Robert Klatt
In der Schweiz wird bald ein künstliches Erdbeben ausgelöst, um Daten zu gewinnen, die dabei helfen sollen, natürliche Erdbeben zuverlässiger vorherzusagen.
Zürich (Schweiz). Erdbeben töten noch immer viele Menschen, vor allem, weil sie nicht immer ausreichend früh erkannt werden, um das betroffene Gebiet evakuieren zu können. Forscher des Schweizer Erdbebendienstes der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH Zürich) möchten deshalb im März 2026 erstmals ein künstliches Erdbeben auslösen. Die dabei gewonnenen Daten sollen dabei helfen, neue Methoden zu entwickeln, mit denen natürliche Erdbeben zuverlässiger erkannt werden können.
„Da wir nicht die Zeit haben, zu warten, bis es am genau richtigen Ort wieder zu einem Erdbeben kommt, lösen wir sie selber aus.“
Das künstliche Erdbeben ist ein Versuch des Forschungsprojektes Fault Activation and Earthquake Rupture (FEAR), das vom Europäischen Forschungsrat (ERC) mit 14 Millionen Euro gefördert wird. Es soll in einem 120 Meter langen, extra dafür gebohrten Seitentunnel des Furkatunnels ausgelöst werden. Das sogenannte Bedrettolab verläuft parallel zu einem Bruch zwischen zwei großen Gesteinsblöcken.
Um das künstliche Erdbeben auszulösen, pumpen die Wissenschaftler Wasser in die natürliche Verwerfung. Der hohe Wasserdruck soll das Gestein minimal bewegen. Es ist geplant, dass ein 50 Meter großer Block um etwa einen Millimeter verschoben wird.
„Das mag nach wenig klingen, aber man muss sich vorstellen: Über der Verwerfung liegen mehr als 1.000 Meter Fels.“
Laut den Forschern macht die dicke Gesteinsschicht, die rund 25.000 Tonnen wiegt, das geplante, künstliche Erdbeben besonders. Die meisten Überwachungsnetze für natürliche Erdbeben befinden sich an der Oberfläche und sind mehrere Kilometer vom Zentrum eines Erdbebens entfernt. Das Experiment soll hingegen Messungen unmittelbar am Entstehungsort des Erdbebens durchführen und dadurch Daten gewinnen, die dabei helfen, Fragen wie „Was geschieht unmittelbar vor Beginn eines Erdbebens?“ und „Was bringt ein Erdbeben zum Stillstand?“ zu beantworten.
Das künstliche Erdbeben soll lediglich eine Magnitude von 1 erreichen. Menschen an der Oberfläche fühlen Erdbeben erst ab einer Magnitude von 4. Das künstliche Erdbeben könnte mit einer Wahrscheinlichkeit von unter 1 zu 10 000 jedoch auch eine Magnitude 4 erreichen und damit leichte Schäden an der Oberfläche auslösen.
„Und auch ein solches würde an der Oberfläche nicht zu großer Zerstörung führen.“