Atmosphäre

Troposphäre Abholzung des Regenwalds verändert Atmosphärenchemie

 Dennis L.

(KI Symbolbild). Warme Gewittertürme über dem Amazonas Regenwald tragen pflanzliche Gase aus der Bodenluft bis in die obere Troposphäre. Dort lagern sich biogene Spurengase über Nacht an und lösen bei Sonnenaufgang eine intensive Chemie aus. Abholzung verringert diese Emissionen, verändert Ozon in Bodennähe und die Bildung von Aerosolpartikeln. Die unsichtbare Chemie zwischen Wald und Troposphäre bestimmt so mit, wie Wolken entstehen und Regen fällt. )IKnessiW dnu gnuhcsroF(Foto: © 
Auf den Punkt gebracht
  • Pflanzen im Amazonas speisen BVOC in die Troposphäre
  • Tiefe Konvektion transportiert Pflanzenchemie unsichtbar bis zu Gewitterwolken
  • Abholzung verändert Ozon und Aerosolpartikel in mehreren Luftschichten

Über dem Amazonas Regenwald ist die Troposphäre kein passiver Hintergrund, sondern ein dynamischer Reaktionsraum, in dem Pflanzenchemie, Gewittertürme und Spurenstoffe eng gekoppelt sind. Biogene Spurengase aus dem dichten Kronendach werden durch tiefe Konvektion bis in Höhen um 12 km getragen, wo sie die Zusammensetzung der Luft und die Bildung neuer Aerosolpartikel beeinflussen. Eine aktuelle Messkampagne zeigt, dass sich diese unsichtbare Chemie nachts besonders stark entfaltet und bei Sonnenaufgang abrupt in eine Phase intensiver Oxidation übergeht. Modellrechnungen legen nahe, dass Abholzung nicht nur Kohlenstoffbilanzen verändert, sondern auch Ozon in Bodennähe und langfristig die Wolkeneigenschaften in Klimamodellen verschiebt.

Der unterste Teil der Erdatmosphäre, die Troposphäre, reicht typischerweise von der Oberfläche bis in Höhen von etwa 8 km in Polargebieten und bis etwa 16 km in den Tropen. In dieser Schicht spielen sich fast alle Wetterprozesse ab: Konvektion, Wolkenbildung, Niederschlag und der großräumige Austausch von Wärme und Feuchtigkeit. Über dem Amazonas Regenwald kommt ein weiterer Faktor hinzu, der diese Troposphäre prägt: biogene Spurengase. Dazu gehören biogene flüchtige organische Verbindungen, kurz BVOCs, die Pflanzen in großen Mengen emittieren. Im Amazonas Regenwald, der größte zusammenhängende Tropenwald der Erde, stammen ein Großteil dieser BVOC Emissionen von Bäumen und anderen Pflanzen, die Verbindungen wie Isopren und Monoterpene ausstoßen. Diese Stoffe reagieren mit Oxidantien wie dem Hydroxylradikal und Ozon und erzeugen Oxidationsprodukte, die sich zu Aerosolpartikeln verdichten können. Solche Aerosolpartikel dienen als Kondensationskeime für Wolken und beeinflussen damit Strahlungsbilanz, Niederschlagsverteilung und letztlich das Klima.

Lange Zeit war unklar, wie weit dieser chemische Einfluss des Amazonas Regenwalds tatsächlich in die Troposphäre hineinreicht und welche Rolle tiefe Konvektion in Gewittern dabei spielt. Zugleich war bekannt, dass Ozon in Bodennähe ein kritischer Schadstoff ist, der Atemwege, Vegetation und Ökosysteme schädigt, während in größeren Höhen dieselbe Verbindung als Treibhausgas wirkt und die Strahlungsbilanz verändert. Die beiden Ebenen, Ozon in Bodennähe und chemische Prozesse bis in die obere Troposphäre, schienen jedoch oft getrennt betrachtet zu werden. Neue Messmethoden, vom 325 m hohen Amazon Tall Tower Observatory bis hin zu Forschungsflugzeugen mit hochauflösenden Massenspektrometern, erlauben inzwischen detaillierte vertikale Profile von biogenen Spurengasen und Oxidationsprodukten. Sie zeigen, wie eng die Kopplung zwischen Amazonenwald und Troposphäre ist und wie stark die Prozesse in Klimamodelle einfließen müssen, um regionale und globale Entwicklungen realistisch abzubilden.

