Materialforschung

Smartes Fenster verdunkelt sich auf Knopfdruck in Sekunden

 Dennis L.

(KI Symbolbild). Ein smartes Fenster zeigt nebeneinander einen transparenten und einen abgedunkelten Bereich, während die Umgebung unverändert hell bleibt. Die Glasoberfläche trägt eine kaum sichtbare elektrochrome Beschichtung, die ihr Erscheinungsbild auf Knopfdruck verändert. Im Hintergrund ist ein moderner Innenraum zu erkennen, in dem sich die Lichtsituation zwischen den beiden Fensterbereichen deutlich unterscheidet. So wird sichtbar, wie die Steuerung von Lichtdurchlass und Wärmestrahlung direkt im Glas stattfinden kann. )IKnessiW dnu gnuhcsroF(Foto: © 
Auf den Punkt gebracht
  • Neue Smart-Materialien machen Fenstersteuerung im Alltag besonders effizient
  • Dünne Beschichtungen verwandeln einfaches Glas in adaptives Bauteil
  • Gezielte Energieeinsparung beginnt beim Fenster als zentralem Bauelement

Verglasungen bestimmen maßgeblich, wie viel Sonnenlicht und Wärme in Gebäude gelangen – und damit, wie hoch der Energiebedarf für Heizung, Kühlung und Beleuchtung ausfällt. Ein neu entwickeltes elektrochromes Smartglas nutzt eine metallorganische Schicht, die ihre optischen Eigenschaften bei angelegter Spannung präzise verändert. Der Farbwechsel reicht von nahezu farblos über grün bis tiefbraun und erfolgt im Sekundenbereich. Gleichzeitig bleibt die Beschichtung über zahlreiche Schaltzyklen stabil. Die Frage ist, ob solche Materialien den Schritt vom Labormaßstab zur großflächigen Fassadenanwendung schaffen und damit zu einem wichtigen Baustein für energieeffiziente Gebäude werden können.

Fenster bestimmen nicht nur Ausblick und Tageslicht, sondern auch einen großen Teil der Energieflüsse in Gebäuden. Weltweit entfallen rund 40 Prozent des Endenergieverbrauchs auf Gebäude, etwa die Hälfte davon auf Heizung, Kühlung und Beleuchtung. Ein erheblicher Anteil dieser Energie geht über Verglasungen verloren, weil sie Sonnenlicht und Wärmestrahlung nur passiv durchlassen. Seit einigen Jahren arbeiten Forscher deshalb an elektrochromes Glas, dessen Lichtdurchlass und Absorption sich mit angelegter Spannung aktiv steuern lässt. Laborprototypen wie ein dualband-elektrochromes Fenster mit Nanodrahtstruktur zeigen, dass sich sichtbare Strahlung und Nahinfrarot separat modulieren lassen und so die Energieeffizienz von Gebäuden deutlich steigt. Damit solche Systeme über das Labor hinaus in Fassaden einziehen, müssen sie schnell schalten, farbstabil bleiben und über zehntausende Zyklen zuverlässig funktionieren.

Eine zentrale Herausforderung besteht darin, Materialien zu finden, die gleichzeitig porös genug für schnellen Ionentransport, chemisch stabil und in dünnen, transparenten Schichten verarbeitbar sind. Besonders vielversprechend sind hier metallorganische Gerüstverbindungen, kurz MOFs, die aus Metallknoten und organischen Liganden aufgebaut sind und ein fein einstellbares Porensystem besitzen. Solche Netzwerke wurden bereits genutzt, um Kohlendioxid selektiv aus feuchten Abgasen zu filtern, und lassen sich prinzipiell auch als aktive Schicht in elektrochemischen Bauelementen einsetzen. Eine maßgeschneiderte metallorganische Gerüstverbindung vom Typ Ni-IRMOF-74 bildet nun den Kern eines smartes Fenster, bei dem dünne, transparente Filme auf leitfähigem Glas aufgebracht werden und die optischen Eigenschaften durch wandernde Ionen gezielt verändert werden können.

Elektrochrome Fenster: Prinzip und bisherige Ansätze

Elektrochromes Glas basiert darauf, dass sich beim Anlegen einer Spannung Ionen in eine dünne aktive Schicht einlagern oder wieder herausgelöst werden und damit die optischen Eigenschaften des Materials verändern. Klassische Systeme nutzen Übergangsmetalloxide wie Wolframoxid, die beim Einbau von kleinen Kationen ihre Farbe ändern und weniger Licht durchlassen. Neuere Ansätze koppeln mehrere elektrochrome Materialien, um sichtbares Licht und Nahinfrarotstrahlung getrennt zu kontrollieren. In der Fachzeitschrift Nano-Micro Letters wurde etwa ein dualband-elektrochromes Fenster vorgestellt, das den Transmissionsgrad sowohl im sichtbaren Bereich als auch im Nahinfrarot um mehr als 70 Prozent modulieren kann und auch nach 10.000 Schaltzyklen nur wenige Prozent Kapazitätsverlust zeigt. Solche Konzepte belegen, dass aktive Beschichtungen prinzipiell dauerhaft stabil bleiben können, solange Ionentransport und mechanische Spannungen im Material im Gleichgewicht gehalten werden.

  • Hoher optischer Kontrast zwischen transparentem und abgedunkeltem Zustand
  • Schnelle Schaltzeiten im Bereich weniger Sekunden
  • Geringe Betriebsspannungen im einstelligen Voltbereich
  • Stabile Performance über zehntausende elektrochemische Zyklen
  • Skalierbare Beschichtungsverfahren für große Glasflächen

Neben klassischen anorganischen Schichten rücken zunehmend hybride und poröse Materialien in den Fokus, weil sie den Ionentransport beschleunigen und so kürzere Schaltzeiten ermöglichen. Poröse Nanostrukturen vergrößern die innere Oberfläche und bieten zusätzliche Bindungsstellen für geladene Teilchen, können aber auch mechanische Schwachstellen erzeugen, wenn sich das Gerüst bei jeder Ein- und Auslagerung von Ionen stark verformt. Hier bieten metallorganische Netzwerke eine interessante Zwischenposition: Sie kombinieren die definierte Kristallstruktur anorganischer Festkörper mit der chemischen Variabilität organischer Liganden. Damit lassen sich Kanäle und Hohlräume so entwerfen, dass Ionen möglichst leicht diffundieren können, ohne das Gitter zu zerstören. Genau diesen Ansatz verfolgt das nun untersuchte System auf Basis von Ni-IRMOF-74.

Metallorganische Gerüstverbindung Ni-IRMOF-74 im smarten Fenster

Das nun vorgestellte System nutzt erstmals eine metallorganische Gerüstverbindung vom Typ Ni-IRMOF-74 gezielt als elektrochrom aktive Schicht. In dieser Struktur sind Nickelzentren über biphenylbasierte Dicarboxylat-Liganden zu einem porösen Netzwerk verknüpft, dessen Porendurchmesser und Kristallstruktur den Ionentransport begünstigen. Das Forschungsteam um Xueying Fan brachte dünne Ni-IRMOF-74-Filme auf fluordotiertem Zinnoxid auf, dessen Oberfläche zuvor mit 4-Mercaptobenzoesäure funktionalisiert wurde, um eine stabile Anbindung des Films zu gewährleisten. In ACS Energy Letters berichten die Forscher, dass sich so homogene, wenige Mikrometer dünne Schichten herstellen lassen, die transparent bleiben und trotzdem eine hohe elektrochemische Aktivität aufweisen. Die metallorganische Gerüstverbindung Ni-IRMOF-74 fungiert dabei als definierter Speicherraum für Ladungen und Ionen.

Um daraus ein smartes Fenster zu machen, kombinierten die Forscher den Ni-IRMOF-74-Film mit einem Gel-Elektrolyten auf Basis von Lithiumperchlorat. Zwischen zwei transparenten Elektroden entsteht so ein Sandwich aus leitfähigem Glas, metallorganischer Schicht und ionenleitendem Polymer. Legt man eine geringe Spannung von etwa 0,8 Volt an, wandern Lithiumionen aus dem Elektrolyt in die Hohlräume der Gerüststruktur und verändern deren elektronischen Zustand; das zuvor nahezu farblose Glas erscheint dann grün und absorbiert einen Teil des sichtbaren Lichts. Wird die Spannung auf etwa 1,6 Volt erhöht, verstärkt sich der Einbau der Ionen, die Beschichtung nimmt einen dunkelroten bis braunen Farbton an und das elektrochromes Glas lässt nur noch wenig Licht durch. Wird die Polarität der Spannung umgekehrt, kehrt der Prozess um und das Fenster wird wieder transparent.

