Chemiewaffen

Insekten als Beweise für Kriegsverbrechen

Robert Klatt

Menschen mit Masken zum Schutz vor Chemiewaffen )moc.yabaxipnegue_uE(Foto: © 
Auf den Punkt gebracht
  • Der Einsatz von Chemiewaffen ist international geächtet
  • Manche Staaten setzen chemische Kampfstoffe trotzdem ein, weil der Nachweis kaum möglich ist
  • Insekten können dabei helfen, solche Kriegsverbrechen aufzudecken, weil die Tiere Rückstände in Organen anlagern

Kriegsverbrechen und der Einsatz geächteter Waffen lassen sich oft kaum beweisen. Eine Studie zeigt nun, dass Insekten beim Nachweis helfen können.

Indianapolis (U.S.A.). Die Chemiewaffenkonvention der Vereinten Nationen international (UN) ächtet seit 1997 den Einsatz, die Entwicklung, die Herstellung, den Besitz und die Weitergabe von Chemiewaffen. Mit Ausnahme von Ägypten, Nordkorea und Südsudan sind alle Länder dieser Konvention beigetreten. Trotzdem besteht bei Kriegen noch immer die Gefahr, dass Gift verwendet wird, weil zahlreiche Mitgliedsstaaten der Konvention sich über diese hinwegsetzen und noch Chemiewaffen besitzen.

Beispiele dafür sind Angriffe auf den britischen Agenten Sergei Skripal (2018) und den russischen Oppositionellen Alexei Nawalny (2020) mit dem Nervengift Nowitschok. Zudem wurden chemische Kampfstoffe im syrischen Bürgerkrieg großflächig eingesetzt.

Nachweis von Chemiewaffen

Nahezu alle Chemiewaffen haben gemeinsam, dass sie nur für kurze Zeit in der Umwelt oder im Menschen nachgewiesen werden können. Haut- und Nervenkampfstoffe bestehen meist aus sogenannten Organophosphaten. Das sind organische Verbindungen, die das Element Phosphor beinhalten. Im Körper des Menschen reagieren solche Kampfstoffe sofort mit Proteinen. Sie sind anhand ihrer Opfer deshalb nur wenige Tage über Abbauprodukte nachweisbar. In der Umwelt zersetzen sich Organophosphate ebenfalls bei Kontakt mit Wasser in kurzer Zeit. Ein Beweis dafür, dass ein Chemiewaffenangriff erfolgt ist, kann somit nach wenigen Tagen kaum noch erbracht werden.

Insekten als Detektoren für chemische Kampfstoffe

Wissenschaftler der Indiana University haben nun eine neue Methode vorgestellt, mit der die Verwendung von chemischen Kampfstoffen noch zwei Wochen nach ihrem Einsatz verwendet werden kann. Die eigentlichen Spuren der Chemiewaffen haben sich zu diesem Zeitpunkt bereits verflüchtigt. Wie die Forscher im Fachmagazin Environmental Science and Technology berichten, kann der Nachweis trotzdem über Schmeißfliegen erbracht werden.

Auf der Erde leben mehr als 1.000 Arten dieser Insekten aus der Gattung Calliphora vicina. Diese lecken auf der Suche nach Nahrung und Wasser neben Pflanzen auch zerfallende organische Substrate ab. Dabei nehmen die Tiere laut der Studie chemischen Kampfstoffe auf, wenn diese in ihrem Lebensraum eingesetzt werden. Auch die Zersetzungsprodukte, die etwa entstehen, wenn eine Chemiewaffe sich in Wasser löst und zerfällt, werden von den Fliegen aufgenommen.

Nachweis lange möglich

Um zu untersuchen, wie lange der Nachweis entsprechender Chemikalien mit den Insekten möglich ist, führten die Forscher ein Experiment mit drei unterschiedlichen Schmeißfliegenarten und drei Substanzen durch. Dimethylmethylphosphonat, Diethylphosphoramidat sowie das Pestizid Dichlorvos simulierten im Versuch chemischen Kampfstoffe, sind aber für Menschen nicht toxisch.

Zwei Wochen, nachdem die Fliegen Kontakt mit diesen Chemikalien hatten, töteten die Wissenschaftler sie. Anschließend untersuchten sie die inneren Organe und stellten aus ihnen ein Extrakt her, das mit Massenspektrometern untersucht wurde. Sie konnten so die drei Chemikalien nachweisen. Bei herkömmlichen Umweltproben wäre dies zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich.

Die Studie belegt somit, dass Fliegen dazu dienen können, den Einsatz von chemischen Kampfstoffen nachzuweisen. Zudem können die Tiere auch in schwer zugängliche oder gesperrten Gebieten Analysen durchführen. Nötig sind dazu lediglich Pheromonfallen, mit denen die Fliegen aus weiterer Entfernung angelockt werden können. Sie bringen dabei aus eventuell angegriffenen Gebieten die entsprechenden Nachweise zur Analyse mit.

Environmental Science and Technology, doi: 10.1021/acs.est.1c07381

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