Dennis L.
Winzige Signale im Zahnschmelz verraten große Geschichten über urzeitliche Luft. Mit Sauerstoffisotopen lassen sich Spuren der Atmosphäre im Erdmittelalter entschlüsseln, ohne die Fossilien zu zerstören. Erste Datensätze deuten auf deutlich höheres Kohlendioxid als heute und liefern Hinweise auf die Produktivität alter Wälder. Die Methode verspricht belastbare Zeitreihen quer durch Jurazeit und Kreidezeit, mit klaren Messgrößen statt vager Indizien.
Die Rekonstruktion des Paläoklimas beruht häufig auf indirekten Messgrößen, die als Proxies bezeichnet werden. Dazu zählen etwa Baumharze, Eisbohrkerne, Sedimente oder die Gehäuse mariner Kleinstlebewesen. An Land sind Zähne ein besonders widerstandsfähiges Archiv, weil Zahnschmelz als härteste Substanz im Körper chemische Informationen sehr gut konserviert. In den feinen Kristallen des Minerals Apatit lagern sich stabile Sauerstoffisotope ein, die Rückschlüsse auf Umweltbedingungen erlauben. Wird dieses Isotopensignal hochpräzise ausgelesen, entsteht eine Art chemische Momentaufnahme der damaligen Luft und Pflanzenwelt. Frühere Arbeiten an Meeresfossilien und großen Haien zeigen, dass sich aus solchen Daten Temperaturen oder Stoffkreisläufe ableiten lassen; ein Beispiel für diesen Ansatz sind gut belegte Zahnschmelz Isotope, die verlässliche Messwerte liefern.
Neu ist nun, dass die Isotope im Zahnschmelz von Dinosauriern systematisch als Fenster zur damaligen Atmosphäre genutzt werden. Der Kern der Methode: Sauerstoff in Phosphatgruppen bildet ein messbares Verhältnis verschiedener stabiler Isotope. Dieses Verhältnis reagiert empfindlich auf Prozesse in der Biosphäre, etwa auf die Photosynthese der Pflanzen, und es korreliert mit dem Kohlendioxidgehalt der Luft. Weil Zahnschmelz chemisch extrem stabil ist, überstehen die Signale viele Millionen Jahre. So lassen sich Zeiträume des Erdmittelalters, also Jurazeit und Kreidezeit, mit hoher Aussagekraft vergleichen. In Kombination mit geologischer Schichtung und Datierung entsteht ein belastbares Bild von Schwankungen und Trends, das über Einzelfunde hinausweist und unabhängige Klimaarchive ergänzt.
Die aktuelle Isotopenmethode nutzt präzise Messungen am Phosphat des Zahnschmelzes. Entscheidend ist, dass die Analyse zwischen gut erhaltenem Schmelz und veränderten Bereichen unterscheidet, damit nur unverfälschte Signale in die Auswertung gelangen. Dadurch entsteht eine robuste Kennzahl, die als Stellvertreter für die damalige Zusammensetzung der Luft und die Stärke der Photosynthese dient. In der Auswertung werden Funde aus verschiedenen Kontinenten zusammengeführt, um regionale Effekte zu erkennen und globale Muster herauszufiltern. Diese Zusammenführung macht die Daten vergleichbar und erlaubt es, langwellige Klimaschwankungen von kurzlebigen lokalen Einflüssen zu trennen. Eine zentrale Referenz der Methode ist die PNAS-Studie, die die Messstrategie, die Qualitätsprüfungen der Proben und die statistische Auswertung detailliert beschreibt.
Ein Vorteil dieser Herangehensweise ist die hohe Stabilität des Materials. Zahnschmelz widersteht chemischen Veränderungen viel besser als Knochen oder Sedimentbestandteile. Das verringert das Risiko, dass spätere Prozesse das ursprüngliche Signal überdecken. Zudem lassen sich die Proben zerstörungsarm gewinnen und wiederholbar messen, was den Aufbau größerer Datensätze erleichtert. Damit werden nicht nur Momentaufnahmen einzelner Fundorte möglich, sondern auch Vergleiche zwischen Jurazeit und Kreidezeit sowie zwischen trockenen und feuchten Lebensräumen. Für die Kalibrierung werden moderne Vergleichswerte herangezogen, um die Beziehung zwischen Isotopensignal, Kohlendioxid und Pflanzenaktivität zu untermauern. So entsteht ein konsistentes Messsystem, das unabhängig von anderen Klimaarchiven funktioniert und zusätzliche Sicherheit in die Interpretation bringt.
