Homo antecessor

Kannibalismus - Frühmensch hat vor 850.000 Jahren Kleinkinder gegessen

 Robert Klatt

850.000 Jahre alter Kinderwirbelknochen belegt Kannibalismus bei Frühmenschen Homo antecessor )(SEHPI) laicoS óiculovE i anamuH aigoloceoelaP ed àlataC tutitsnInélliuG .D airaM(Foto: © 

Frühmenschen der Spezies Homo antecessor haben laut Funden in Spanien ihre Artgenossen oft als Nahrung verwendet, darunter auch eigene Kleinkinder. Die Ursache des ausgeprägten Kannibalismus ist noch unklar.

Tarragona (Spanien). Kannibalismus kommt beim modernen Menschen (Homo sapiens) nur in seltensten Ausnahmefällen vor. Fossilien zeigen aber, dass unterschiedliche Frühmenschenarten Menschenfleisch gegessen haben, darunter auch der Homo antecessor, der vor rund 800.000 Jahren gelebt hat. Forscher des Institut Català de Paleoecologia Humana i Evolució Social (IPHES) haben in der Gran-Dolina-Höhle von Atapuerca nun Belege dafür entdeckt, dass der Homo antecessor sogar seine eigenen Kinder gegessen hat.

Bei den Funden, die die Archäologen um Palmira Saladié gemacht haben, handelt es sich um Knochen von zehn Frühmenschen mit klaren Hinweisen für Kannibalismus, darunter zertrümmerte Markknochen, Bissspuren und deutliche Schnittkerben, die nicht von Tieren stammen können.

Kind wurde Opfer von Kannibalismus

Eines der kannibalisierten Opfer war ein zwei bis fünf Jahre altes Kind, das laut den Überresten von seinen Artgenossen enthauptet wurde, bevor sie es gegessen haben. Die Frühmenschen gingen dabei präzise vor und haben Schnitte an den Halswirbeln getätigt, also an einer Position, die entscheidend für das Entfernen des Kopfes ist.

„Dieser Fall ist wirklich herausragend, nicht nur wegen des Alters des Kindes, aber auch wegen der Präzision der Schnittspuren. Dies ist ein direkter Beleg dafür, dass dieses Frühmenschenkind wie jede andere Beute verarbeitet wurde.“

Die Archäologen erklären, dass die Funde ein klarer Beleg dafür sind, dass der Homo antecessor seine Artgenossen als Nahrungsquelle verwendet hat. Neben den präzisen Bearbeitungsspuren an den Knochen spricht dafür auch der hohe Anteil an Fossilien mit Kannibalismusspuren, der in der Gran-Dolino-Höhle bei rund einem Drittel liegt.

„Was wir hier dokumentieren, ist auch die Kontinuität dieses kannibalischen Verhaltens: Diese Behandlung der Toten war keine Ausnahme, sondern geschah wiederholt.“

Ursache des Kannibalismus

Die Wissenschaftler des IPHES konnten bisher noch nicht rekonstruieren, wieso Homo antecessor Kannibalen waren. Es ist denkbar, dass die Frühmenschen nach territorialen Konflikten ihre Opfer verzehrt haben oder dass ihre Artgenossen in Hungersnöten als Nahrungsquelle dienten. Die Forscher hoffen darauf, dass weitere Ausgrabungen in der Gran-Dolino-Höhle diese Frage beantworten können.

„Jedes Jahr entdeckten wir hier neue Funde, die uns zwingen, unsere Vorstellungen davon zu revidieren, wie diese Frühmenschen lebten, starben und wie sie ihre Toten vor fast einer Million Jahren behandelten.“

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