Warme Aufwinde und biogene Spurengase in der Troposphäre

Im Rahmen der CAFE-Brazil Kampagne untersuchten Atmosphärenchemiker im Zeitraum Dezember 2022 bis Januar 2023 während etwa 60 Flugtagen die Luftsäule über dem Amazonas Regenwald mit dem Forschungsflugzeug HALO. Sie erfassten vertikale Profile biogener Spurengase zwischen ungefähr 0,3 km und 14 km Höhe und kombinierten diese Daten mit kontinuierlichen Messungen an einem 320 m hohen Messturm im Amazonas Regenwald. Die Messungen umfassten Isopren, seine Oxidationsprodukte sowie Gesamtmonoterpene und erlaubten eine Auflösung über den vollen Tagesgang von 24 Stunden. In Bodennähe und in der Luftschicht direkt über der Baumkrone zeigt sich, dass BVOC Emissionen tagsüber im Zusammenhang mit Licht und Temperatur zunehmen und um die Mittagszeit Maxima erreichen. Über Gewittern, in denen tiefe Konvektion warme, feuchte Luft rasch anhebt, werden diese biogenen Spurengase bis in die obere Troposphäre getragen und dort in kalter, trockener Luft zwischengespeichert.

  • Flüge mit dem Forschungsflugzeug HALO über dem Amazonas Regenwald in Höhen von etwa 0,3 bis 14 km
  • Simultane BVOC Messungen am Messturm im Amazonas Regenwald bei rund 320 m Höhe
  • Erfassung vollständiger 24 Stunden Profile von Isopren, Oxidationsprodukten und Monoterpenen
  • Analyse von Tagen mit intensiver tiefer Konvektion und Tagen mit schwächerer Gewitteraktivität
  • Vergleich von nahezu unberührten Waldflächen und stärker abgeholzten Regionen

Die vertikalen Profile zeigen ein bemerkenswertes Muster: In etwa 12 km Höhe, also in der oberen Troposphäre über dem Amazonas Regenwald, erreichen Isopren und verwandte biogene Spurengase ihre höchsten Konzentrationen regelmäßig kurz vor Sonnenaufgang, etwa gegen 5 Uhr morgens. Über Nacht ist die photochemische Aktivität stark reduziert, die Produktion des Hydroxylradikals geht deutlich zurück und die Oxidation vieler BVOCs verlangsamt sich. Gleichzeitig läuft tiefe Konvektion weiter, sodass Frischluft aus der Nähe des Kronendachs und aus unteren Troposphärenschichten nach oben transportiert wird. Das führt dazu, dass sich biogene Spurengase im oberen Troposphärenniveau anreichern. Mit den ersten Sonnenstrahlen setzt dort wieder intensive Photochemie ein: Oxidantien werden gebildet, Isopren und Monoterpene werden rasch umgesetzt und es entstehen niedrig flüchtige Oxidationsprodukte. Diese Produkte fördern die Bildung neuer Aerosolpartikel und verstärken vorhandene Partikel, die als Wolkenkondensationskeime wirken und die Struktur von Gewitterwolken und großräumigen Wolkensystemen beeinflussen.

Abholzung, BVOC Emissionen und Ozon in Bodennähe

Um zu verstehen, wie empfindlich die Atmosphäre des Amazonas Regenwalds gegenüber Landnutzungsänderungen ist, koppelte das Forschungsteam die Messdaten an ein Chemie-Klima-Modell. In diesem Modell wurden Szenarien gerechnet, in denen BVOC Emissionen an der Oberfläche um 50 Prozent und 75 Prozent reduziert oder um 50 Prozent erhöht wurden. Eine aktuelle offene Studie in Nature Communications zeigt, dass die Atmosphäre im Amazonasgebiet sehr sensibel auf solche Änderungen reagiert. In Szenarien geringerer BVOC Emissionen sinkt die Reaktionslast für Oxidantien, wodurch das Hydroxylradikal in bodennahen Luftschichten länger verfügbar bleibt. Gleichzeitig werden weniger reaktive Kohlenwasserstoffe in die obere Troposphäre transportiert, was die nachfolgenden Oxidationsketten und die Bildung von Aerosolpartikeln abschwächt.

