Robert Klatt
Klimamodelle prognostizieren, dass die Durchschnittstemperaturen auf der Erde steigen und dass Hitzewellen öfter auftreten. In vielen Regionen, darunter auch Deutschland, kommt es jedoch zu Hitzehotspots, die die Prognosen der Klimamodelle übertreffen und bisher nicht erklärt werden können.
Laxenburg (Österreich). Die Wissenschaft prognostiziert mit unterschiedlichen Klimamodellen bereits seit Langem, dass durch den Klimawandel die Durchschnittstemperaturen auf der Erde steigen und dass Hitzewellen öfter auftreten. In den letzten Jahren wurden jedoch in mehreren Regionen, darunter auch in der Antarktis, die kälteste Region des Planeten, neue Temperaturrekorde und besonders intensive Hitzewellen gemessen, die laut Forschern des International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA) nicht von den Klimamodellen erklärt werden können.
„Hier geht es um extreme Trends, deren physikalische Basis wir nicht ganz verstehen.“
Forscher des IIASA haben deshalb gemeinsam mit Wissenschaftlern der Columbia Climate School die realen Höchsttemperaturen von unterschiedlichen Regionen mit den Prognosen von Klimamodellen verglichen. Laut ihrer Publikation im Fachmagazin PNAS haben sie dabei entdeckt, dass es fast auf der gesamten Erde, auch in Deutschland, Regionen mit Extremtemperaturen gibt, die die Prognosen der Klimamodelle stark übertreffen.
Als Beispiele dafür nennen die Forscher Westkanada, wo die prognostizierte Maximaltemperatur im Juni 2021 um rund 30 Grad Celsius übertroffen wurde. In vielen anderen Regionen kam es hingegen öfter zu Hitzewellen, als die Klimamodelle prognostiziert haben. In der Klimaforschung wird diese überproportionale Zunahme als „Tail-Widening“ bezeichnet.
„Die Modelle unterschätzen die Landfläche, in der ein solches Tail-Widening um mehr als 0,5 Grad pro Jahrzehnt stattgefunden hat, um den Faktor vier.“
Die sogenannten Hitzehotspots existieren auf der gesamten Erde. Besonders stark vertreten sind sie in Australien, Europa, dem Süden Südamerikas, dem Norden Nordamerikas, Grönland, Russland und China. Am stärksten betroffen ist Nordwest- und Mitteleuropa, also auch Deutschland. In Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Großbritannien gab es in den letzten fünf bis zehn Jahren mehrere Hitzephasen, die die Prognosen der Klimamodelle übertreffen.
„Europa ist ein globaler Hitzewellen-Hotspot, in dem die heißesten Tage des Jahres doppelt so schnell wärmer werden als im Mittel.“
In manchen Regionen, darunter Nordafrika, Sibirien und manche Bundesstaaten der U.S.A., entwickeln sich die Temperaturen hingegen weniger stark als die Klimamodelle prognostizieren.
Die Wissenschaftler konnten bisher noch keine eindeutige Erklärung für die Hitzehotspots finden. Laut ihnen ist es denkbar, dass unterschiedliche Faktoren gemeinsam die hohen Temperaturen und extremen Hitzewellen verursachen. In Russland und Europa könnte etwa der Jetstream der Hauptfaktor sein. Dieser über die Nordhalbkugel verlaufende Wind wird durch die Erwärmung der Arktis langsamer, was den Wetterwechsel blockiert und dazu führt, dass warme Luft aus den Tropen bis in die gemäßigten Klimaregionen gelangen kann.
Alle entdeckten Hitzehotspots kann dieses Phänomen aber nicht erklären. Es muss deshalb weitere Strömungsmuster geben, die gemeinsam mit dem sogenannten „dry gets hotter“-Mechanismus die Erwärmung verstärken. Bei diesem Mechanismus nehmen die Temperaturen zu, weil sehr trockene Böden kaum Verdunstungskühle produzieren.
„Trockenen Böden und die damit verknüpften Feedbacks sind bedeutende Hitzewellen-Treiber.“
Die Forscher erklären, dass die Studie zeigt, dass die Auswirkungen des Klimawandels bisher nicht vollständig prognostizierbar sind.
„Unsere Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit, die Treiber der extremen Hitze besser zu verstehen und die Treibhausgas-Emissionen rapide zu senken, um weiteren Schaden durch solche nicht vorhergesagten Wetterveränderungen zu minimieren.“
PNAS, doi: 10.1073/pnas.2411258121