Die zusammengeführten Messreihen deuten darauf hin, dass das Kohlendioxid im Erdmittelalter deutlich höher lag als in der Gegenwart. In mehreren Zeitfenstern werden Werte berichtet, die etwa drei bis viermal über dem heutigen Niveau liegen. Dieser Befund passt zu geologischen Phasen intensiver Vulkanaktivität und zu einer insgesamt warmen Grundtendenz des Klimas. Wichtig ist, dass die Spannweite der Messwerte nicht nur absolute Größen wiedergibt, sondern auch Schwankungen über mehrere Millionen Jahre abbildet. Damit lassen sich Übergänge zwischen warmen und noch wärmeren Abschnitten unterscheiden, die in anderen Archiven nur unscharf zu erkennen sind. Kontext liefert eine verständliche Darstellung der Ergebnisse durch die Universität Göttingen, die Schlüsselzahlen und methodische Eckpunkte zusammenfasst.
Für die Einordnung des Klimawandels in erdgeschichtlichen Maßstäben ist diese Information wertvoll. Sie zeigt, dass hohe Kohlendioxidwerte in der Natur vorkamen, macht aber zugleich deutlich, wie stark die damaligen Antriebe waren und wie langsam viele Prozesse im Vergleich zu heutigen Veränderungen abliefen. Die Datensätze eröffnen zudem die Möglichkeit, regionale Muster zu analysieren: In feuchten, waldreichen Räumen können andere Signaturen auftreten als in trockenen Regionen, in denen Verdunstung und Wasserstress dominieren. Besonders spannend ist der Abgleich mit Spuren von Vegetationsdichte und Brandereignissen, weil beides die Photosynthese beeinflusst. Über solche Quervergleiche werden Belastbarkeit und Grenzen der Methode sichtbar, und die Ergebnisse lassen sich besser mit anderen Proxies zusammenführen.
Neben dem Kohlendioxid liefern die Isotope Hinweise auf die Produktivität alter Wälder. Wenn Pflanzenviel Biomasse aufbauen, verändert das die Isotopensignale messbar. Diese Reaktion spiegelt nicht nur Klimabedingungen wie Temperatur und Niederschlag, sondern auch Nährstoffverfügbarkeit und Licht. Aus den Mustern können Forscher ableiten, ob ein Gebiet über lange Zeiträume aktiv bewaldet war oder ob wiederkehrende Störungen die Vegetation geprägt haben. Solche Rekonstruktionen sind wichtig, um Lebensräume der Dinosaurier besser zu verstehen. In Kombination mit Funden anderer Tiergruppen und Spuren im Sediment lassen sich Landschaftsbilder entwerfen, die Entwicklungslinien über Millionen Jahre zeigen und ökologische Wechselwirkungen sichtbar machen.
Für die Praxis bedeutet das: Dinosaurierzähne sind mehr als spektakuläre Fossilien. Sie werden zu Messinstrumenten, die Veränderungen im Erdsystem dokumentieren. Weil sich Proben an vielen Fundorten gewinnen lassen, wächst die Chance, dichtes Datenmaterial für Zeitfenster mit bislang schwacher Abdeckung zu erhalten. Das verbessert Karten der Klimageschichte und schafft Vergleichsmaßstäbe für heutige Veränderungen. Wer tiefer in das Themenfeld einsteigen möchte, findet auf der Übersichtsseite zu Dinosaurier zusätzliche Hintergründe und Bezüge zu neuen Fossilienfunden, die das Bild weiter schärfen.
Proceedings of the National Academy of Sciences, Mesozoic atmospheric CO2 concentrations reconstructed from dinosaur tooth enamel; doi:10.1073/pnas.2504324122