Vergleich

Tabakerhitzer unterbieten Zigaretten bei giftigen Partikeln deutlich

 Dennis L.  nenoitarepooK etlhazeb tlähtnE

Tabakerhitzer erhitzen Tabak statt ihn zu verbrennen und liefern laut Laboranalysen bis zu 95 % weniger krebserregende Carbonyle – bei nahezu identischer Nikotindosis. )kcotS ebodAvonagalag(Foto: © 
Auf den Punkt gebracht
  • Bis zu 90 Prozent weniger Schadstoffe in Tabakerhitzern
  • Langzeitgesundheitsrisiken weiterhin wissenschaftlich ungeklärt
  • Weltweiter Markt boomt, Regulierung zieht nach

Tabakerhitzer stehen im Fokus aktueller Laboranalysen, die eine markante Reduktion karzinogener Verbindungen gegenüber Verbrennungszigaretten dokumentieren. Zeitgleich verweisen toxikologische Daten auf das fortbestehende Nikotinrisiko und bislang unterschätzte Aerosolkomponenten. Die neue Evidenz verspricht eine Neubewertung der Tabakerhitzer und sorgt für wissenschaftliche Spannung.

(Deutschland). Tabakerhitzer erhitzen statt verbrennen Tabak und erzeugen ein Aerosol, das laut Herstellern weniger Verbrennungsprodukte enthält; bekannte Systeme sind z.B. IQOS. Das Versprechen eines „reduced-risk“-Genusses trifft auf eine wachsende Zielgruppe: In zahlreichen Ländern haben diese Geräte innerhalb weniger Jahre spürbare Marktanteile erobert, weil sie an das vertraute Ritual des Rauchens anknüpfen, dabei aber Geruch, Asche und offene Glut eliminieren. Parallel dazu stellen die jährlich mehr als acht Millionen tabakbedingten Todesfälle die Suche nach weniger schädlichen Konsumformen in den Vordergrund und verschaffen Tabakerhitzern öffentliche Aufmerksamkeit – insbesondere dort, wo klassische Präventionsstrategien an ihre Grenzen stoßen.

Gleichzeitig bleibt der wissenschaftliche und regulatorische Blick auf Tabakerhitzer ambivalent. Die Weltgesundheitsorganisation warnt, dass die Geräte zwar weit weniger Stoffe freisetzen als Zigaretten, jedoch weiterhin krebserregende Emissionen produzieren und ihre Langzeitfolgen ungeklärt sind. Dieser Erkenntnisstand befeuert politische Initiativen: Die EU bereitet eine Reform der Tabaksteuer-Richtlinie vor, die erstmals eigene Steuersätze für erhitzte Tabaksticks vorsieht – ein Signal, dass Gesetzgeber das Gesundheitsrisiko nicht unterschätzen, aber risikoadaptiert regulieren wollen. Zwischen technischer Innovation, unvollständiger Evidenz und wachsendem fiskalischem Druck entsteht somit ein Spannungsfeld, das die zukünftige Rolle von Tabakerhitzern entscheidend prägen wird.

Funktionsweise und Emissionsprofil von Tabakerhitzern im Vergleich zur Zigarette

Tabakerhitzer arbeiten mit elektronisch geregelten Heizsystemen: Ein Keramik- oder Metallelement umschließt den gepressten Tabakstick und bringt ihn für wenige Sekunden auf 250 – 350 °C – deutlich unterhalb der 600 – 950 °C, die beim Zug an einer Zigarette entstehen. In diesem Temperaturfenster läuft zwar Pyrolyse, aber keine offene Verbrennung ab, sodass Flammen, Glut und Sauerstoff-zugabe entfallen. Der Tabak gibt ein Aerosol aus Nikotin, Wasser, Propylenglykol, Glycerol und flüchtigen Aromastoffen ab, das durch einen Kühltunnel in den Mund gelangt; Filterkohle oder Polymer-Kondensatoren fangen Teile des Partikelspektrums ab. Unabhängige Labormessungen zeigen, dass die Nikotinabgabe dabei nahezu identisch zu einer konventionellen Zigarette ausfallen kann – das Deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) fand in einem Referenzgerät 1,1 mg Nikotin pro Stick versus 0,9 mg pro Zigarette, während die Gesamtmenge an Teerpartikeln (wasser-/nikotinfrei) um etwa ein Drittel reduziert war. Die exakt programmierbare Heizkurve begrenzt allerdings nicht nur die Höchsttemperatur, sondern vermeidet auch Temperaturspitzen an der Tabakoberfläche, was wesentlich zur Verringerung der Pyrolyseprodukte beiträgt.

