzinomen reduziert, ohne dass eine systemische Toxizität auftritt“, erklären die Wissenschaftler.

Off-Label-Anwendung bei vier Patienten

Im Rahmen einer klinischen Phase-I-Studie erprobten die Wissenschaftler den Wirkstoff auch an menschlichen Patienten. Dazu erhielten vier Männer mit aggressivem Prostatakrebs im Endstadium das Pilzmittel Terbinafin. Drei der Probanden wurden im Rahmen der Off-Label-Anwendung für zwei Wochen täglich 500 Milligramm Terbinafin verabreicht, ein Proband erhielt wegen Leberschäden über sechs Wochen die halbe Dosis pro Tag.

Die Behandlung konnte bei den drei Patienten mit hoher Terbinafin-Dosis die PSA-Werte deutlich reduzieren. Alle zuvor erprobten Therapien waren bei diesen Patienten erfolglos. Beim vierten Patienten stagnierten die Werte hingegen nach einem anfänglichen kleinen Abfall. Diese Beobachtungen belegen laut den Wissenschaftlern, dass die Tumore auf den Wirkstoff reagieren.

Klinische Studie geplant

„Eine Weiterentwicklung des Wirkprinzips von Terbinafin könnte eine neue Therapie für Patienten mit fortgeschrittenen Prostatakarzinomen darstellen. Ein solches ‚repurposing‘ von existierenden Medikamenten hat große Vorteile, da Wirkung und Sicherheitsprofile bereits bekannt sind“, erklärt Kalogirou.

Das Team möchte deshalb die alternative Verwendung des Wirkstoffs schon bald mit deutlich mehr Probanden testen. „Unsere Studie hat gezeigt, dass SQLE eine neuartige Zielstruktur für die Behandlung von fortgeschrittenem Prostatakrebs sein könnte und dass Hemmstoffe von SQLE in klinischen Studien genauer untersucht werden sollten“, so Koautorin Almut Schulze vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ).

Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-021-25325-9

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