Neujahrsvorsätze

Die meisten Deutschen wollen lieber auf Zucker als auf Alkohol verzichten

 Dennis L.

(KI Symbolbild). Im Januar wird Verzicht zum Experiment, bei dem Alltagsroutinen auf dem Prüfstand stehen. Neujahrsvorsätze wirken wie ein kurzer Feldversuch unter realen Bedingungen, mit Folgen für Energieaufnahme und Schlaf. Welche Ziele dabei vorn liegen, macht eine aktuelle Befragung sichtbar. )IKnessiW dnu gnuhcsroF(Foto: © 
Auf den Punkt gebracht
  • Januar Verzicht testet Gewohnheit und Belohnung im Alltag
  • Neujahrsvorsätze kippen oft durch Stress und Anlass
  • Wer Zucker reduziert, merkt Energie und Schlaf schneller

Zum Jahreswechsel werden Pläne messbar, wenn Gewohnheiten bewusst ausgesetzt werden. Eine repräsentative Online-Befragung beziffert, wie viele Menschen im Januar auf etwas verzichten wollen und welche Zielbereiche sie dabei wählen. Die Daten trennen Motive und Hürden, zugleich bleiben Selbstauskünfte statistisch unsicher, wenn Stichprobengrößen fehlen. Schon 31 d können als Testphase reichen, um Veränderungen bei Gewicht und Stress zu berichten.

Neujahrsvorsätze bündeln sehr unterschiedliche Ziele unter einem gemeinsamen Startsignal, dem Kalenderwechsel. Aus wissenschaftlicher Sicht ist der Januar damit weniger ein moralischer Neustart als ein natürliches Experiment: Menschen verändern für eine begrenzte Zeit ihre Exposition gegenüber Reizen wie Alkohol, süßen Lebensmitteln oder digitalen Medien, und beobachten die Folgen. Ob ein solcher Verzicht als vollständige Abstinenz, als Mengenreduktion oder als Austausch umgesetzt wird, entscheidet über die physiologische Belastung und über die praktische Machbarkeit. Auch die Ausgangslage spielt eine Rolle, denn Verzicht bei hoher Grundaufnahme kann andere Effekte haben als bei ohnehin niedrigem Konsum. Gleichzeitig berührt der Januar viele alltagsnahe Themen, etwa Energieaufnahme, Schlaf und Körpergewicht, sodass die Frage nach dem Nutzen schnell im Umfeld von Abnehmen landet, ohne dass sich daraus automatisch kausale Schlüsse ziehen lassen.

Für belastbare Aussagen müssen Befragungen sauber zwischen Absicht und Verhalten unterscheiden. Repräsentative Online-Erhebungen arbeiten typischerweise mit Quoten und Gewichtungen, um Alter, Geschlecht und weitere Merkmale an die Grundgesamtheit anzunähern, doch Selbstauskünfte bleiben anfällig für Erinnerungslücken und soziale Erwünschtheit. Besonders bei Begriffen wie sinnvoll oder verzichten ist die operative Definition entscheidend, weil eine Person darunter völlige Abstinenz verstehen kann, während eine andere nur den Wochenkonsum halbiert. Langzeitdaten zeigen zudem, dass selbst bei klar formulierten Zielen ein großer Teil der Veränderung in den ersten Wochen entschieden wird. In einer bekannten Auswertung von Neujahrsvorhaben, dokumentiert im PubMed Eintrag 2002 werden Unterschiede zwischen Vorsatzsetzern und Nichtsetzern über mehrere Monate nachverfolgt, und die Ergebnisse verdeutlichen, wie stark Selbstwirksamkeit und konkrete Bewältigungsstrategien mit dem Durchhalten zusammenhängen.

Messung von Verzicht im Januar

Die aktuellen Zahlen zum Januar-Verzicht stammen aus einer repräsentativen Online-Befragung in Deutschland, in der die Teilnehmer angeben, ob sie bereits einmal im Januar auf etwas verzichtet haben oder einen solchen Verzicht planen. Methodisch wichtig ist dabei die Bezugsbasis: Der Anteil derjenigen, die grundsätzlich einen Verzicht praktizieren oder vorhaben, beschreibt ein Verhalten auf Populationsebene, während die Prozentwerte für einzelne Zielbereiche nur innerhalb dieser Teilgruppe interpretiert werden dürfen. Wenn zum Beispiel 29 % der Gesamtstichprobe einen Januar-Verzicht nennen, dann beziehen sich weitere Prozentangaben zu konkreten Zielen nicht auf alle Befragten, sondern auf diese 29 %. Für Leser wirkt die Rangliste dadurch oft größer, als sie in der Gesamtbevölkerung ist. Ohne veröffentlichte Stichprobengröße lässt sich zudem keine präzise statistische Unsicherheit berechnen, doch grundsätzlich gilt: Je kleiner die Teilgruppe, desto breiter werden Konfidenzintervalle für die angegebenen Anteile, selbst wenn die Erhebung repräsentativ gewichtet wurde.