Der chemische Emissionsvergleich illustriert diese Effekte eindrücklich: Unter der intensiven Health-Canada-Puffingregime registrierte das BfR für Tabakerhitzer um 83 % weniger Formaldehyd, bis zu 94 % weniger Acrolein und nahezu 100 % weniger krebserzeugendes 1,3-Butadien und Benzol als im Hauptstromrauch einer Zigarette. Mallock et al. bestätigten diese Größenordnung in einer standardisierten Arch-Toxicol-Analyse: 80 – 95 % weniger Carbonyle, 97 – 99 % weniger VOCs, bei vergleichbarem Nikotinoutput. Dennoch bleiben Emissionen messbar, insbesondere ultrafeine Partikel: Eine ISO/Health-Canada-Querschnittsstudie mit fünf Geräten stellte fest, dass > 99,7 % aller Partikel unter 1 µm liegen und die Konzentration je nach Pufffrequenz stark ansteigt. Auf biologischer Ebene spiegelt sich die Reduktion toxischer Gase bisher nur teilweise wider: Eine systematische Metaanalyse von 40 klinischen Studien fand bei kurzzeitiger Nutzung zwar niedrigere Biomarker einiger Oxidations- und Entzündungsparameter, jedoch keine konsistente Verbesserung kardiovaskulärer oder respiratorischer Surrogatmarker gegenüber Zigaretten. Das Emissionsprofil der Tabakerhitzer liegt somit klar unterhalb des Zigarettenrauchs, reicht aber nicht an die Ausgangsniveaus völliger Abstinenz heran – ein Befund, der die Technologie zwar als Schadstoffreduzierer, nicht jedoch als schadstofffreie Lösung klassifiziert.

Evidenzlage zu Gesundheit und Schadstoffreduktion

Die gegenwärtige Datenbasis zu Tabakerhitzern ist breit, aber heterogen. Die bislang umfangreichste systematische Meta-Analyse wertete 40 klinische Studien bis Dezember 2024 aus und konstatierte, dass 80 % der Arbeiten Hersteller- oder Industriebeteiligung aufwiesen, nur neun länger als fünf Tage dauerten und 19 sich auf Einzelexpositionen beschränkten. Die Analyse fand bei kurzzeitiger Nutzung inkonsistente Veränderungen von 143 Biomarkern potenzieller Schädigung (BoPH) im Vergleich zu Zigaretten, E-Zigaretten oder Abstinenz; belastbare Hinweise auf eine robuste Risikoreduktion ließen sich nicht ableiten. Parallel berichtete ein zwölfmonatiges, industriefinanziertes Randomised-Controlled-Trial mit 984 Teilnehmenden zwar signifikante Verbesserungen in acht kardiovaskulär und respiratorisch relevanten BoPH nach vollständigem Wechsel auf ein Tobacco-Heating-System, doch selbst die Autoren fordern aufgrund methodischer Limitationen unabhängige Langzeitbestätigungen. Akute Gefäßwirkungen bleiben ebenfalls ein Warnsignal: In einer 2024 publizierten Cross-over-Studie mit 23 gesunden Probanden stiegen endothelial- und plättchenabgeleitete Extrazelluläre Vesikel – ein etablierter Marker früher vaskulärer Stressreaktionen – nach nur einer HTP-Session signifikant an und blieben vier Stunden erhöht, was ein pro-thrombotisches Potenzial nahelegt. Diese Befunde deuten darauf hin, dass Tabakerhitzer zwar bestimmte Schadstoffpfade reduzieren, ihre systemischen Wirkungen aber keineswegs vernachlässigbar sind.

