Schöne Düfte?

Parfum schwächt das Oxidationsfeld des Körpers

 Dennis L.

(KI Symbolbild). Mehrere Flakons mit Parfum und Tuben mit Lotion stehen auf einem hellen Tisch in einem geschlossenen Raum. Eine stilisierte Silhouette eines Menschen deutet an, dass rund um die Haut ein unsichtbares chemisches Feld entsteht. Farbige Schichten im Hintergrund symbolisieren Veränderungen der Innenraumluft durch Körperpflegeprodukte. )IKnessiW dnu gnuhcsroF(Foto: © 
Auf den Punkt gebracht
  • Unsichtbare Chemie rund um die Haut beeinflusst unsere Innenraumluft
  • Pflegeprodukte und Parfum formen eine eigene Mikro-Atmosphäre im Zimmer
  • Neue Studien zeigen, wie Kosmetika die natürliche OH-Schicht verändern

Parfum und Lotion gelten als harmlose Alltagsprodukte, zugleich formen Hautfette und Spuren von Ozon in der Raumluft ein hochreaktives Oxidationsfeld direkt am Körper. Neue Messungen in einer Klimakammer zeigen, dass schon wenige Milliliter Duft oder Creme die Bildung von Hydroxylradikalen im Atembereich messbar verschieben können. Ein multiphysikalisches Modell kombiniert Ozonreaktionen an der Haut mit Strömungsvorgängen im Raum und legt nahe, dass sich die Innenraumluft in einem Abstand von wenigen Dezimetern stark von der übrigen Luft unterscheidet. Die Studie wirft die Frage auf, wie stark Körperpflegeprodukte die langfristige chemische Belastung in Wohnungen, Büros und Verkehrsmitteln mitbestimmen.

In geschlossenen Räumen entsteht aus Baustoffen, Möbeln, Reinigungsmitteln und Kochaktivitäten ein komplexes Gemisch flüchtiger organischer Verbindungen, das die Innenraumluft prägt. Hinzu kommen Emissionen des menschlichen Körpers, etwa Kohlenwasserstoffe aus Hautfetten oder Spuren von Stoffwechselprodukten, die sich in einer dünnen Luftschicht direkt an der Oberfläche von Haut und Kleidung anreichern. Diese Mischung trifft auf Ozon, das von außen eindringt und in typischen Innenräumen im Bereich von einigen zehn Nanomol pro Mol vorliegt. Dort laufen Ozonreaktionen mit ungesättigten Fettsäuren wie Squalen ab und erzeugen hochreaktive Zwischenprodukte. Die resultierenden Prozesse werden zunehmend als eigenständiger Teil der Raumluftchemie verstanden, in dem die Grenze zwischen Körperoberfläche und Raumluft verschwimmt.

Bereits 2022 zeigte ein internationales Team, dass Menschen im Beisein von Ozon ein eigenes Oxidationsfeld aus Hydroxylradikalen formen, das wenige Dezimeter über die Haut hinausreicht und wie ein chemischer Filter direkt im Atembereich wirkt. Die nun vorgestellten Arbeiten knüpfen an dieses Konzept an und richten den Blick auf alltägliche Gewohnheiten wie das Auftragen von Körperlotion oder einen Sprühstoß Parfum am Morgen. Entscheidend ist nicht nur, welche Inhaltsstoffe in Kosmetika vorhanden sind, sondern auch, wie sie als Film auf der Haut verteilt werden, wie schnell sie abdampfen und in welche chemischen Reaktionsketten sie eingebunden sind. Eine neue Untersuchungsserie konzentriert sich daher auf kontrollierte Klimakammerexperimente und detaillierte Modellierungen, um den Einfluss solcher Produkte auf das Oxidationsfeld in typischen Innenräumen zu quantifizieren, wie eine aktuelle Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Chemie beschreibt.

Oxidationsfeld der Haut: Chemie im persönlichen Nahbereich

Das Oxidationsfeld entsteht, wenn Ozon auf der Oberfläche der Haut auf ungesättigte Komponenten des Talgs trifft und dabei eine Kaskade von Reaktionen auslöst, in deren Verlauf Hydroxylradikale gebildet werden. Diese Hydroxylradikale reagieren innerhalb von Sekunden mit vielen organischen Verbindungen und bestimmen dadurch, wie schnell sich bestimmte Stoffe im Nahbereich des Körpers abbauen oder in andere Produkte umgewandelt werden. Der Bereich erhöhter OH-Konzentration erstreckt sich typischerweise nur wenige Dezimeter in den Raum hinein und bildet damit eine Art chemischen Mantel rund um den Körper. In dieser Zone unterscheiden sich Konzentrationen und Lebensdauern vieler Spurenstoffe deutlich von der übrigen Innenraumluft, was für Expositionsabschätzungen eine entscheidende Rolle spielt. Die neuen Arbeiten untersuchen, wie stabil dieses Oxidationsfeld ist, wenn zusätzlich Parfum oder Körperlotion aufgetragen werden.

