Batterieforschung

Lithium-Ionen-Batterie lässt sich wie Gummi biegen

 Dennis L.

(KI Symbolbild). Auf einem Labortisch liegt eine gebogene, goldfarbene Pouch-Zelle, die den Prototyp einer flexiblen Lithium-Ionen-Batterie darstellt. Die Anschlüsse mit Messkabeln deuten laufende elektrische Tests an, während das Labor im Hintergrund nur unscharf angedeutet ist. Die Szene verdeutlicht, wie sich künftige Energiespeicher mechanisch an wechselnde Formen anpassen könnten, ohne ihre Funktion zu verlieren. )IKnessiW dnu gnuhcsroF(Foto: © 
Auf den Punkt gebracht
  • Neue dehnbare Batterie eröffnet Chancen für Wearables und Smart Textiles
  • Elastischer Elektrolyt macht flexible Elektronik sicherer und robuster im Alltag
  • Forscher testen Batterie unter Zug, Biegung und hunderten Ladezyklen

Flexible Elektronik braucht Energiespeicher, die sich nicht nur biegen, sondern auch strecken lassen, ohne dabei ihre Funktion einzubüßen. Ein internationales Team hat nun eine Lithium-Ionen-Batterie vorgestellt, deren Komponenten eher an Gummi als an Keramik erinnern. Der Prototyp kombiniert einen elastischen Elektrolyten mit dehnbaren Elektroden und bleibt auch bei starker Formänderung funktionsfähig. Wie die Forscher diese extremen mechanischen Anforderungen mit Ionenleitfähigkeit, Energiedichte und Zyklenstabilität in Einklang bringen, zeigt sich erst im Detail.

In Smartphones, Laptops und Elektroautos haben sich Lithium-Ionen-Batterien als Standard etabliert, weil sie eine hohe Energiedichte, lange Lebensdauer und effiziente Ladeprozesse verbinden. Für die nächste Generation tragbarer Elektronik – von elektronischer Haut über intelligente Textilien bis hin zu implantierbaren medizinischen Sensoren – reicht es jedoch nicht mehr aus, dass Zellen nur flach und dünn sind. Solche Systeme legen sich eng an Körperoberflächen an, müssen Bewegungen mitmachen und werden regelmäßig gedehnt, gestaucht oder verdreht. Klassische Akku-Designs mit starren Gehäusen und flüssigen Elektrolyten stoßen hier schnell an Grenzen, da sie vor allem auf mechanische Stabilität und Dichtheit ausgelegt sind. Leckagen brennbarer Elektrolyte, Mikrorisse in den Elektroden und schwankende Kontaktwiderstände würden in weichen, ständig bewegten Anwendungen zu Sicherheitsproblemen und rasch alternden Energiespeichern führen.

Deshalb arbeiten Forscher weltweit an Konzepten, bei denen Batterien selbst zu weichen, adaptiven Bauteilen werden. Erste Ansätze reichen von dünnen, biegbaren Zellen über faserförmige Stromspeicher bis hin zu flexiblen Architekturen aus weichen Materialien, die sich bereits biegen und verdrehen lassen, aber nur begrenzt dehnbar sind. Eine zentrale Herausforderung bleibt, Elektroden und Elektrolyt gleichzeitig leitfähig und elastisch zu gestalten, ohne die Energiedichte drastisch zu verringern. Parallel untersuchen andere Gruppen neue Kathodenchemien, Recyclingstrategien und rohstoffschonende Designs, wie sie etwa in der Themenübersicht Lithium zusammengeführt werden. Die nun vorgestellte dehnbare Batterie geht noch einen Schritt weiter: Sie soll sich wie ein Gummiband über große Strecken auseinanderziehen lassen und dennoch über viele Ladezyklen eine stabile Kapazität bereitstellen.

Dehnbare Batterie mit gummiartigem Elektrolyt

Im Zentrum des neuen Konzepts steht ein elastischer Polymer-Elektrolyt, der sich nicht nur leicht verbiegen lässt, sondern im Labor sogar auf ein Vielfaches seiner ursprünglichen Länge gedehnt werden kann. Chemisch handelt es sich um ein Acrylat-basiertes Netzwerk, in das Lithiumsalz und ein leitfähiges Flüssigmedium eingelagert sind. Unter ultravioletter Bestrahlung polymerisieren die Monomere zu einem durchgehenden, gummiartigen Festkörper, der Lithium-Ionen transportiert und gleichzeitig enorme Dehnungen verkraftet. Messungen zeigen, dass die Polymer-Schicht selbst auf etwa die 50-fache Länge (entsprechend rund 5.000 Prozent Dehnung) gestreckt werden kann, ohne zu reißen oder ihre Ionenleitfähigkeit abrupt zu verlieren. Damit unterscheidet sich dieser elastische Elektrolyt grundlegend von klassischen flüssigen oder gelartigen Elektrolyten, die unter mechanischer Belastung leicht auslaufen oder ihre Struktur verlieren.

