Kanarie, Kohlmeise & Krähe

Singvögel können Zucker schmecken

Conny Zschage

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Viele Vögel ernähren sich nicht nur von Insekten, sondern auch von Nektar. Das wohl bekannteste Beispiel ist der in Südamerika und Asien vorkommende Kolibri. Dieser verfügt zudem über eine bisher im Vogelreich einzigartige Fähigkeit. Er kann Süße schmecken und dadurch schnell polenreiche Blumen finden. Eine Forschergruppe aus Japan hat nun auch andere Vögel auf ähnliche Fähigkeiten untersucht. Die Ergebnisse geben neue Aufschlüsse zur Evolution von Vögeln und ihren gemeinsamen Vorfahren.

Tokyo (Japan). Bitter, salzig, süß, sauer und umami sind die Grundgeschmäcker eines jeden Menschen. Diese bestimmen auch, was wir als „lecker“ und „ekelhaft“ befinden und was dementsprechend auf unseren Tellern landet.

Im Tierreich ist dieses Verhalten ebenfalls zu betrachten, da viele Tiere über ihren Geschmackssinn herausfinden, ob Nahrung essbar oder giftig ist. Da giftige Pflanzen oftmals schlecht schmecken, sind bittere Geschmackssensoren oft hervorragend ausgeprägt. Doch wie steht es z.B. bei Süßen?

Fleischfressende Vögel waren mal die Norm

Besonders bei fleischfressenden Tieren konnten bisher noch keine süßen Geschmacksrezeptoren festgestellt werden. Dies ergibt evolutionstechnisch Sinn, da süße Rezeptoren nicht zum Finden von Beute benötigt werden. Doch auch Vögel waren zur Zeit der Dinosaurier Fleischfresser und sogenannte Flugsaurier terrorisierten viele kleinere Wirbeltiere und Wirbellose. Doch nach dem verheerenden Meteoriteneinschlag, der einen Großteil aller Saurier vernichtete, waren viele Lebewesen plötzlich kleiner. Dadurch entstanden plötzlich völlig neue Arten, die sich stark von ihren Dino-Verwandten unterschieden. Singvögel machen heute etwa 40 % aller Vogelarten weltweit aus und ernähren sich von Insekten und Würmern, aber auch von Samen und Pollen.

Selbst Krähen können Süßes schmecken

Bis vor Kurzem wurde gedacht, dass Vögel keine Süße wahrnehmen können. Die einzige Ausnahme war der Kolibri, welcher im Laufe der Evolution seine Umami-Geschmacknerven in Süße-Nerven umgewandelt hatte. Um nun zu überprüfen, ob auch andere Vögel dazu in der Lage sind süße Geschmäcke wahrzunehmen, untersuchten die Wissenschaftler zwei sehr verschiedene Spezies: den Honigfresser, einen polenliebenden Vogel und den Kanarienvogel, welcher sich hauptsächlich von Samen ernährt. Beiden wurden in mehreren Versuchen zwei Wasserschalen mit süßem und normalem Wasser vorgesetzt und beide bevorzugten die süße Flüssigkeit.

Untersuchungen auf molekularem Level

Auch einige andere Vogelarten wurden untersucht und von den geprüften Singvögeln bevorzugten alle das süße Wasser. Um diesem Phänomen genauer auf den Grund zu gehen, untersuchte die Forschungsgruppe sie Geschmacksknospen der Vögel auf der Molekülebene. In der Studie, welche im Fachmagazin Science veröffentlicht wurde, analysierte der Führungsleiter Dr. Yasuka Toda zudem den Aufbau der Singvögel-Rezeptoren, um sie mit denen der Kolibris zu vergleichen. Das Ergebnis: „Die Veränderungen bei den Singvögeln stimmen nur etwas mit denen der Kolibris überein. Obwohl Singvögel also einen ähnlichen Weg gefunden haben Zucker zu schmecken, hat die Evolution bei ihnen zu anderer Zeit, an einem anderen Ort etwas anders stattgefunden. Dies ist ein ausgezeichnetes Beispiel für konvergente Evolution.“

Singvögel ursprünglich aus Australien

Durch die Analysen konnte die Forschergruppe feststellen, dass die Mutation der Geschmacksnerven vor etwa 30 Millionen Jahren stattfand, als die Vorfahren der Singvögel noch in Australien lebten. Von dort verbreiteten sie sich irgendwann auf die ganze Welt, aufgrund der gemeinsamen Vorfahren behielten sie aber alle ihren süßen Geschmackssinn. Und da auch der Kohlrabe und der Kanarienvogel zur Unterordnung der Singvögel gehören, haben selbst diese heutzutage noch immer Geschmacksknospen für Süße.  

Science, doi: 10.1126/science.abf6505

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