Verschwörungstheorien und Co.

Ältere Frauen verbreiten am meisten Desinformationen im Internet

Robert Klatt

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Im Internet werden vor Wahlen oft Desinformationen und Verschwörungstheorien verbreitet. Eine Analyse von 660.000 Accounts auf X zeigt nun, welche Personen dafür hauptsächlich verantwortlich sind.

Be’er Sheva (Israel). Im Vorfeld der Präsidentschaftswahl in den U.S.A. im Jahr 2020 wurden im Internet viele Desinformationen und Verschwörungstheorien zu den Kandidaten Joe Biden und Donald Trump verbreitet. Forscher der Ben-Gurion University um Nir Grinberg haben laut einem Bericht des Fachmagazins Science untersucht, welche Personengruppen primär für das Verbreiten der Falschinformationen verantwortlich sind.

Laut ihrer ebenfalls im Fachmagazin Science publizierten Studie haben sie dazu Daten von 660.000 Nutzern von X aus den U.S.A. analysiert. Die geteilten politischen Nachrichten enthalten nur zu einem kleinen Teil (7 %) Links zu problematischen Webseiten wie Infowars und Gatewaypundit. Ein Großteil dieser Links (80 %) wurde von nur 2.107 der 660.000 Nutzer (0,3 %) verbreitet, die die Forscher deshalb als sogenannte Supersharer bezeichnen.

Profile der Supersharer auf X

Die Studie hat ausschließlich Accounts miteinbezogen, die auf X ihren echten Namen und Standort verwendet haben. Diese Daten haben die Forscher dann mit den öffentlichen Wählerregistrierungsdaten verknüpft, um ein Profil für den durchschnittliche Supersharer zu ermitteln. Supersharer sind überdurchschnittlich oft Frauen (60 %), häufiger registrierte Republikaner (64 %) als Demokraten (16 %) und im Mittel 58 Jahre alt, also 17 Jahre älter als der Durchschnittsnutzer.

Laut Briony Swire-Thompson haben die Forscher zudem vermutet, dass Supersharer ihre Beiträge automatisierten, weil sie so oft Inhalte auf X teilen. Sie konnten aber keine Muster in der Planung finden.

„Das war eine große Überraschung. Sie sitzen buchstäblich am Computer und drücken auf Retweet.“

Die fehlende Automatisierung deutet laut Grinberg daraufhin, dass die Desinformationen im Internet nicht durch professionell agierende Einzelpersonen veröffentlicht werden, um Wahlen zu manipulieren, sondern dass es sich dabei um ein gesellschaftliches Problem handelt.

„Es scheint nicht, dass Supersharing ein einmaliger Versuch ist, Wahlen durch technikaffine Einzelpersonen zu beeinflussen, sondern eher ein langfristiger, korrosiver sozio-technischer Prozess, der das Informationsökosystem für einen Teil der Gesellschaft kontaminiert.“

Maßnahmen gegen problematisches Supersharing

Sacha Altay, ein experimenteller Psychologe an der Universität Zürich, der nicht an der Studie beteiligt war, erklärt, dass die Ergebnisse erneut belegen, dass ein Großteil der Fehlinformationen von einer kleinen Gruppe von Menschen verbreitet wird.

„Viele, mich eingeschlossen, haben zuvor dafür plädiert, Superspreader ins Visier zu nehmen.“

Dies bestätigen auch die Forscher um Grinberg, laut denen Maßnahmen gegen Supersharer im Vorfeld von Wahlen die Menge der Desinformationen signifikant reduzieren könnte. Sie sprechen sich deshalb dafür aus, das tägliche Anzahl von Retweets der Nutzer zu begrenzen. Ein Limit von 50 Retweets am pro Tag, würde einen Großteil der Supersharer der Falschinformationen treffen (90 %), aber nahezu keine normalen Nutzer (1 %). 

„Ich sehe keinen großen Nutzen darin, Menschen zu erlauben, unbegrenzt viele Retweets an einem Tag zu senden.“

Science, doi: 10.1126/science.zn4rndp

Science, doi: 10.1126/science.adl4435

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