Schaltgeschwindigkeit, Farbumschlag und Zyklenstabilität

Für den praktischen Einsatz ist entscheidend, wie schnell und wie oft ein solches System geschaltet werden kann, ohne seine Eigenschaften zu verlieren. Im Labormuster bestimmten die Forscher zunächst die elektrochromen Eigenschaften der reinen Ni-IRMOF-74-Schicht. Die optimierte Variante des Films schaltete zwischen transparentem und gefärbtem Zustand mit Ansprechzeiten von etwa 1,9 Sekunden beim Einfärben und 2,0 Sekunden beim Aufhellen. Die Farbumschlagseffizienz lag mit rund 331 Quadratzentimetern pro Coulomb deutlich über Werten vieler etablierter Materialien, was bedeutet, dass bereits geringe Ladungsmengen einen großen Unterschied im Lichtdurchlass bewirken. In wiederholten Zyklen behielt der Film nach 4.500 Schaltvorgängen noch etwa 95,7 Prozent seiner ursprünglichen optischen Modulation, was auf eine robuste Ein- und Auslagerung der Ionen in der metallorganische Gerüstverbindung schließen lässt.

Im nächsten Schritt integrierte das Team die Beschichtung in einen vollständigen elektrochromen Aufbau mit zwei Glasscheiben und einem eingeschlossenen Gel-Elektrolyten. In diesem Verbund ergab sich für das smartes Fenster eine etwas langsamere, aber weiterhin praxistaugliche Dynamik: Die Transmission wechselte beim Abdunkeln innerhalb von rund 2,3 Sekunden und erreichte beim Aufhellen nach etwa 7,9 Sekunden wieder den klaren Zustand. Auch hier blieb die Funktion über mindestens 1200 Schaltzyklen erhalten, wobei noch etwa 85 Prozent des anfänglichen Kontrasts zwischen hellem und dunklem Zustand gemessen wurden. In beiden Farbmodi verändert die Beschichtung nicht nur den subjektiven Eindruck der Helligkeit, sondern beeinflusst auch, wie viel Wärmestrahlung in den Raum gelangt, was für die zukünftige Kopplung an Klimatisierungs- und Lichtsteuerungssysteme wichtig ist.

Perspektiven für Energieeffizienz von Gebäuden

Die jetzt demonstrierte Kombination aus schneller Reaktion, hoher Farbumschlagseffizienz und guter Zyklenstabilität macht deutliche, aber noch frühe Fortschritte auf dem Weg zu alltagstauglichen elektrochromen MOF-Fenstern sichtbar. Noch handelt es sich um relativ kleine Testflächen im Labor, und Aspekte wie großflächige Beschichtung, Langzeitstabilität unter realen Witterungsbedingungen oder die Integration in bestehende Fassadensysteme sind offen. Simulationen für andere elektrochrome Konzepte zeigen allerdings, dass adaptive Verglasungen den Heiz- und Kühlbedarf eines Gebäudes um bis zu 20 Prozent senken können, wenn sie gezielt auf Sonneneinstrahlung und Außenklima reagieren. In Zukunft könnten smartes Fenster auf Basis von Ni-IRMOF-74 oder verwandten metallorganischen Netzwerken nicht nur Jalousien und Sonnenschutzfolien teilweise ersetzen, sondern auch in Gebäudesteuerungen eingebunden werden, die Beleuchtung, Temperatur und Energiebedarf in Echtzeit aufeinander abstimmen und so die Energieeffizienz von Gebäuden erhöhen.

ACS Energy Letters, Biphenyl Dicarboxylic-Based Ni-IRMOF-74 Film for Fast-Switching and High-Stability Electrochromism; doi:10.1021/acsenergylett.4c00492
Nano-Micro Letters, An Efficient and Flexible Bifunctional Dual-Band Electrochromic Device Integrating with Energy Storage; doi:10.1007/s40820-024-01604-0

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