Tiefere Frequenzen

Menschliches Gehör funktioniert anders als bisher angenommen

Robert Klatt

Gehör des Menschen )kcotS ebodAsuhchs(Foto: © 
Auf den Punkt gebracht
  • Das menschliche Gehör verarbeitet tiefere Frequenzen unter 1000 Hz anders als bisher angenommen wurde
  • Es werden bei tiefen Tönen deutlich mehr Haarzellen in der Hörschnecke aktiviert
  • Diese Erkenntnis kann bei der Entwicklung besserer Hörhilfen helfen

Das menschliche Ohr verarbeitet tiefe Frequenzen anders als bisher angenommen wurde. Die neuen Erkenntnisse ermöglichen die Entwicklung besserer Hörhilfen.

Portland (U.S.A.). Eine Studie der Oregan Health and Science University (OHSU) und der Universität Linköping zeigt, dass das Ohr des Menschen Sprache, Musik und andere Informationen anders verarbeitet als bisher gedacht wurde. Tiefere Frequenzen unter 1000 Hz aktivieren demnach deutlich mehr Haarzellen in der Hörschnecke als die Wissenschaft bisher angenommen hat.

Die im menschlichen Innenohr liegenden Haarzellen sind nötig, um unterschiedliche Frequenzen erkennen zu können und die Informationen ans Gehirn zu übertragen. Die bisherige Lehrmeinung ging davon aus, dass einzelne Frequenzen an bestimmte Haarzellen gekoppelt sind. Schall würde sie also nur zum Schwingen bringen, wenn dieser eine optimale Tonfrequenz besitzt. Bei anderen Tonhöhen wären die Haarzellen hingegen kaum an der Reizübertragung beteiligt.

Tiefe Frequenzen aktivieren alle Haarzellen

Laut der Publikation im Fachmagazin Science Advances ist diese Annahme bei tiefen Frequenzen jedoch falsch. Ermittelt haben die Forscher das bei Experimenten mit Meerschweinchen, deren Gehör tiefe Frequenzen ähnlich verarbeitet wie das menschliche Gehör.

„Unserer Studie zufolge reagieren viele Zellen im Innenohr simultan auf tieffrequente Klänge. Da das Gehirn Informationen von vielen Rezeptorzellen gleichzeitig bekommt, sollte es folglich eigentlich einfacher sein, tiefere Frequenzen zu hören.“

Bessere Hörhilfen möglich

Die tiefen Frequenzen unter 1000 Hz spielen vor allem bei der Bildung von Vokalen eine entscheidende Rolle. Laut den Forscher kann ihre Entdeckung deshalb dazu beitragen, um Hörhilfen wie Cochlea-Implantate deutlich zu verbessern. Cochlea-Implantate werden bei hochgradig Schwerhörigen und Gehörlosen verwendet, deren Hörnerv noch funktionsfähig ist.

Bisher wurden die implantierten Elektroden der Hörhilfe in der Hörschnecke jedoch nach der gängigen Lehrmeinung gesteuert, die die neue Studie nun widerlegt hat. Die Autoren schlagen deshalb vor, die Elektrodenstimulation bei tiefen Tönen anzupassen. Nutzer von Cochlea-Implantaten sollen so Vokale und andere tiefe Töne besser verstehen können.

Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.abq2773

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