Keilschrifttafeln belegen:

Romantisches Küssen ist deutlich älter als gedacht

Robert Klatt

Babylonisches Tonmodell von 1800 v. Chr. )0.4 AS-CN-YB CC - muesuM hsitirB eht fo seetsurT ehT(Foto: © 
Auf den Punkt gebracht
  • Es wurde bisher angenommen, dass das Küssen vor etwa 3.500 Jahren in Südasien entstanden ist und sich von dort über die Welt ausgebreitet hat
  • Im Nahen Osten entdeckte Keilschrifttafeln zeigen nun, dass Menschen sich bereits vor 4.500 Jahren küssten

Es wurde bisher angenommen, dass das Küssen vor etwa 3.500 Jahren in Südasien entstanden ist. Nun wurden Belege dafür entdeckt, dass sich Menschen bereits deutlich früher geküsst haben.

Kopenhagen (Dänemark). Die ältesten bekannten Belege für das romantische Küssen bei Menschen stammten aus Südasien und waren etwa 3.500 Jahre alt. Nun haben Forscher der Universität Kopenhagen und der Universität Oxford um Troels Pank Arbøll entdeckt, dass Küssen schon vor rund 4.500 Jahren im Nahen Osten eine Geste war, mit der Menschen ihre Zuneigung und Liebe gezeigt haben. Entdeckt wurde dies laut der Publikation im Fachmagazin Science auf Inschriften auf Tontafeln aus Mesopotamien.

„Sie enthalten klare Beispiele dafür, dass Küssen im Altertum ein Teil von romantischer Intimität war, genau wie es ein Teil von Freundschaften und Beziehungen zu Familienmitgliedern sein konnte.“

Laut den Forschern zeigt ihre Entdeckung, dass Küssen sich parallel an verschiedenen Orten entwickelt hat und nicht in einer einzelnen Regionen entstanden ist. Die Studie widerspricht damit der vorherigen Annahme, dass Küssen in Südasien entstanden ist und sich von dort über die Welt ausbreitete.

„Es scheint vielmehr in mehreren alten Kulturen über mehrere tausend Jahre hinweg praktiziert worden zu sein.“

4.500 Jahre alter Text aus Mesopotamien

Die Forscher betonen, dass die früheste dokumentierte Darstellung eines Kusses in einer mesopotamischen Schriftquelle zu finden ist, die auf einen Zeitraum von vor etwa 4500 Jahren datiert ist. Darüber hinaus machen sie auf ein etwa 3800 Jahre altes keramisches Relikt aus derselben Region aufmerksam, das visuell die Intimität eines küssenden Paares einfängt. Lund Rasmussen erklärt zudem, dass es starke Indizien dafür gibt, dass das Küssen ein natürliches Verhalten des Menschen ist.

„Tatsächlich hat die Forschung zu Bonobos und Schimpansen, den nächsten lebenden Verwandten des Menschen, gezeigt, dass beide Arten das Küssen praktizieren, was darauf hindeuten könnte, dass Küssen ein grundlegendes Verhalten des Menschen ist. Das erklärt, weshalb es in allen Kulturen zu finden ist.“

Die Praxis des romantischen Küssens ist aber nicht global allgegenwärtig. Eine Untersuchung der Indiana University aus dem Jahr 2015 zeigt, dass dieses Intimverhalten nur in 46 Prozent der 168 analysierten Gesellschaften stattfindet. Während Länder des Mittleren Ostens, Nordamerikas und Europas die Akt des Küssens häufig praktizieren, scheint es in den Kulturen Afrikas südlich der Sahara, in Neuguinea oder in Zentralamerika, dass der Kuss, der mit Zuneigung und Sexualität in Verbindung gebracht wird, eher untergeordnet ist.

Science, doi: 10.1126/science.adf0512

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