  • Hautfette und ungesättigte Lipide liefern Ausgangsstoffe für das Oxidationsfeld
  • Ozonreaktionen erzeugen Carbonylverbindungen, Peroxide und Hydroxylradikale
  • Strömungen im Raum transportieren reaktive Produkte vom Körper weg und zurück
  • Kleidung modifiziert die Kontaktfläche zwischen Luft und Haut und verändert Reaktionspfade

Modellrechnungen und frühere Experimente deuten darauf hin, dass der Beitrag des Oxidationsfeldes zur Raumluftchemie stärker vom individuellen Lebensstil abhängt, als lange angenommen wurde. In der aktuellen Studie wird dieses Bild verfeinert, indem Emissionen und Reaktivitäten in einer Klimakammer mit vier erwachsenen Testpersonen unter kontrollierten Ventilationsbedingungen erfasst und mit einem mehrphasigen Reaktionsschema verknüpft werden. Ein zentrales Ziel ist dabei, die Gesamtverlustrate von OH im Nahbereich der Testpersonen zu bestimmen und mit Szenarien ohne Kosmetikprodukte zu vergleichen, wie es auch eine Studie in Science Advances 2025 tut, um die Rolle von Parfum und Lotion im Oxidationsfeld quantitativ einzuordnen.

Experiment in der Klimakammer: Wie Parfum und Lotion eingreifen

Im Zentrum der neuen Untersuchung stehen Experimente in einer etwa bürogroßen Klimakammer, in der vier junge Erwachsene über mehrere Stunden hinweg unter definierten Bedingungen sitzen. Zunächst wird ein Referenzzustand ohne Körperpflegeprodukte hergestellt, bei dem Ozon in typischen Innenraumkonzentrationen, zum Beispiel um 40 ppb, in den Luftstrom eingemischt wird. Anschließend tragen die Probanden eine handelsübliche Körperlotion auf großen Hautflächen auf, in einem weiteren Versuch ein komplexes Parfum auf begrenzten Bereichen wie den Handrücken. Hochauflösende Messungen erfassen die zeitliche Entwicklung von Vorläufermolekülen, Hydroxylradikalen, Ozon und ausgewählten flüchtigen sowie mittelflüchtigen organischen Verbindungen in Kopfhöhe. Die Daten zeigen, wie sich das Oxidationsfeld nach dem Auftragen der Produkte neu einpendelt und wie stark die OH-Bildung jeweils gedämpft wird.

Die Auswertung legt nahe, dass Körperlotion vor allem über zwei Mechanismen wirkt. Zum einen bildet der Lotionfilm eine physikalische Barriere, sodass Ozon nur noch eingeschränkt die darunter liegende Fettsäure Squalen erreicht, die normalerweise als wichtiger Ausgangspunkt für die Bildung des Oxidationsfeldes gilt. Zum anderen bringt die Körperlotion selbst reaktive Komponenten wie Phenoxyethanol ein, die mit Hydroxylradikalen reagieren, ohne neue OH-Quellen zu eröffnen. Parfum beeinflusst das System anders: Viele Duftstoffe enthalten terpenoide Verbindungen, die prinzipiell zusätzliche Hydroxylradikale erzeugen könnten, gleichzeitig wird jedoch ein großer Überschuss an Ethanol als Lösungsmittel in den Raum eingetragen. Dieser Alkohol wirkt als starker OH-Senker und reduziert die Netto-OH-Konzentration in der Nähe der Probanden, sodass das Oxidationsfeld auch im Duftfall deutlich abgeschwächt wird.

