Dennis L.
Lipophile Verteilung, Gewebespeicherung und die Bildung spezifischer Metaboliten bestimmen, wie lange Cannabiswirkstoffe messbar bleiben. Entscheidend ist nicht nur die Substanz selbst, sondern die gewählte Matrix und definierte Grenzwerte: Während Blut akute Konzentrationen abbildet, zeigt Urin Abbauprodukte über Tage bis Wochen, Oralfluid deckt das unmittelbare Zeitfenster ab und Haare kartieren Muster über Monate. Analytisch strukturieren Grenzwerte wie Urin-Screening 50 ng/mL und Bestätigungsgrenze 15 ng/mL die Befundlage, ohne eine Aussage zur Intoxikation zu erzwingen. So entsteht ein Detektionsfenster, das medizinische, arbeitsmedizinische und forensische Bewertungen unterstützt, aber stets Kontext erfordert.
Inhalativ aufgenommenes Δ9-Tetrahydrocannabinol verteilt sich binnen Minuten in stark perfundierte Gewebe und diffundiert anschließend in das Fettkompartiment. Der akute Rauschverlauf korreliert mit freien Konzentrationen im Blutplasma, die nach einem schnellen Anstieg innerhalb weniger Stunden deutlich abfallen. Die Leber wandelt die Mutterverbindung über Oxidation und Konjugation in aktive und inaktive Metaboliten um, darunter 11-Hydroxy-THC und 11-Nor-9-Carboxy-THC. Diese Metaboliten, ihre Akkumulation und der THC-COOH-Abbau prägen die Nachweisbarkeit in Urinproben. Gleichzeitig modulieren Konsumfrequenz, Dosis, Körperfettanteil, Hydration, Testverfahren und Cut-offs die Befunddauer. Daraus resultieren Matrix- und personenabhängige Unterschiede, die ohne standardisierte Methodik leicht fehlinterpretiert werden.
Urin ist in Screeningprogrammen weit verbreitet, weil es metabolische Endprodukte über längere Zeiträume erfasst. Praktisch orientieren sich viele Programme am Schwellenwert Urin-Screening 50 ng/mL für den Vortest und an der Bestätigungsgrenze 15 ng/mL für die massenspektrometrische Bestätigung, jeweils bezogen auf THC-COOH. Wie eine aktuelle Übersichtsarbeit im International Journal of Environmental Research and Public Health zusammenfasst, verlängern chronische Muster das Detektionsfenster deutlich, während gelegentlicher Konsum meist nur wenige Tage erfasst wird, wobei Hydration und Kreatinin-Korrekturen die Interpretation stabilisieren.
Urin bildet überwiegend den Verlauf der Metaboliten ab, nicht die Wirkung der Mutterverbindung. In kontrollierten Beobachtungen lagen Maxima von THC-COOH häufig innerhalb der ersten 24 bis 36 Stunden, gefolgt von einem individuellen, oft multiphasischen Abfall. Gelegentliche Konsumenten unterschreiten Bestätigungsgrenzen häufig nach wenigen Tagen, wohingegen täglicher Konsum Depoteffekte erzeugen kann, die Nachweise über zwei bis vier Wochen und länger ermöglichen. Ein positives Ergebnis erlaubt keine rückrechnende Datierung des Konsumzeitpunkts; dafür sind zu viele Variablen beteiligt, von der individuellen Metabolisierung bis zur Probenverdünnung. Für arbeitsmedizinische oder forensische Fragen bewährt sich deshalb die Kombination aus qualifiziertem Screening, Bestätigung und kontextbezogener Bewertung.
Blut koppelt zeitlich am engsten an die Aufnahme, weil freie THC-Konzentrationen den akuten Verlauf abbilden. Nach Inhalation fallen Plasmaspiegel typischerweise innerhalb von 2 bis 6 Stunden unter gängige Nachweisgrenzen, moderne LC-MS-Methoden erreichen dabei Sensitivitäten im Sub-ng/mL-Bereich. Eine forensische Übersicht in WIREs Forensic Science betont die Heterogenität bei chronischem Konsum: Niedrige Restspiegel können Tage nach der letzten Aufnahme nachweisbar bleiben, ohne eine akute Beeinträchtigung zu beweisen, während 11-Hydroxy-THC kurzfristig präsent sein kann. Für die Beurteilung eignen sich zusätzlich klinische Parameter und standardisierte Tests, die die Zahl in ng/mL in einen funktionellen Kontext stellen.
