Peptid-DNA-Nanostrukturen

Künstliche Lebensformen könnten Medizin revolutionieren

Robert Klatt

Künstliche Lebensform (Symbolbild) )kcotS ebodAanibbuR(Foto: © 

Neue Durchbrüche bei der Erforschung von hybriden Peptid-DNA-Nanostrukturen zeigen, dass künstliche Lebewesen bald in der Medizin verwendet werden könnten. Denkbar sind etwa Organismen, die krankheitserregende Viren fressen.

Odense (Dänemark). Ein Großteil der Allgemeinbevölkerung denkt bei künstlichen Lebensformen an Science Fiction. Die reale Wissenschaft erforscht aber schon seit Längerem die Erschaffung und die Einsatzmöglichkeiten von neuen Lebewesen, die in der natürlichen Umwelt nicht existieren. Chenguang Lou von der University of Southern Denmark (SDU) hat nun eine Studie zu hybriden Peptid-DNA-Nanostrukturen publiziert. Es handelt sich dabei um ein lediglich zehn Jahre altes Forschungsgebiet, das in Zukunft die Medizin revolutionieren könnte.

Laut der Publikation im Fachmagazin Cell Reports Physical Science plant Lou virale Impfstoffe, also veränderte und geschwächte Virusversionen sowie künstliche Lebensformen, die Krankheiten diagnostizieren und behandeln sollen, zu entwickeln.

„In der Natur haben die meisten Organismen natürliche Feinde, einige jedoch nicht. Zum Beispiel haben einige krankheitserregende Viren keinen natürlichen Feind. Es wäre ein logischer Schritt, eine künstliche Lebensform zu schaffen, die ihnen feindlich gesinnt sein könnte.“

Einsatz in zehn Jahren

Die kürzlich erzielten Durchbrüche in der Erforschung der hybriden Peptid-DNA-Nanostrukturen belegen, dass künstlichen Lebensformen als Impfstoffe gegen virale Infektionen dienen und als Nanoroboter oder Nanomaschinen verwendet werden könnten, die mit Medikamenten oder diagnostischen Elementen beladen sind und in einen Patientenkörper geschickt werden.

„Ein künstlicher viraler Impfstoff könnte in etwa 10 Jahren Realität sein. Eine künstliche Zelle steht jedoch noch am Anfang, da sie aus vielen Elementen besteht, die kontrolliert werden müssen, bevor wir mit ihnen bauen können. Aber mit dem Wissen, das wir haben, gibt es prinzipiell keine Hürde, in der Zukunft künstliche zelluläre Organismen zu produzieren.“

Um die künstlichen Lebewesen und die viralen Impfstoffe zu erschaffen, möchten die Forscher um Lou DNA und Peptide verwenden. Die Natur verwendet sowohl DNA als auch Peptide, um verschiedene Proteinstrukturen in Zellen aufzubauen, die sich dann zu Organismen entwickeln.

Diese zentralen Biomoleküle lassen sich laut den Autoren dank neuer DNA- und Peptidtechnologien präzise verändern. Die DNA-Technologie erlaubt eine Kontrolle von der atomaren bis zur makroskopischen Ebene, bietet jedoch nur begrenzte chemische Funktionen, da sie nur über vier Basen verfügt. Die Peptidtechnologie kann hingegen ausreichend chemische Funktionen in großem Maßstab bieten, da 20 Aminosäuren zur Verfügung stehen.

Laut einer Publikation im Fachmagazin Nature Communications haben die Forscher kürzlich erstmals dreisträngige DNA-Strukturen mit dreisträngigen Peptidstrukturen verbunden, um ein künstliches Hybridmolekül zu erschaffen.

Globale Fortschritte in Hybridstrukturen

Auch an anderen Orten der Welt arbeiten Forscher an der Verbindung von DNA und Peptiden, um eine Basis für die Entwicklung fortschrittlicherer biologischer Einheiten und Lebensformen zu schaffen.

An der Ben-Gurion-Universität des Negev haben Wissenschaftler Hybridmoleküle verwendet, um eine zwiebelschalenartige sphärische Struktur zu schaffen, die Krebsmedikamente enthält und das Potenzial hat, im Körper zur gezielten Behandlung von Krebstumoren eingesetzt zu werden.

Wissenschaftler der Universität Oxford haben eine Nanomaschine entwickelt, die aus DNA und Peptiden besteht und in der Lage ist, eine Zellmembran zu durchbohren und einen künstlichen Membrankanal zu schaffen, durch den kleine Moleküle passieren können.

Forscher um Nicholas Stephanopoulos von der Arizona State University haben DNA und Peptide dazu gebracht, sich in 2D und 3D Strukturen selbst zu organisieren.

An der Northwest University haben Forscher gezeigt, dass sich in Verbindung mit der Selbstorganisation von DNA und Peptiden Mikrofasern bilden können.

„Aus meiner Sicht liegt der Gesamtfokus auf der Entwicklung von Wissen, um den Bau künstlicher lebender Organismen, die aus DNA und Peptiden bestehen, besser zu verstehen.“

Lou betont, dass es wichtig ist, sicherzustellen, dass diese Organismen sicher. Künstliche Lebensformen könnten sich in den kommenden Jahren zu einer bedeutenden wissenschaftlichen und medizinischen Revolution entwickeln. Sie könnten uns dabei helfen, Krankheiten effektiver zu behandeln, den menschlichen Körper zu verstehen und die Grenzen unserer eigenen Biologie zu erweitern.

Cell Reports Physical Science, doi: 10.1016/j.xcrp.2023.101620

Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-021-27708-4

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