Robert Klatt
Die Ampelkoalition hat angesichts der vielen Geflüchteten aus der Ukraine den sogenannten Jobturbo beschlossen, damit diese schneller eine Arbeit aufnehmen. Nun hat ein internationales Forschungsnetzwerk untersucht, wie gut die Maßnahme funktioniert hat.
London (England). Deutschland hat bis zum Oktober 2023 rund 1,14 Millionen Geflüchtete aus der Ukraine aufgenommen, darunter vor allem Frauen (60 %) sowie Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren (30 %). Die damalige Ampelkoalition zwischen der SPD, der FDP und der Partei Bündnis 90/Die Grünen hat deshalb den sogenannten Jobturbo beschlossen, durch den Geflüchtete schneller eine Arbeit aufnehmen sollten.
Forscher des Immigration Policy Lab (IPL) der ETH Zürich, der Stanford University, der London School of Economics (LSE) und des University College London haben nun eine Studie publiziert, die die Auswirkungen des Jobturbo analysiert hat. Laut den Wissenschaftlern handelte es sich dabei um den idealen Versuchsaufbau, weil eine große Wirtschaftsnation mit vielen Geflüchteten ihre Strategie flächendeckend geändert hat. Zuvor konnten die Forscher des IPL, das Strategien von Regierungen zur Integration von Zuwanderern untersucht, nur deutlich kleinere Projekte unter realen Bedingungen analysieren.
Die Wissenschaftler konnten für ihre Studie Daten von 300 der insgesamt 404 Jobcenter auswerten. Diese zeigen, dass der Jobturbo der Ampelkoalition zu rund 102.000 zusätzlichen Arbeitsaufnahmen geführt hat, darunter 58.000 Arbeitsaufnahmen von Geflüchteten aus der Ukraine und 44.000 Geflüchteten aus anderen Ländern. Wie Moritz Marbach vom UCL erklärt, handelt es sich dabei um Arbeitsaufnahmen, die es ohne den Jobturbo nicht gegeben hätte.
„Wir machen das seit 15 Jahren. Viele Programme, die wir untersuchen, haben keine oder nur eine kleine Wirkung. Noch nie haben wir derartig große Effekte gesehen wie beim Jobturbo.“
Ein Großteil der 102.000 Arbeitsaufnahmen entfällt auf sozialversicherungspflichtige Arbeitsstellen. Die Daten zeigen zudem, dass die Maßnahme in allen Bundesländern, in allen Altersgruppen und bei allen Qualifizierungsniveaus wirkt.
Die Studienergebnisse sind politisch relevant, weil die aktuelle Bundesregierung den Jobturbo beenden möchte. Geflüchtete aus der Ukraine, die nach dem 31. März 2025 nach Deutschland kommen, würden dann kein Bürgergeld mehr beziehen, sondern lediglich die Leistungen für Asylbewerber. Wenn dieser Gesetzentwurf der Union umgesetzt wird, wären die Jobcenter somit nicht mehr für die Geflüchteten zuständig und könnten diese nicht mehr dazu verpflichten, eine Arbeit aufzunehmen oder eine Qualifizierungsmaßnahme zu durchlaufen.
„Unsere Aufgabe ist es nicht, politische Entscheidungen zu treffen. Als Wissenschaftler liefern wir Evidenz, also eine Grundlage, um sachliche Debatten führen zu können, aber wenn ein Ansatz zurückgedreht wird, der so gut funktioniert, ist es schon ein bisschen schade.“
Die analysierten Daten zeigen zudem, dass Deutschland von zusätzlichen Arbeitsvermittlern in den Jobcentern profitieren könnte. Obwohl es in den 300 Jobcentern durch den Jobturbo zu fast 600.000 zusätzlichen Terminen gekommen ist, wurden keine zusätzlichen Arbeitsvermittler eingestellt. Weitere Arbeitsvermittler würden aber laut der Modellrechnung noch mehr Arbeitsstellen an Geflüchtete vermitteln und dadurch zusätzliche Einnahmen durch Steuern und Sozialversicherungsbeiträge erzielen und Ausgaben durch das eingesparte Bürgergeld vermeiden. Sie würden ihr eigenes Gehalt deshalb bereits nach zwölf Monaten amortisieren und danach Gelder des Bundeshaushaltes einsparen.
Quellen:
Preprint der Studie auf dem Server SocArXiv, doi: 10.31235/osf.io/px9ew_v1
Pressemitteilung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB)