Robert Klatt
Die Gesundheit wird nicht nur durch die Genetik und den Lebensstil, sondern auch durch soziale, wirtschaftliche und ökologische Faktoren beeinflusst. Nun wurde entdeckt, dass Nichtwähler ein deutlich höheres Sterberisiko als Wähler haben.
Helsinki (Finnland). In den vergangenen Jahren haben mehrere Studien belegt, dass nicht nur die Genetik und der Lebensstil eines Menschen, sondern auch soziale, wirtschaftliche und ökologische Bedingungen seine Gesundheit beeinflussen. Einer der sogenannten sozialen Gesundheitsfaktoren ist das Wählen, das als Ausdruck von gesellschaftlicher und politischer Teilhabe gilt. Die Studien, die Verbindungen zwischen dem Engagement von Bürgern, etwa der Teilnahme an Wahlen, und der Gesundheit untersucht haben, basieren aber größtenteils auf Befragungen, die durch Erinnerungsverzerrungen beeinflusst sein können.
Forscher der Universität Helsinki haben nun eine Studie publiziert, die mit einer deutlich objektiveren Methode untersucht hat, ob ein Zusammenhang zwischen der Teilnahme an Wahlen und der Gesundheit besteht. Das Ziel war es, zu untersuchen, ob die dokumentierte Teilnahme an einer Wahl die Sterblichkeit beeinflusst.
Die Wissenschaftler haben für ihre Analyse die offiziellen Wählerlisten der finnischen Parlamentswahl von 1999 genutzt, die alle wahlberechtigten Finnen umfassen. Die Daten wurden mit Daten aus den nationalen Verwaltungsregistern, darunter demografische Informationen und Sterberegister, bis 2020 verknüpft. Es konnte so nachvollzogen werden, welche Personen gewählt haben und welche Personen in den 21 Jahren nach der Wahl gestorben sind. Insgesamt wurden Daten von rund 3,1 Millionen Menschen analysiert, die beim Wahltermin mindestens 30 Jahre alt waren.
Um die Daten zu analysieren, haben die Forscher ein sogenanntes Cox proportional hazards-Modell verwendet, mit dem sie die Sterblichkeitsraten von Wählern und Nichtwählern verglichen haben. Es handelt sich dabei um ein statistisches Verfahren, mit dem das Risiko eines Ereignisses unter Berücksichtigung anderer Faktoren wie des Alters berechnet werden kann.
Die Forscher haben zunächst das Sterberisiko von Nichtwählern und Wählern unter Berücksichtigung des Alters ermittelt. Männer, die 1999 nicht gewählt haben, hatten in den 21 Jahren danach ein deutlich höheres Sterberisiko als Männer, die an der Wahl teilgenommen haben (+ 73 %). Bei Frauen besteht der Zusammenhang ebenfalls, der Unterschied war aber geringer (+ 63 %).
Der Zusammenhang zwischen dem Wahlverhalten und dem Sterberisiko besteht auch dann, wenn man die formale Bildung berücksichtigt. Er sinkt nur sehr leicht, was darauf hindeutet, dass Bildungsunterschiede den Großteil des Effekts nicht erklären. Der Unterschied im Sterberisiko zwischen Wählern und Nichtwählern war sogar größer als bei Menschen mit Grundschulbildung und Personen mit Hochschulabschluss, was zeigt, wie groß der Einfluss von politischem Engagement auf die Gesundheit ist.
Die Daten zeigen zudem einen deutlichen Unterschied bei den Todesursachen. Nichtwähler sterben demnach deutlich öfter an externen Ursachen wie Unfällen, Gewalt oder alkoholbedingten Erkrankungen als Wähler (+ 100 %). Dies deutet darauf hin, dass ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Wahlenthaltung und bestimmten Lebensgewohnheiten oder Umweltfaktoren besteht.
Zudem gibt es Alters- und Geschlechterunterschiede, die bei jüngeren Erwachsenen unter 50 Jahren am deutlichsten sind. Zudem haben Frauen ab 75 Jahren, die nicht wählten, ein höheres Sterberisiko als gleichaltrige Männer, die an der Wahl teilgenommen haben, obwohl Frauen im Allgemeinen eine höhere Lebenserwartung haben.
Wie die Forscher erklären, zeigt die Studie jedoch nur eine starke Korrelation, aber keine direkte Ursache-Wirkung-Beziehung (Kausalität). Es ist deshalb noch offen, ob das Nichtwählen tatsächlich zu schlechterer Gesundheit führt oder ob gesundheitliche und soziale Probleme dazu führen, dass Menschen seltener an Wahlen teilnehmen. Krankheiten, eine eingeschränkte Mobilität oder finanzielle Probleme könnten etwa dazu führen, dass bestimmte Menschen seltener an Wahlen teilnehmen. Zudem wurde nur die Beteiligung an einer einzelnen Wahl untersucht, was das langfristige Wahlverhalten eines Menschen nicht vollständig widerspiegelt.
Es sollen deshalb weitere Studien durchgeführt werden, die das Wahlverhalten über mehrere Wahlen hinweg mit Veränderungen des Gesundheitszustands vergleichen. Die Daten können zeigen, ob Menschen grundsätzlich nicht wählen oder nur gelegentlich nicht an Wahlen teilnehmen und welche gesundheitlichen Auswirkungen dadurch entstehen.
Angesichts der aktuellen Ergebnisse und des starken Zusammenhangs zwischen der Wahlbeteiligung und dem Sterberisiko sprechen sich die Forscher dafür aus, das Wahlverhalten als möglichen Indikator für den Gesundheitszustand einer Bevölkerung zu betrachten. Außerdem erklären sie, dass die Studie neue Fragen zur demokratischen Gleichheit öffnet. Wenn Bevölkerungsgruppen mit höherer Sterblichkeit seltener an Wahlen teilnehmen, könnte dies dazu führen, dass sie in der Politik unterrepräsentiert werden und ihre Anliegen nicht ausreichend beachtet werden.
Quellen:
Studie im Fachmagazin Journal of Epidemiology & Community Health., doi: 10.1136/jech-2025-224663