Welche Verzichtziele vorn liegen

In der Befragung geben 29 % der Teilnehmer an, im Januar schon einmal verzichtet zu haben oder dies für den kommenden Januar zu planen. Innerhalb dieser Gruppe liegt Zucker und Süßes mit 48 % an erster Stelle. Dahinter folgt Alkoholverzicht mit 41 %, anschließend werden Nikotinverzicht mit 29 % und Fast Food mit 25 % genannt. Seltener stehen Fleisch oder tierische Produkte mit 18 % sowie soziale Medien mit 14 % auf der Liste, während Cannabis und Glücksspiel jeweils 13 % erreichen. Auffällig ist, dass die Befragten ihre Entscheidungen vor allem mit körperbezogenen Gründen verbinden: 49 % nennen das Ziel, etwas für den eigenen Körper zu tun, 38 % möchten bewusster leben und sich besser fühlen. Finanzen werden von 22 % als Motiv genannt, und 20 % beschreiben den Verzicht ausdrücklich als Test der eigenen Gewohnheiten, was den Januar als kontrolliertes Zeitfenster für Selbstbeobachtung erscheinen lässt.

Warum der Januar als Zeitfenster wirkt

Kalenderbasierte Startpunkte verändern Kontext und Verfügbarkeit gleichzeitig, und genau diese Kontextverschiebung kann kurzfristig dazu führen, dass geplante Änderungen besser umgesetzt werden als an einem zufälligen Datum. Im Januar sind Haushalte häufiger wieder im Regelbetrieb, Einkäufe werden routiniert geplant, und viele Konsumgelegenheiten aus der Feiertagszeit fallen weg, wodurch die Kontrolle über Umgebung und Angebot steigt. Bei Alkohol und Nikotin wirken jedoch soziale Situationen als starke Auslöser, sodass Verzicht nicht nur eine individuelle Entscheidung, sondern auch eine Anpassung von Routinen und Kontakten erfordert. Bei Zucker geht es zusätzlich um Definitionsfragen, weil ein Teil der Aufnahme aus frei zugesetzten Zuckern stammt, die in vielen Produkten versteckt sind. Für freie Zucker empfiehlt die WHO Leitlinie 2015 eine Reduktion auf unter 10 % der täglichen Energieaufnahme, wobei unter 5 % oder etwa 25 g pro Tag zusätzliche Vorteile bringen kann. Solche Schwellenwerte machen nachvollziehbar, warum viele Januar-Projekte nicht auf eine vage Verbesserung, sondern auf klaren Verzicht setzen, der sich als Ja Nein Entscheidung einfacher überwachen lässt als eine schrittweise Reduktion.

Welche Effekte Teilnehmer berichten und wie belastbar das ist

Die Befragung erfasst auch berichtete Effekte früherer Verzichtphasen. Unter denjenigen, die bereits im Januar auf etwas verzichtet haben, sagen 74 %, der Verzicht habe geholfen, das Gewicht zu halten oder abzunehmen, und 57 % berichten weniger Stress. Solche Angaben zeigen, welche Veränderungen im Alltag als relevant wahrgenommen werden, sie ersetzen jedoch keine objektiven Messungen von Körpermasse in kg, Energiezufuhr in kJ pro Tag oder physiologischen Stressmarkern. Zudem ist unklar, ob die Effekte aus der Inhaltsstoffreduktion, aus veränderten Tagesabläufen oder aus Begleitverhalten wie mehr Bewegung resultieren. Gerade bei Nikotin sind objektive Endpunkte wie Abstinenzraten zentral, weil Rückfälle häufig unterschätzt werden. In klinischen Studien werden dafür teils unterstützende Verfahren geprüft, etwa Rauchstopp mit transkranieller Stimulation, die das Verlangen nach Nikotin reduzieren soll. Für Neujahrsvorsätze bedeutet das: Kurzfristige Erfolge sind plausibel, doch die entscheidende Frage bleibt, welche Strategien den Übergang von einem 31 d Projekt in stabile Verhaltensänderung ermöglichen.

Journal of Clinical Psychology, Auld lang Syne: Success predictors, change processes, and self-reported outcomes of New Year's resolvers and nonresolvers; doi:10.1002/jclp.1151

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