Milchsäure und Co.

Rätsel um links- und rechtshändige Moleküle endlich entschlüsselt

Robert Klatt

Links- und rechtshändige Moleküle )kcotS ebodAed.thcilkrem(Foto: © 

Louis Pasteur entdeckte bereits 1848, dass es „gespiegelte“ Moleküle gibt, die sich chemisch nicht unterscheiden. Wieso die Moleküle existieren, wurde jetzt entschlüsselt.

Cambridge (U.S.A.). In der Natur gibt es sowohl links als auch rechtshändige Moleküle. Bekannt ist dies vor allem bei Milchsäure, von der es zwei chemisch identischen Varianten gibt. Unterschieden werden können diese „Spiegelbilder“ voreinander mit polarisiertem Licht, weil sie Lichtwellen entweder nach links oder nach rechts drehen.

Obwohl die Moleküle der Milchsäure sich chemisch nicht unterscheiden, macht es für den Körper des Menschen einen Unterschied. Der menschliche Stoffwechsel bildet ausschließlich die rechtsdrehende Variante der Milchsäure. Er besitzt deshalb ein Enzym, dass diese abbauen kann. Ein entsprechendes Enzym für die linksdrehende Milchsäure existiert nicht. Ihr Abbau dauert deshalb bedeutend länger.

Entdeckung der chemischen Verbindungen

Louis Pasteur, ein französischer Chemiker, hat bereits 1848 die „gespiegelten“ chemischen Verbindungen entdeckt. Normalerweise bilden chemische Reaktionen etwa gleichviele links- und rechtshändige Moleküle. Es muss also einen speziellen Grund dafür geben, wieso Lebewesen in ihrer Evolution eine Präferenz für eine der Varianten entwickelt haben und nicht beide Varianten gleichbehandeln. Laut Pasteur könnte dafür das Erdmagnetfeld verantwortlich sein.

Die Forschung konnte bisher aber nicht erklären, welche Prozesse dazu geführt haben, dass Lebewesen eine der beiden Varianten der Moleküle präferieren. Außerdem muss berücksichtigt werden, dass nicht nur die Ursache für die Präferenz gefunden werden muss, sondern dass auch erklärt werden muss, wieso sich die Präferenz im Laufe der Evolution verstärke. Es ist denkbar, dass polarisiertes Licht und kosmische Strahlung zur Entstehung der Präferenz geführt haben, aber nicht, dass diese die Präferenz weiter verstärkten.

Erklärung für links- und rechtshändige Moleküle

Laut einer Publikation des Fachmagazins Science haben Wissenschaftler der Universität Harvard um den Physiker Dimitar Sasselov nun eine Erklärung für die links- und rechtshändigen Moleküle gefunden. Sie nutzten dazu eine Studie, laut der spezifische Peptide exklusiv eine ihrer beiden Formen an magnetischen Oberflächen anhaften lassen, während die Alternative abgewiesen wird. Zusätzlich berichtete eine andere Gruppe über ein Molekül, das als Ribo-Aminooxazolin (RAO) bezeichnet wird. Sobald dieses Molekül Kristalle in entweder einer linken oder rechten Variation bildet, kann nur das korrespondierende Molekül an den Kristall binden.

Die Untersuchungen von Sasselov und seinen Kollegen konzentrierten sich darauf, ob bei RAO-Molekülen ausschließlich eine der beiden Formen an magnetischen Flächen haften kann. Überraschenderweise zeigte sich, dass eine der Formen mit einer Präferenz von 60 Prozent bevorzugt wurde. Mit dem Beginn des Kristallwachstums fand eine allmähliche Transformation in reine Kristalle statt, die ausschließlich eine der beiden RAO-Varianten enthielten.

Extrem starkes Magnetfeld

Obwohl die konkreten Details des Prozesses in der Natur noch im Dunkeln liegen, weist das Experiment dennoch auf einige wichtige Erkenntnisse hin. Das während der Studie verwendete Magnetfeld war um ein Vielfaches, genauer gesagt 6.500 Mal, stärker als das Magnetfeld der Erde, was selbst auf einem frühen Planeten Erde eher unwahrscheinlich gewesen wäre. Trotz dieser Umstände betrachten Experten die Ergebnisse als signifikanten Fortschritt.

Zusätzlich weisen die Wissenschaftler darauf hin, dass selbst ein geringeres Magnetfeld wirksam sein kann. Selbstorganisierende Effekte könnten dabei helfen, diese Auswirkung zu verstärken. Wenn ein RAO-Kristall erst einmal vorhanden ist, könnte er beispielsweise RNA-Komponenten organisieren. Dies würde zur Folge haben, dass auch andere metabolische Moleküle nur in einer spezifischen rechts- oder linkshändigen Form existieren, darunter auch Laktat.

Science, doi: 10.1126/science.adj2224

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