Robert Klatt
Zahnschmelz regeneriert sich im menschlichen Körper nicht selbst. Eine neue Zahnpasta mit Keratin, einem Protein aus Haaren, bildet eine zahnschmelzähnliche Schutzschicht, die Vorstufen von Karies beseitigen kann und die Widerstandskraft der Zähne deutlich erhöht.
London (England). Die Zähne des Menschen bestehen aus den knochenähnlichen mineralisierten Geweben Zahnschmelz, Dentin und Zement. Der Zahnschmelz bildet die äußerste Zahnschicht. Obwohl er die härteste Substanz des Körpers ist, wird er durch natürliche Alterungsprozesse, säurehaltige Lebensmittel und schlechte Mundhygiene beschädigt. Diese Prozesse können durch Zahnpasta mit Fluorid verlangsamt werden. Eine Regeneration durch körpereigene Prozesse oder Medikamente ist bisher aber nicht möglich.
Die Medizin sucht deshalb nach Materialien, die dem Zahnschmelz ähneln und Schäden reparieren können. Forscher des King's College London (KCL) haben nun eine Zahnpasta entwickelt, die beschädigten Zahnschmelz reparieren und frühe Kariesstadien behandeln kann. Laut der Publikation im Fachmagazin Advanced Healthcare Materials besteht die neue Zahnpasta aus Keratin, das aus Schafswolle extrahiert und dann zu einem feinen Pulver verarbeitet wurde.
Die keratinhaltige Zahnpasta haben die Forscher anschließend an menschlichen Backenzähnen mit einer Vorstufe von Karies erprobt. Das Keratin hat bei diesem Experiment gemeinsam mit den Mineralien des Speichels ein kristallähnliches Gerüst gebildet, das Kalzium- und Phosphationen anzieht und eine zahnschmelzähnliche Schutzschicht bildet. Zudem verschließt das Haarprotein offene Nervenkanäle und macht die Zähne dadurch unempfindlicher gegenüber Schmerzen.
Messungen zeigen, dass Keratin die Widerstandskraft der Zähne deutlich erhöht. Gesunde Zähne haben eine Härte von drei Gigapascal. Die beschädigten Zähne hatten eine Härte von nur 0,07 Gigapascal, die nach der Keratinbehandlung auf 2,1 Gigapascal gestiegen ist. Laut den Forschern zeigt dies, dass Keratin sich gut für die Regeneration von Zahnschmelz eignet.
„Mit weiterer Entwicklung und den richtigen Industriepartnerschaften könnten wir schon bald stärkere, gesündere Zähne wachsen lassen, aus etwas so Einfachem wie einem Haarschnitt.“
Die Wissenschaftler sind der Ansicht, dass die neue Zahnpaste in Zukunft in der Zahnmedizin verwendet werden kann.
„Keratin wird nicht nur nachhaltig aus biologischen Abfallstoffen wie Haaren und Haut gewonnen, sondern macht auch herkömmliche Kunststoffharze überflüssig, die üblicherweise in der restaurativen Zahnmedizin verwendet werden und giftig und weniger haltbar sind. Keratin sieht außerdem viel natürlicher aus als diese Behandlungsmethoden, da es sich farblich besser an die natürliche Zahnfarbe anpassen lässt.“
Advanced Healthcare Materials, doi: 10.1002/adhm.202502465