Vakuoläre Myelopathie

Bakterielles Nervengift tötet Weißkopfseeadler

Robert Klatt

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Die vakuoläre Myelopathie tötet seit den 1990er-Jahren Weißkopfseeadler. Nun wurde der Auslöser der Krankheit entdeckt.

Halle (Saale) (Deutschland). Eine unbekannte Erkrankung hat erstmals im Winter 1994 am DeGray Lake in Arkansas den Tod einiger Weißkopfseeadler ausgelöst. Laut Beobachtungen entwickelten die Adler starke Bewegungsstörungen, die dazu führten, dass sie mit Bäumen kollidierten und nicht richtig landen konnten. Schlussendlich verloren die Vögel ihre Flugfähigkeit und damit auch ihre Möglichkeit zur Jagd vollständig und starben.

Analysen des Hirngewebes zeigten, dass sich bei den betroffenen Weißkopfseeadlern im Myelin, der Isolierschicht der Nervenbahnen, flüssigkeitsgefüllte Bläschen ansammelten, die die Funktion des Nervensystems massiv beeinträchtigen. Bezeichnet wird diese Krankheit als vakuoläre Myelopathie.

Nervengift ist Auslöser der vakuolären Myelopathie

Neben den toten Weißkopfseeadlern wurden in mehreren Bundesstaaten auch andere Tiere, darunter unterschiedliche Vogelarten, Fische, Reptilien und Amphibien, die an vakuolärer Myelopathie verstorben sind, in Wassernähe gefunden. Ob das Nervengift auch für Menschen, die das belastete Wasser trinken, gefährlich ist, ist noch nicht bekannt.

Forscher der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) und der University of Georgia (UGA) haben nun den Auslöser der Krankheit ermittelt. Andere Wissenschaftler haben zuvor bereits herausgefunden, dass in allen betroffenen Seen die invasive Grundnessel vorkommt, die wiederum von einem Cyanobakterium besiedelt wurde.

Cyanobakterium als Quelle des Gifts?

Laut ihrer Publikation im Fachmagazin Science vermutete das Team um Timo Niedermeyer und Susan Wilde deshalb, dass diese Toxinbildner das für die Krankheit verantwortliche Nervengift erzeugen. Eine genaue Untersuchung der bakteriell besiedelten Wasserpflanzen offenbarte jedoch eine bromhaltige Substanz, die das eigentliche Gift sein könnte.

Bestätigt wurde diese These durch ein Laborexperiment, bei dem die Bakterien ebenfalls das unbekannte Molekül bildeten, wenn sie in einem bromhaltigen Nährmedium gezüchtet wurden. Zur Verifikation, ob die fragliche Substanz tatsächlich das für die vakuoläre Myelopathie verantwortliche Gift ist, testeten die Forscher die Wirkung an Hühnern. Auch diese entwickelten nach kurzer Zeit die typischen Hirnschäden und die auffälligen Symptome.

Bakterien bilden Gift mit Brom

Es ist somit bestätigt, dass die Bakterien das Nervengift nur mit Brom bilden können. Wieso das Halogen sich auf den Blättern der Grundnesseln ablagert, ist unklar. Als mögliche Quellen nennen die Wissenschaftler Kraftwerke sowie ein bromhaltiges Herbizid, das Nesseln beseitigt.

Als Gegenmaßnahme könnte man in den betroffenen Seen Graskarpfen auswildern, die die problematischen Wasserpflanzen essen. Fischereibehörden kritisieren diesen Vorschlag aber, weil die Graskarpfen durch ihre starke Vermehrung am Ende selbst zum Problem werden könnten.

Science, doi: 10.1126/science.aax9050

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