Strukturschwache Regionen

Coworking im ländlichen Raum immer gefragter

Dennis L.

Der große Bedarf nach Coworking im ländlichen Raum wurde bisher unterschätzt. )kcotS ebodAzeergaed(Foto: © 
Auf den Punkt gebracht
  • Coworking belebt strukturschwache ländliche Regionen
  • Flexible Arbeitsmodelle wie Coworking sind attraktiver als Homeoffice

Optionen für ortsunabhängiges und anpassungsfähiges Arbeiten in kooperativ genutzten Räumen sind in urbanen Zentren bereits gut etabliert. Eine neulich durchgeführte Trendstudie hat zum ersten Mal die Bedingungen von Coworking in ländlichen Gegenden beleuchtet. Die Ergebnisse legen nahe, dass diese innovative Arbeitsform einen bedeutenden Beitrag zur wirtschaftlichen Wiederbelebung von strukturschwachen Gegenden leisten kann.

Gütersloh (Deutschland). Die Transformation eines stillgelegten Bäckereiladens in eine digitale Kreativwerkstatt oder die Nutzung einer Streuobstwiese als Standort für mobile Arbeitscontainer sind innovative Wege, um einen Arbeitsplatz zu vermieten. In den letzten Jahren haben solche Coworking-Möglichkeiten im ländlichen Raum in Deutschland zugenommen. Diese neuartige Form der flexiblen und mobilen Arbeit in gemeinschaftlich genutzten Räumen hat großes Potential, um strukturschwache Regionen nachhaltig zu beleben. Die heute vorgestellte Trendstudie "Coworking im ländlichen Raum" liefert erstmals detaillierte Einblicke in dieses Phänomen außerhalb der städtischen Ballungsräume. Die CoWorkLand Genossenschaft und das Netzwerk Zukunftsorte haben im Auftrag über 200 tiefe Interviews mit Nutzern und Gründern von Coworking-Orten in ganz Deutschland geführt. Die dabei gesammelten Erfahrungen verdeutlichen jedoch auch, dass der Erfolg von Coworking auf dem Land stark von technischen Bedingungen und dem sozialen Netzwerk der Gründer abhängt.

Dynamische Arbeitswelt in Großstädten

Coworking hat sich als Phänomen moderner Arbeitskultur in Großstädten etabliert. In Metropolen wie Berlin, München, Hamburg oder Köln gehören sie längst zum Alltag. Wer beispielsweise nach Shared Office Köln sucht, findet flexible Arbeitsräume für Selbstständige, Freelancer, Start-ups und kleine Unternehmen. Die Vorteile liegen klar auf der Hand: Es ermöglicht eine flexible Arbeitsumgebung, bietet Zugang zu einer Community von Gleichgesinnten, fördert den Austausch von Ideen und bietet eine Infrastruktur, die ohne große Investitionen genutzt werden kann.

In fast allen Metropolen, wo der Immobilienmarkt angespannt ist, ist die Nachfrage nach solchen Arbeitsplatzlösungen besonders hoch. Neben dem praktischen Aspekt der Büronutzung ist das Coworking in Großstädten auch ein sozialer Raum, der Möglichkeiten zum Networking und zur Zusammenarbeit bietet, was für viele Nutzer einen entscheidenden Mehrwert darstellt.

Großes Wachstumspotenzial im ländlichen Raum

Oftmals wird der ländliche Raum als antiquiert und isoliert betrachtet. Jedoch belegen die Fallstudien in unserer Untersuchung das Gegenteil: Die Arbeitswelt von morgen hat in ländlichen Gebieten bereits Fuß gefasst. Alexandra Schmied, Spezialistin für Unternehmenssoziale Verantwortung bei der Bertelsmann Stiftung, bestätigt diese Beobachtung. Sie fügt hinzu:

"Coworking bietet Menschen die Chance, nah an ihrem Wohnort qualitativ hochwertige Arbeitsplätze zu nutzen und dabei lange Pendelzeiten zu vermeiden. Ländliche Gebiete, die unter Bevölkerungsschwund und Überalterung leiden, können durch den Zuzug junger Familien und durch die Modernisierung der Infrastruktur neu erblühen. Firmen können sich über ein erweitertes Einzugsgebiet für Fachkräfte freuen. Und nicht zuletzt könnte Coworking ein entscheidender Katalysator für den Übergang zu einer nachhaltigen, klimafreundlichen und modernen Wirtschaft sein."

