D. Lenz
Ein Biss der Lone-Star-Zecke kann zu einer lebenslangen Allergie gegen Fleisch führen. Schwerste allergische Reaktionen machen die bisher unheilbare Krankheit für den Menschen lebensgefährlich. Aber auch die Diagnose der noch recht unbekannten Krankheit stellt ein Problem dar.
Düsseldorf (Deutschland). Bei einem Biss einer Zecke denken die meisten Menschen gleich an die gefährlichen Krankheiten Borreliose und FSME. Doch in letzter Zeit wird die Liste der von Zecken übertragenen oder ausgelösten Krankheiten um eine weitere, für viele Menschen sehr erschreckende Krankheit erweitert. Diese löst beim Opfer eine vermutlich lebenslange Allergie gegen rotes Fleisch aus. Die allergischen Reaktionen sind so heftig, dass sie unbehandelt zum Tod führen können.
Das bizarre Problem, dass immer mehr Menschen an einer extremen Fleischallergie leiden, wurde erst vor wenigen Jahren entdeckt. In den U.S.A. waren damals plötzlich rund 200 Menschen durch ihre plötzliche Allergie gegen rotes Fleisch, wie beispielsweise Burger, Steaks oder Roastbeef, aufgefallen und behandelt worden. In Deutschland stammt der erste bekannte Fall aus dem Jahre 2005, wie der Dermatologe Prof. Tilo Biedermann, der heute am Klinikum der TU München tätig ist, erklärt. Allerdings fanden Forscher aus den U.S.A. erst Jahre später den Zusammenhang zwischen der Fleischallergie und einem Zeckenbiss.
Die Zecke der Gattung Amblyomma americanum, auch als Lone-Star-Zecke bekannt, verwandelt gesunde Menschen quasi über Nacht zu Vegetariern. Was sich vielleicht lustig oder absurd anhört, ist für die Betroffenen jedoch lebensgefährlich. Schwerste allergische Reaktionen, die oftmals im Krankenhaus enden, sind die Folge, die etwa drei bis sechs Stunden nach dem Fleischverzehr eintreten. Zu den bisher bekannten Symptomen zählen geschwollene und extrem juckende Hände, eine geschwollene Zunge sowie dicke Lippen, Quaddeln oder dicke Blasen auf der Haut, schwerste Atemnot und Kreislaufzusammenbrüche. Mediziner berichten im Fachmagazin Journal of Pediatrics, dass diese Krankheit gerade für kleine Kinder lebensbedrohlich ist.
Anders als bei andere Nahrungsmittelallergien, treten bei dieser Krankheit die ersten Symptome jedoch nicht direkt nach dem Verzehr auf, sondern erst Stunden später. Dies hat eine Suche nach der Ursache der plötzlichen Fleischallergie bisher auch so schwergemacht – besonders da rund 30 Prozent der Menschen einen Zeckenbiss nicht einmal bemerken.
Die ersten bekannten Fälle der durch einen Zeckenbiss ausgelösten Fleischallergie stammen aus dem Südwesten der U.S.A. Seit dem weitet sich die Zecke nach Osten aus. Weitere Fälle sind aus Deutschland, Frankreich, Schweden, Spanien, Japan, Korea und Australien bekannt.
Auslöser der Fleischallergie ist einen Antikörper, den der menschliche Körper auf das Kohlenhydrat Alpha als Reaktion auf den Zeckenbiss bildet. Ungewöhnlich ist, dass ein Protein für alle anderen Nahrungsmittelallergien die Ursache ist. Diese wird jedoch durch ein Zuckermolekül ausgelöst, welche die Zecke besitzt, nicht aber der Mensch. Passend zu diesem sogenannten Alpha-Gal-Molekül bildet der menschliche Organismus Antikörper. Da dieses Molekül aber nur bei Tieren und nicht beim Menschen vorkommt, ist es dem menschlichen Körper völlig fremd und er reagiert zukünftig darauf, wenn der Betroffene Fleisch isst. Aktuelle Forschungen legen nahe, dass das Alpha-Gal-Molekül erst durch die Verdauung freigesetzt wird, was die späte allergische Reaktionszeit erklärt.
Das Problem in der Vergangenheit war, dass bei den herkömmlichen Prick-Tests auf Fleisch und Nahrungsmittel die Testergebnisse negativ blieben. Aber amerikanischen Allergieforscher haben einen neuen Test entwickelt, der eine recht zuverlässige Diagnose auf die durch Zeckenbisse ausgelöste Fleischallergie liefert. Seit dem werden auch in Deutschland immer mehr Fälle dieser Krankheit bekannt.
Noch sind sich die Mediziner und Forscher nicht sicher, ob der durch den Zeckenbiss verursachte Zwangsvegetarismus ein Leben lang anhält oder ob der Körper irgendwann den Bauplan für die Antikörper wieder vergisst. Wahrscheinlich aber müssen die Betroffenen ein lebenslang auf rotes Fleisch verzichten. Jedoch vertragen sie wenigstens weiterhin Fleisch und Hähnchenfleisch.