Emotionen und Impulskontrolle

Hirnscans zeigen, wie sich Psychopathen vom Durchschnitt unterscheiden

 Robert Klatt

Mann mit antisozialer Persönlichkeitsstörung (Psychopathie) )kcotS ebodAmoc.segamielpoep/itnaF uhtesohpiS(Foto: © 

Psychopathen wirken oft sympathisch, können aber ein extrem antisoziales Verhalten aufweisen. Nun wurde entdeckt, dass sich bestimmte Hirnstrukturen bei Menschen mit einer antisozialen Persönlichkeitsstörung stark vom Durchschnitt unterscheiden. Dies könnte in Zukunft eine präzisere Diagnose ermöglichen.

Jülich (Deutschland). Psychopathen empfinden oft keine Empathie für andere Menschen, wirken aber trotzdem sympathisch. Außerdem ist ihr Gewissen oder soziales Verantwortungsbewusstsein meistens kaum vorhanden, was dazu führen kann, dass sie sich extrem antisozial verhalten. Rechtlich gesehen sind Psychopathen nicht psychisch krank. Eine Psychopathie, die in der Wissenschaft als antisoziale Persönlichkeitsstörung bezeichnet wird, ist aber ein zentraler Prädiktor für aggressives Verhalten. Es ist deshalb vor allem im forensischen Umfeld essenziell, Psychopathen präzise erkennen zu können.

Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich (FZJ) haben nun entdeckt, dass Menschen, die anhand bestimmter Kriterien als Psychopathen eingestuft wurden, Merkmale bei der Gehirnstruktur besitzen, die sich vom Durchschnitt unterscheiden. Diese sind vor allem in Bereichen vorhanden, die für die Emotionen und die Impulskontrolle verantwortlich sind.

Psychopathy Checklist–Revised (PCL-R)

Laut der Publikation im Fachmagazin European Archives of Psychiatry and Clinical Neuroscience haben die Forscher untersucht, ob bestimmte psychopathische Merkmale mit spezifischen Hirnregionen verknüpft sind. Als Probanden dienten 39 Männer aus deutschen forensischen Einrichtungen, die zuvor den standardisierten Psychopathy Checklist–Revised (PCL-R) Test absolviert hatten. Als Kontrollgruppe dienten nicht psychopathische Personen.

Dieses Verfahren bewertet antisoziale Persönlichkeitsstörungen anhand von zwei Hauptfaktoren. Der Faktor 1 ist die „Emotionale Distanz“ und umfasst das Fehlen von Empathie und Schuldgefühlen und das Vorhandensein von manipulativem Verhalten und oberflächlichem Charme. Der Faktor 2 ist das „Antisoziale Verhalten“ und umfasst Aggression, Verantwortungslosigkeit, Impulsivität und Abweichungen von sozialen Normen.

MRT-Untersuchung des Gehirns

Im Rahmen der Studie haben die Psychopathen und die nicht psychopathischen Personen eine MRT-Untersuchung durchlaufen. Dabei wurden die Volumina unterschiedlicher Hirnregionen gemessen. Es konnte so ermittelt werden, ob bestimmte Hirnstrukturen und Psychopathiewerte verknüpft sind.

Die Daten zeigen, dass es nur eine schwache Korrelation mit der Hirnstruktur und der emotionalen Distanz (Faktor 1) gibt. Die Wissenschaftler gehen deshalb davon aus, dass diese Merkmale variabler Netzwerke des Gehirns betreffen oder nicht mit strukturellen Veränderungen im Gehirn in Verbindung stehen. Beim antisozialen Verhalten (Faktor 2) gab es deutliche Zusammenhänge mit dem Hirnvolumen, vor allem mit dem Thalamus, Basalganglien, Hirnstamm und Insulären Kortex, also Bereichen des Organs, die mit den Emotionen und in der Impulskontrolle in Verbindung stehen.

Reduziertes Hirnvolumen bei Psychopathen

Zudem zeigen die Hirnscans, dass Psychopathen im Mittel ein geringes Hirnvolumen besitzen (1,45 %). Betroffen sind vor allem der Kortex, der vordere cinguläre Kortex, die Insula und das rechte Subikulum, also Bereiche, die essenziell für das Sozialverhalten und die Selbstkontrolle sind. Laut den Wissenschaftlern zeigt die Studie somit, dass Psychopathen mit impulsiven und antisozialen Eigenschaften Gehirne mit messbaren Veränderungen besitzen.

„Dieses Wissen könnte helfen, gezieltere Therapien oder Rehabilitationsprogramme zu entwickeln.“

Die Forscher halten es für denkbar, dass die strukturellen Auffälligkeiten in Zukunft dabei helfen könnten, Risikoeinschätzungen für gewalttätiges oder antisoziales Verhalten zu verbessern.

European Archives of Psychiatry and Clinical Neuroscience, doi: 10.1007/s00406-025-02028-6

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