Modellierung der Innenraumluft: Vom Oxidationsfeld zur Raumluftchemie

Um die Messungen über die Klimakammer hinaus zu interpretieren, wird ein gekoppeltes Modell eingesetzt, das sowohl die mehrphasige Reaktionskinetik an Haut und Lotionfilm als auch die dreidimensionale Strömung im Raum beschreibt. In diesem Ansatz werden Quellstärken für relevante organische Verbindungen, Ozonreaktionen an Haut und Kleidung sowie die Bildung und der Verlust von Hydroxylradikalen im Gasraum gleichzeitig berücksichtigt. Ein anschließendes Strömungsmodell simuliert, wie sich Konzentrationsfelder im Raum innerhalb von Sekunden bis Minuten ausbreiten. Die Berechnungen zeigen, dass der Einfluss von Parfum und Lotion nicht nur unmittelbar an der Haut, sondern auch in einigen Metern Entfernung nachweisbar ist, insbesondere in Bereichen, in denen Luft aus der Atemzone mit der übrigen Innenraumluft vermischt wird. Dadurch wird deutlich, dass lokale Effekte des Oxidationsfeldes unmittelbar mit der großskaligen Raumluftchemie verknüpft sind.

Die neuen Ergebnisse ergänzen andere Untersuchungen zur Verbesserung der Raumluftqualität, in denen etwa Pflanzen als natürliche Filter für Innenraumluft betrachtet werden, wie in Studien zu pflanzlicher Luftreinigung. Während solche Ansätze auf längeren Zeitskalen und im gesamten Raum wirken, konzentriert sich das Oxidationsfeld auf die unmittelbare Umgebung des Menschen. Im Modell zeigt sich, dass die Verteilung der Hydroxylradikale stark von Luftströmungen, Möblierung und Aufenthaltsposition der Personen abhängt. Ozonreaktionen an der Haut verschieben damit nicht nur lokale Konzentrationen, sondern beeinflussen sekundäre Produktbildungen, Partikelneubildung und mögliche Konversionspfade anderer Spurenstoffe. Die Kombination aus Messung und Simulation erlaubt es erstmals, diese Prozesse räumlich aufzulösen und mit unterschiedlichen Nutzungs- und Lüftungsszenarien zu verknüpfen, in denen Parfum und Lotion gezielt ein- oder ausgeschaltet werden.

Gesundheitliche Bedeutung und offene Fragen

Die Studie zeigt, dass Alltagsprodukte wie Parfum und Körperlotion die chemische Schutzfunktion des Oxidationsfeldes messbar abschwächen können, indem sie die Bildung von Hydroxylradikalen reduzieren oder deren Verlust beschleunigen. Noch unklar ist jedoch, wie sich diese Veränderungen langfristig auf die Aufnahme anderer Luftschadstoffe auswirken, etwa karbonylhaltiger Verbindungen oder reaktiver organischer Aerosolbestandteile. Das Oxidationsfeld steuert, wie schnell solche Substanzen abgebaut oder in der unmittelbaren Atemzone umgewandelt werden. Eine gedämpfte OH-Produktion könnte theoretisch bedeuten, dass bestimmte Stoffe länger in der Nähe der Atemwege verweilen, während andere Reaktionswege weniger stark angestoßen werden. Gleichzeitig weisen die Autoren darauf hin, dass die beobachteten Effekte im Alltag stark von Belüftung, Aufenthaltsdauer und Produktwahl abhängen und deshalb nicht direkt mit einfachen Risikoabschätzungen verknüpft werden können.

Die neuen Ergebnisse fügen sich in ein breiteres Bild ein, in dem Inhaltsstoffe von Kosmetika zunehmend im Kontext von Exposition und biologischer Wirkung betrachtet werden, etwa bei hormonell wirksamen Komponenten oder Effekten während der Schwangerschaft, wie Arbeiten zu chemischen Belastungen durch Kosmetik zeigen. Die aktuelle Untersuchung verschiebt den Fokus in Richtung Luftchemie und macht deutlich, dass Kosmetika nicht nur auf der Hautoberfläche, sondern auch im gasförmigen Umfeld aktiv sind. Damit gewinnt der Forschungsstrang Kosmetika Gesundheit eine neue Dimension, in der Luftchemie, Toxikologie und Expositionsforschung eng zusammenarbeiten müssen. Für kommende Studien zeichnen sich Fragen ab, wie verschiedene Dufttypen, Ventilationsstrategien oder Raumgrößen die Stärke des Oxidationsfeldes beeinflussen und in welchem Umfang sich die Erkenntnisse aus der Klimakammer auf Schulen, Büros, Verkehrsmittel oder stark frequentierte Innenräume übertragen lassen, in denen viele Menschen gleichzeitig Parfum und Lotion verwenden.

Science Advances, Personal care products disrupt the human oxidation field; doi:10.1126/sciadv.ads7908
Science, The Human Oxidation Field; doi:10.1126/science.abn0340

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