Auch regulatorische und Public-Health-Instanzen bleiben skeptisch. Der 2024 vorgelegte WHO-TobReg-Bericht unterstreicht, dass Tabakerhitzer weiterhin krebserregende Emissionen freisetzen und für Nutzer wie Passivexponierte toxisch relevante Konzentrationen erreichen; Langzeitdaten zu Krebs-, COPD- oder Herz-Kreislauf-Endpunkten fehlen vollständig. Die Expertengruppe mahnt zudem, dass Herstellerstudien häufig auf Surrogatmarker setzen und methodische Vergleichsstandards variieren, wodurch Schadstoffreduktionsquoten von „bis zu 95 %“ wissenschaftlich schwer einzuordnen seien. Zweitaktuelle Feldmessungen bestätigen diese Unschärfe: Während Innenraumanalysen eine drastisch geringere CO-Belastung als bei Zigaretten zeigen, liegen flüchtige Carbonyle wie Methylglyoxal teils höher, was Fragen zur toxikologischen Nettobilanz aufwirft. Vor diesem Hintergrund empfehlen WHO und E-U-Gesetzgeber risikoadaptierte Steuer- und Kennzeichnungspflichten sowie unabhängige, mehrjährige Kohortenstudien, um das tatsächliche Erkrankungsrisiko quantifizierbar zu machen. Bis verlässliche Endpunktdaten vorliegen, gilt daher die evidenzbasierte Einordnung: Tabakerhitzer reduzieren ausgewählte Schadstoffe, aber die gesundheitliche Gesamtersparnis bleibt unbewiesen – vollständiger Nikotinverzicht bleibt der Goldstandard.

Markttrends, Regulierung und Zukunftsperspektiven von Tabakerhitzern

Weltweit verzeichnet der Markt für Tabakerhitzer ein explosionsartiges Wachstum: Branchenanalysen beziffern das Volumen 2024 bereits auf rund 49 Mrd. US-Dollar und prognostizieren ein durchschnittliches jährliches Plus von gut 63 Prozent bis 2030 – getragen vor allem von Asien, das schon heute fast 69 Prozent der Umsätze bündelt. Japans Sonderrolle illustriert diese Dynamik eindrucksvoll: Dort decken erhitzte Sticks inzwischen mehr als 44 Prozent des gesamten Tabakkonsums ab; in Tokio übertrafen sie 2024 in einzelnen Monaten erstmals die klassischen Zigaretten im Abverkauf. Der Wettbewerb wird von wenigen Konzernen dominiert – angeführt von Philip Morris International (IQOS/ILUMA), British American Tobacco (glo Hyper Pro) und Japan Tobacco International (Ploom) –, die mit großflächigen Launches, Induktionsheiztechnik und Digital-Coaching-Programmen um Marktanteile ringen. Parallel expandieren die Anbieter geografisch: PMI hat im März 2025 den Wiedereinstieg in den US-Markt vollzogen und strebt dort bis 2030 zehn Prozent Anteil am gesamten Nikotinsegment an. Investitionen in F&E, etwa für biologisch abbaubare Sticks oder tabakfreie, nikotinhaltige „tea sticks“, unterstreichen die Ambition, künftig auch ökologischen und sensorischen Kundenwünschen gerecht zu werden.

Regulatorisch jedoch verdichtet sich der Gegenwind. In Europa drängen 15 Mitgliedstaaten auf eine Reform der elf Jahre alten Tabaksteuer-Richtlinie, die erstmalig eine Mindestabgabe speziell für Tabakerhitzer etablieren soll; Entwürfe sehen Aufschläge von bis zu 900 Prozent auf Niedrigsteuerländer vor. Deutschland preschte bereits 2023 vor und koppelt die Abgabe nun an die Zigarettensteuer, wodurch ein Stick umgerechnet rund 8 Cent teurer wurde. Parallel greift die EU-weit seit November 2022 geltende Aromen-Verbotsrichtlinie für erhitzte Produkte, während Länder wie Polen eigene Gesetze nachschärfen, um menthol- und fruchtbasierte Varianten gänzlich zu untersagen. Großbritanniens Tobacco and Vapes Bill geht noch weiter: Es verankert ab 2026 eine „smokefree generation“, der jede Form von Tabakverkauf – einschließlich HTPs – lebenslang verwehrt bleiben soll. In den USA erlaubt die FDA zwar „Reduced-Exposure“-Claims für IQOS 3, verzögert aber die Zulassung neuerer Modelle und mahnt strengere Daten zu Passiv-Aerosol und Jugendattraktivität an. Diese divergenten Vorgaben schaffen für Hersteller ein komplexes Mosaik aus Steuern, Werbebeschränkungen und Produktauflagen, das künftige Geschäftsstrategien maßgeblich steuern wird. Ob Tabakerhitzer sich damit als dauerhafte Säule einer „smoke-free“ Industrie etablieren oder in eine Nischenrolle gedrängt werden, hängt damit weniger von technischen Innovationen als von der Akzeptanz künftiger Regulierungs- und Steuersysteme ab – eine Unsicherheit, die Investoren und Public-Health-Akteure gleichermaßen aufmerksam verfolgen.

Spannend & Interessant
VGWortpixel