Die Aussagekraft hängt wesentlich von der Probenahmezeit ab. Binnen der ersten 2 Stunden nach inhalativem Konsum ist THC nahezu immer messbar, mit weiterem Abfall in den folgenden Stunden. In Stichproben zwischen 6 und 22 Stunden steigen die Unsicherheiten: Befunde werden seltener und interindividuell variabler, insbesondere bei langjähriger Nutzung, bei der Umverteilung aus Fettdepots eine Rolle spielt. Blut ist damit besonders geeignet, jüngsten Konsum in Verbindung mit klinischen Eindrücken zu stützen, weniger jedoch, um allein aus einer Zahl auf Fahruntüchtigkeit zu schließen. Für rechtssichere Bewertungen sind Probenlogistik, Chain of Custody, Qualitätskontrolle und eine klare Fragestellung gleichermaßen entscheidend.
Oralfluid erleichtert die Probenahme und korreliert in der Präsenzbeurteilung mit Blut, spiegelt aber zunächst auch lokale Ablagerungen aus Rauch und Aerosolen wider. In den ersten Minuten nach Inhalation können sehr hohe Werte auftreten, die innerhalb weniger Stunden stark abfallen. Typische Detektionsfenster reichen bei gelegentlichem Konsum von etwa 12 bis 24 Stunden, abhängig von Gerät, Cut-off und Sampling. Bei hoher Frequenz wurden längere Nachweiszeiten beschrieben, wobei während der Eliminationsphase Wechsel zwischen positiven und negativen Ergebnissen auftreten können. Dadurch eignet sich Oralfluid besonders, um jüngsten Konsum zu belegen, ohne invasive Blutentnahmen zu benötigen.
Die quantitative Ableitung einer Blutkonzentration aus Oralfluid ist jedoch unzuverlässig. Unterschiede in Speichelfluss, pH-Wert, Mundhygiene und Adsorption an Mundschleimhaut beeinflussen gemessene Konzentrationen. Programme nutzen daher pragmatische Grenzwerte und Bestätigungen per Massenspektrometrie, um falsch positive oder falsch negative Befunde zu begrenzen. Für verkehrsmedizinische Anwendungen erhöht eine klare Probenahmezeit, die Dokumentation der letzten Aufnahme und gegebenenfalls die Kombination mit Blut oder Urin die Aussagekraft. So bleibt Oralfluid ein wertvolles Werkzeug für unmittelbare Zeiträume, während längere Intervalle besser in anderen Matrizes abgebildet werden.
Haare liefern das längste Detektionsfenster und bilden Konsummuster über Monate ab. Als Faustgröße wächst Kopfhaar im Mittel etwa 1 Zentimeter pro Monat; ein Segment am Haaransatz von 3 Zentimetern repräsentiert daher ungefähr drei Monate, was die Formulierung Haaranalyse 3 Monate erklärt. THC gelangt über Blut, Schweiß und Talg in das Haar und kann zusätzlich von außen anlagern. Standardisierte Waschprotokolle, Segmentierung, eine dokumentierte Probenahme und Bestätigungsanalytik per Massenspektrometrie sind nötig, um Kontaminationen und Fehlbewertungen zu minimieren. Für Einzelfallfragen zur Datierung eines spezifischen Ereignisses ist diese Matrix nur eingeschränkt geeignet.
Interpretatorisch erschweren kosmetische Behandlungen, sehr kurze oder stark strukturierte Haare sowie Körperhaare die zeitliche Zuordnung. Zudem variiert die individuelle Haarwachstumsrate, was die Rückrechnung von Längen auf Monate nur näherungsweise erlaubt. Für belastbare Aussagen empfiehlt sich die Einbettung in einen Befundverbund: Haar zur Mustererkennung, Urin für Metabolitenverläufe, Blut für Nähe zur Aufnahme. So entsteht ein kohärentes Bild, das sowohl kurzfristige als auch langfristige Aspekte erfasst, ohne die Grenzen jeder einzelnen Matrix zu überschreiten.
International Journal of Environmental Research and Public Health, Analysis of Cannabinoids in Biological Specimens; doi:10.3390/ijerph20032312
WIREs Forensic Science, Testing for cannabis intoxication: Current issues and latest developments; doi:10.1002/wfs2.1450