Prognose der Heilungschancen

EEG findet verborgenes Bewusstsein bei Patienten mit Hirnverletzung

Robert Klatt

Kind mit Hirnverletzung )kcotS ebodAaveaul(Foto: © 
Auf den Punkt gebracht
  • Menschen mit Hirnverletzungen zeigen oft kein Bewusstsein und reagieren nicht auf Ansprachen
  • Per EEG wurde nun eine kognitiv-motorische Dissoziation entdeckt, die ein verborgenes Bewusstsein zeigt
  • Das verborgene Bewusstsein erlaubt eine genauere Prognose der Genesungschancen als etablierte Kennzeichen wie die Ursache der Hirnschäden und das Alter

Viele Menschen mit Hirnverletzungen zeigen kein Bewusstsein. Nun wurde per EEG eine kognitiv-motorische Dissoziation entdeckt, die ein verborgenes Bewusstsein offenbart.

New York City (U.S.A.). In der Medizin gilt es als schlechtes Zeichen, wenn Menschen mit einer Verletzung des Gehirns auf eine Ansprache nicht mehr erkennbar reagieren. Patienten werden deshalb oft dazu animiert, ihre Zunge herauszustrecken oder ihre Hand zu bewegen. Sollten sie auf diese Aufforderungen mehrmals nicht reagieren, sind die Verletzungen in vielen Fällen so gravierend, dass die Patienten nicht mehr aufwachen.

Wissenschaftler des Columbia University Irving Medical Center (CUIMC) haben nun entdeckt, dass es möglich ist, mit der Elektroenzephalografie (EEG) Anzeichen für ein verborgenes Bewusstsein zu erkennen. Existiert dieses, sind die Chancen auf Genesung signifikant besser.

Patienten mit akuten Hirnverletzungen untersucht

Laut der Publikation im Fachmagazin The Lancet Neurology untersuchten die Forschungsgruppe im Sommer 2021 200 Patienten mit akuten Hirnverletzungen, bei denen auf eine direkte Ansprache keine Reaktion erfolgte. Die Wissenschaftler zeichneten deshalb per EEG die Hirnaktivität vor und nach der Ansprache auf.

Anschließend analysierten sie die Daten mithilfe einer Künstlichen Intelligenz (KI). Diese entdeckte, dass bei 14 Prozent der Patienten eine genannte kognitiv-motorische Dissoziation vorliegt, bei der sich die Hirnaktivität bei der Ansprache veränderte, obwohl die Patienten äußerlich bewusstlos erschienen.

Kognitiv-motorische Dissoziation zeigt Heilungschancen

Ein Großteil der Patienten, bei denen die kognitiv-motorische Dissoziation festgestellt wurde, war nach drei Monaten wieder ansprechbar. 41 Prozent konnten nach einem Jahr einen Großteil ihres Alltags wieder allein bewältigen. Bei den Patienten, bei denen das EEG keine kognitiv-motorische Dissoziation zeigte, waren es nur zehn Prozent.

„In der Zukunft könnte die Dissoziation zwischen kognitiven und motorischen Funktionen ein weiterer Faktor für die Prognose sein“, erklärt Studienleiter Jan Claassen, Neurologe an der Columbia University. Eine Möglichkeit zur Prognose, welche Menschen mit einer Hirnverletzung wieder genesen, gab es bisher nicht.

Verdecktes Bewusstsein als Prognosemöglichkeit

Das verdeckte Bewusstsein liefert somit mehr Informationen über den Krankheitsverlauf und die Genesungschancen als etablierte Kennzeichen wie die Ursache der Hirnschäden und das Alter. Bisher suchen aber nur wenige Kliniken mit EEG nach verdecktem Bewusstsein. Die Studienautoren möchten deshalb eine Software entwickeln, die die Hirnwellen automatisch analysieren kann.

The Lancet Neurology, doi: 10.1016/S1474-4422(22)00212-5

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