Große Zielgruppe für Coworking-Angebote

Das Landleben hat nicht erst seit der Corona-Pandemie an Beliebtheit zugenommen: Umfragen zeigen, dass die Mehrheit der Deutschen einen Vorzug für das Wohnen im Grünen gegenüber dem Leben in der Großstadt hätte. Wie aus den Interviews, die für diese Studie geführt wurden, hervorgeht, ermöglichen Coworking-Angebote eine bessere Kombination von beruflicher Tätigkeit und Wohnortwahl. Das Potential von Coworking für ländliche Gebiete zeigt sich in der breiten Palette an Nutzern. Unter den Anwendern des ländlichen Coworking finden sich viele Angestellte aus verschiedenen Berufen, auch ohne akademischen Abschluss und mit einer großen Altersspanne.

"Coworking in ländlichen Gebieten spricht eine deutlich breitere Zielgruppe an und hat eine größere integrative Kraft als in Städten. Es wird von all denen nachgefragt, die ein Bedürfnis nach Gemeinschaft verspüren und ihre Arbeitsorte selbst auswählen können“, sagt ein Sprecher der Branche. Während auch hier Mitglieder der Kreativ-, Digital- und IT-Branche - die ursprünglichen Zielgruppen von Coworking - verstärkt den ländlichen Raum aufsuchen, spiegelt die Gemeinschaft der Coworker in ländlichen Gebieten ein breites gesellschaftliches Spektrum wider, das auch Handwerker, Wissenschaftler, Berater und Lehrer umfasst.

Die Anbieterseite ist ebenfalls vielfältig, wie die unterschiedlichen Orte und damit verbundenen Geschäftsmodelle zeigen. Coworking-Einrichtungen sind beispielsweise an stark frequentierten Pendlerstrecken, auf abgelegenen Landgütern, in leerstehenden Ladengeschäften in Kleinstädten, in beliebten Urlaubsregionen oder auf Bauernhöfen am Dorfrand zu finden. "Wir sind davon überzeugt, dass Coworking in ländlichen Gebieten das Potenzial hat, sich zu einem Massenphänomen zu entwickeln und einen wirkungsvollen Strukturwandel herbeizuführen - insbesondere wenn es gelingt, auch festangestellte Pendler für Coworking zu gewinnen. In dieser Zielgruppe liegt noch großes und nahezu unerschlossenes Potenzial", fügt der Sprecher hinzu.

Soziale Netzwerke und Kontakte sind ein wichtiger Erfolgsfaktor

Die Studie zeigt jedoch, dass die Ausarbeitung eines tragfähigen Geschäftsmodells eine der größten Herausforderungen bei der Einrichtung eines ländlichen Coworking-Spaces darstellt. Im Gegensatz zu Ballungsgebieten sehen viele Befragte das Agieren in lokalen Netzwerken als einen wesentlichen Erfolgsfaktor, insbesondere da es auf dem Land noch keinen etablierten Markt für diese neuen Angebote gibt. "Um die positiven Auswirkungen des Coworkings zur Geltung zu bringen, ist es erforderlich, die speziellen Bedürfnisse dieser neuen 'Landarbeiterschaft' zu berücksichtigen. Darüber hinaus benötigen die netzwerkorientierten Gründer sowohl die notwendige Unterstützung als auch den Freiraum, um ihre unkonventionellen Geschäftsmodelle, die außerhalb der Metropolen funktionieren, umzusetzen", sagt Schmied.

Corona-Pandemie als Schubtreiber

In der Auseinandersetzung mit dem Coronavirus haben viele Berufe ihre Aktivitäten vom Büro zu alternativen Arbeitsplätzen verlagert. Dieser Trend dürfte das Coworking in ländlichen Gebieten weiter beflügeln, wie die Interviews nahelegen, die während des Ausbruchs der Pandemie im Frühjahr geführt wurden. Obwohl sich Abstandsregeln und Kontaktverbote kurzfristig als Hindernis für das gemeinschaftsbasierte Arbeitsmodell erwiesen, haben die Erfahrungen mit Corona aus Sicht vieler Befragten auf lange Sicht gezeigt, dass das Arbeiten außerhalb des Büros in vielen Berufsfeldern effektiv ist und dass Präsenzzeiten und damit auch Pendelverkehr reduziert werden können.

Die Befragungen von Coworking-Gründern und -Nutzern verdeutlichen, dass mobiles Arbeiten in ländlichen Bereichen im Vergleich zum Homeoffice erhebliche Vorteile bietet. Beim Arbeiten zu Hause fehlen oft soziale Kontakte und klare Trennlinien zwischen Beruf und Privatleben. Ablenkungen durch andere Haushalts- oder Familienmitglieder sind in Coworking-Räumen weniger häufig. Darüber hinaus ist in der Regel eine bessere technische Infrastruktur vorhanden. "Mobiles Arbeiten entspricht den Bedürfnissen vieler Angestellter deutlich mehr als ein einfacher Umzug ins Homeoffice. Daher sollten Arbeitgeber, Tarifpartner und der Gesetzgeber Bedingungen schaffen, die eine Verlagerung der Tätigkeiten an neue, alternative Arbeitsorte fördern", so die Studie.

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