Robert Klatt
Orcas bringen ihre Beute, etwa Robben und Fische, gelegentlich gezielt in die Nähe von Menschen. Die Wale könnten dieses Verhalten nutzen, um Kontakt zu Menschen aufzubauen und ihre Reaktionen zu beobachten.
Alert Bay (Kanada). Jares Towers, ein Wissenschaftler am Bay Cetology in British Columbia (BC), hat gegenüber der Nachrichtenseite The Canadian Press berichtet, dass ein Orca gezielt eine frisch getötete Robbe zu seinem Boot gebracht hat. Laut Towers handelte es sich dabei nicht um einen Zufall, sondern der Wal schien ihm und seinen Kollegen die Beute zeigen zu wollen.
„Er hätte sie am Heck oder am Bug loslassen können. Aber er ließ sie genau in der Mitte des Schiffs los.“
Anlässlich dieses Vorfalls haben die Wissenschaftler des Bay Cetology untersucht, ob Orcas gezielt Beute zu Menschen bringen. Dazu haben sie laut ihrer Publikation im Fachmagazin Journal of Comparative Psychology dazu 34 ähnliche Vorfälle aus dem Zeitraum von 2004 bis 2024 analysiert, die die Wissenschaftler teils selbst beobachtet haben oder von denen sie Berichte von anderen Personen erhalten hatten. Die Vorfälle stammen aus einer einzelnen Region, sondern waren über die gesamte Welt verteilt. Vorfälle, die laut ihnen Menschen provoziert sein könnten, wurden in die Studie nicht einbezogen.
Bei den analysierten Fällen haben die Orcas Fische, Säugetiere, Vögel, Seegras und andere Beute zu den Booten gebracht. Die Vorfälle dauerten maximal eine Minute an und liefen ähnlich ab. Anfangs haben die Wale ihre Beute in der Nähe der Menschen fallengelassen und sie nach kurzer Zeit entweder zurückgeholt oder aufgegeben.
„Es war nicht so, dass die Orcas das Futter aus Versehen fallen ließen. Sie wollten sehen, wie die Menschen darauf reagieren.“
Es handelt sich bei den Beobachtungen um die ersten dokumentierten Fälle, bei denen ein wild lebendes Raubtier absichtlich seine Beute verwendet, um Reaktionen des Menschen auszulösen. Die Forscher gehen davon aus, dass die Tiere dieses Verhalten haben, weil sie neugierig darüber sind, wie Menschen reagieren. Zudem könnte der ausgeprägte Spieltrieb eine Rolle spielen.
„Ich denke, diese Fälle könnten tatsächlich prosoziale Darstellungen bewussten Lernens sein, bei denen diese Wale bewusst versuchen, uns zu verstehen – wer wir sind und wie wir in ihrer Umgebung mit ihnen interagieren könnten.“
Journal of Comparative Psychology, doi: 10.1037/com0000422