Die Modellrechnungen verdeutlichen, dass BVOC Emissionen unter naturnahem Bewuchs dazu beitragen, Ozon in Bodennähe zu entfernen, indem sie mit dem Oxidationssystem konkurrieren und Reaktionspfade eröffnen, in denen Ozon abgebaut wird. Wird Waldfläche durch Abholzung in Weide, Acker oder degradierte Flächen umgewandelt, gehen wichtige Quellen für biogene Spurengase verloren. Das Modell zeigt für solche Szenarien erhöhte Ozonwerte in Bodennähe, während in Höhen um 12 km geringere Ozonkonzentrationen auftreten. Dadurch verschiebt sich die vertikale Verteilung des Spurengases, was lokale Luftqualität, Pflanzenstress und radiative Effekte in der Troposphäre gleichzeitig beeinflusst. Zudem verändern geringere BVOC Emissionen die chemische Zusammensetzung der Luftmasse, die tiefe Konvektion in die obere Troposphäre transportiert, und damit die Ausgangsbedingungen für Morgendämmerungschemie und Wolkenbildung über abgeholzten Regionen des Amazonas Regenwalds.

Konsequenzen für Aerosolpartikel, Wolken und Klimamodelle

Die neuen Ergebnisse fügen sich in ein wachsenden Bild, nach dem der Amazonas Regenwald als Motor für die Bildung von Aerosolpartikeln und Wolken über den Tropen fungiert. Biogene Spurengase werden in oxidierte organische Moleküle umgewandelt, die bei geeigneten Bedingungen neue Partikel bilden oder bestehende Partikel wachsen lassen. Studien aus dem Amazonasraum zeigen, dass sowohl in der oberen Troposphäre als auch in der Nähe des Walddachs immer wieder Phasen intensiver Neubildung ultrafeiner Partikel auftreten, die im Verlauf von Stunden zu wirksamen Wolkenkondensationskeimen heranwachsen. Solche Partikel beeinflussen, wie viele und wie große Tröpfchen in Wolken vorhanden sind, wie stark diese Wolken Sonnenlicht reflektieren und wie effizient sie Niederschlag ausbilden. Die Kopplung von tiefer Konvektion, BVOC Emissionen, Aerosolpartikeln und Wolken macht die Region zu einem natürlichen Labor für Atmosphärenchemie und Wolkenphysik in einer vergleichsweise „pristen“ Troposphäre.

Langfristige Messprogramme am Amazon Tall Tower Observatory erfassen kontinuierlich Spurengase, Aerosolpartikel und meteorologische Größen über einer Fläche von etwa 100 Quadratkilometern weitgehend unberührten Regenwalds und liefern eine wichtige Referenz für die Interpretation der Flugzeugmessungen. Die Kombination aus bodennahen Daten und Profilen bis in die obere Troposphäre erlaubt es, Klimamodelle so zu justieren, dass sie die Rolle des Amazonas Regenwalds für den Wasserkreislauf, die Verteilung von Ozon in Bodennähe und die Bildung von Wolken realitätsnäher abbilden. Angesichts fortschreitender Abholzung und häufiger werdender Klimaextreme rückt damit die Frage in den Fokus, wie stark Eingriffe in den Amazonas Regenwald auch die chemischen Prozesse in der Troposphäre verschieben. Zukünftige Studien sollen insbesondere die Chemie in der Morgendämmerung unter kalten, trockenen Bedingungen weiter auflösen, um Klimamodelle für die Tropen zu verfeinern und die Rolle des Regenwalds als potenzielles Kippsystem besser zu quantifizieren.

Nature Communications, Impacts of convection, chemistry, and forest clearing on biogenic volatile organic compounds over the Amazon; doi:10.1038/s41467-025-59953-2
Nature Communications, Author Correction Impacts of convection, chemistry, and forest clearing on biogenic volatile organic compounds over the Amazon; doi:10.1038/s41467-025-64764-6

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