Eine dehnbare Batterie benötigt jedoch mehr als nur einen elastischen Elektrolyt. Auch die Elektroden, also Anode und Kathode, müssen als Verbund aus aktiven Partikeln und leitfähigen Additiven so gestaltet sein, dass sie Zugbelastungen mitmachen, ohne dass leitfähige Pfade abreißen. Hier setzt die aktuelle Arbeit konsequent auf flexible Materialien und Grenzflächen: Die Forscher bringen zunächst eine Suspension aus aktivem Kathoden- oder Anodenmaterial, Kohlenstoffschwarz und Silbernanodrähten auf ein Substrat auf. Anschließend wird die Schicht mit einem Silikonpolymer überzogen, das ebenfalls stark dehnbar ist. Die Kombination aus elastischem Elektrolyt und flexiblen Elektroden soll gewährleisten, dass sich die gesamte dehnbare Batterie unter Zug homogen verformt, statt an einzelnen, starren Schnittstellen zu versagen – ein Prinzip, das frühere Entwicklungen wie eine Batterie aus weichen Materialien nur teilweise realisieren konnten.

Aufbau aus elastischem Polymer und flexiblen Elektroden

Der konkrete Aufbau des Prototyps folgt einem mehrschichtigen Schema. Zunächst tragen die Wissenschaftler eine leitfähige Paste auf eine glatte Trägerfläche auf. Diese Paste enthält Silbernanodrähte, Kohlenstoffpartikel und die jeweiligen Kathoden- oder Anodenmaterialien in einer fein verteilten Mischung. Silbernanodrähte bilden ein leitfähiges Netzwerk mit geringem Widerstand, während Kohlenstoff die Kontaktflächen zwischen den Partikeln stabilisiert. Anschließend wird eine Schicht aus Polydimethylsiloxan, einem weichen Silikon, aufgebracht, die sich eng mit der Paste verbindet und ein elastisches Elektrodenlaminat bildet. Dieser Verbund dient als flexible Stromsammler-Schicht, die sich mitstreckt, ohne dass die aktiven Partikel sofort voneinander getrennt werden. Auf diese untere Elektrode wird dann direkt das Reaktionsgemisch für den elastischen Elektrolyt aufgebracht – bestehend aus Lithiumsalz, einer ionisch leitfähigen Flüssigkeit und polymerisierbaren Komponenten. Unter UV-Licht entsteht daraus die gummiartige Elektrolyt-Schicht.

Um eine vollständige Zelle zu erstellen, wird die Struktur anschließend mit einer spiegelbildlich aufgebauten Gegenelektrode abgeschlossen. Die so entstehende dehnbare Batterie besteht damit ausschließlich aus weichen, elastischen Schichten: zwei flexiblen Elektrodenlaminaten und einem gummiartigen, elastischen Elektrolyt in der Mitte. Ein schützender Überzug verhindert den direkten Kontakt mit Umgebungsluft und Feuchtigkeit. Dieses „all-elastic“-Design unterscheidet sich deutlich von früheren flexiblen Architekturen, bei denen starre Komponenten nur mechanisch entlastet oder in origamiartigen Strukturen gefaltet wurden. Gleichzeitig bleibt die Energiedichte im Laborversuch in einer Größenordnung, die mit konventionellen Dünnfilm-Zellen vergleichbar ist, selbst wenn die dehnbare Batterie auf Zug belastet wird. Die gezielte Integration der Polymerisation auf der Elektrode – eine Art in situ transferierter Elektrodenstruktur – reduziert zudem Grenzflächenwiderstände zwischen Elektrolyt und Elektrode, ein typisches Problem vieler Festkörper- und Hybridbatterien.

Leistung, Energiedichte und Zyklenstabilität im Vergleich

Im Betrieb zeigt die dehnbare Batterie Eigenschaften, die für praktische Anwendungen entscheidend sind. In Vergleichsversuchen mit einem ansonsten identischen Zellaufbau, der jedoch einen klassischen flüssigen Elektrolyt nutzt, erreicht die Variante mit elastischer Polymer-Schicht bei schnellem Laden eine etwa sechsmal höhere mittlere Kapazität. Gleichzeitig bleibt die Spannungs-Zeit-Kurve deutlich stabiler, wenn die Zelle wiederholt be- und entladen wird. Bei einem Prototyp mit vollständig dehnbaren Komponenten blieb die Kapazität über rund 67 Lade- und Entladezyklen weitgehend konstant, bevor sie merklich abnahm. Weitere Varianten mit optimierten Elektroden, aber demselben elastischen Elektrolyten, hielten im Test bis zu 1000 Zyklen durch, wobei die Kapazität in den ersten 30 Zyklen nur um etwa ein Prozent sank, während ein flüssiger Elektrolyt unter identischen Bedingungen rund 16 Prozent Kapazitätsverlust zeigte. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass der gummiartige Elektrolyt nicht nur mechanisch robust, sondern auch elektrochemisch stabil ist.

  • Der gummiartige Elektrolyt selbst erreicht im Labor Dehnungen von bis zu etwa 5000 Prozent, ohne zu reißen
  • Die komplette dehnbare Batterie lässt sich auf ungefähr die doppelte Länge strecken und bleibt elektrisch funktionsfähig
  • Unter schneller Ladung zeigt die Zelle mit elastischem Elektrolyt etwa die sechsfache mittlere Kapazität der Vergleichszelle mit flüssigem Elektrolyt
  • Varianten mit festen Elektroden und elastischem Elektrolyt halten in Tests bis zu 1000 Ladezyklen mit sehr geringer Degradationsrate

Trotz dieser Fortschritte müssen einige Einschränkungen betont werden. Die dehnbare Batterie erreicht ihre Leistung bislang unter Laborbedingungen mit definierten Strömen, Temperaturen und mechanischen Belastungen. Die Energiedichte liegt eher im Bereich kleiner, tragbarer Sensoren als im Segment großer Traktionsbatterien. Zudem nimmt die Kapazität bei hoch dehnbaren Prototypen nach einigen Dutzend Zyklen sichtbar ab, was auf mikrostrukturelle Veränderungen in Elektroden und Elektrolyt schließen lässt. Im Vergleich zu Konzepten, die auf extremes Schnellladen, hohe Zyklenfestigkeit oder verbesserte Recyclingfähigkeit abzielen – etwa einer optimierten Lithium-Ionen-Batterie für Schnellladen oder neuen chemischen Recyclingverfahren – positioniert sich die dehnbare Batterie klar als Speziallösung für Anwendungen, in denen mechanische Anpassungsfähigkeit wichtiger ist als maximale Energiedichte.

Perspektiven für Wearable-Sensoren und Medizintechnik

Besonders interessant ist der neue Ansatz für Wearable-Sensoren, smarte Textilien und weiche Robotik. In vielen dieser Szenarien wird die Batterie direkt in Armbänder, Stretch-Gewebe oder weiche Substrate integriert, die sich um Gelenke und Muskeln legen. Dort müssen Energiespeicher eine Kombination aus Biegung, Torsion und Zug aushalten, während sie kontinuierlich Datenlogger, Funkmodule oder elektrochemische Sensoren versorgen. Eine dehnbare Batterie, die sich wie ein Gummiband mitdehnt und sich wieder zusammenzieht, könnte die Integration solcher Systeme deutlich vereinfachen, da separate, starre Akkumodule entfallen. In Kombination mit dehnbaren Leiterbahnen, flexiblen Sensorarrays und weichen Verkapselungsmaterialien entsteht so eine vollständig conformale Elektronik, die Haut oder Textilien eng folgt, ohne Druckstellen oder mechanische Hotspots zu erzeugen. Für Wearable-Sensoren in der Rehabilitation oder im Leistungssport wären stabile Spannungen bei Streckbewegungen entscheidend, damit Messwerte nicht durch Kontaktprobleme verfälscht werden.

Langfristig denken Forscher auch an implantierbare Systeme, die sich an Organe oder Gefäße anschmiegen und dort über lange Zeiträume arbeiten. Hier zählen neben mechanischer Dehnbarkeit vor allem Biokompatibilität, nicht brennbare Elektrolyte und stabile Grenzflächen. Elastische Polymer-Elektrolyte, die keine flüchtigen organischen Lösungsmittel enthalten und bei Beschädigung nicht auslaufen, könnten Sicherheitsvorteile bieten, sofern toxikologische Fragen geklärt sind. Parallel dazu bleibt die klassische Entwicklungsrichtung wichtig, in der unter anderem neue Festkörperelektrolyte, Recyclingtechnologien und alternative Chemiesysteme untersucht werden – von wasserbasierten Zellen über Luft-Batterien bis hin zu natrium- oder kalziumbasierten Systemen, wie sie in verschiedenen Beiträgen zu neuartigen Energiespeichern und weichen Batteriematerialien diskutiert werden. In diesem Spektrum markiert die jetzt vorgestellte dehnbare Batterie einen wichtigen Zwischenschritt hin zu Energiespeichern, die sich in Größe, Form und mechanischem Verhalten fast beliebig an ihre Umgebung anpassen.

ACS Energy Letters, Elastic Polymer Electrolytes Integrated with In Situ Polymerization-Transferred Electrodes toward Stretchable Batteries; doi:10.1021/acsenergylett.4c01254

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