Robert Klatt
Ein Mann hat sich 856-mal Schlangengift injiziert, um Antikörper gegen unterschiedliche Neurotoxine zu produzieren. In Zukunft könnten diese Antikörper die Basis für ein universelles Gegenmittel bilden.
San Francisco (U.S.A.). Giftige Schlangen beißen mehrere Millionen Menschen und verursachen rund 100.000 Todesfälle jährlich. Um das Schlangengift zu neutralisieren, sind Antikörper nötig, die sich spezifisch an die Proteine der Neurotoxine binden. Um diese Gegenmittel zu produzieren, hat man bisher meistens größeren Säugetiere das Gift einer Schlangenart injiziert und anschließend die Antikörper aus dem Blut gefiltert.
Diese Antikörper können Menschen zwar retten, verursachen aber oft schwere Nebenwirkungen. Außerdem hilft das jeweilige Gegengift nur gegen ein spezifisches Schlangengift. Es kann also nur verabreicht werden, wenn die gebissenen Menschen die Schlangenart benennen können. Forscher arbeiten deshalb an einem universellen Gegengift, das die Gifte von unterschiedlichen Schlangenarten neutralisieren kann.
Das Unternehmen Centivax hat nun bekannt gegeben, dass es ein nahezu universelles Gegengift auf Basis von menschlichen Antikörpern produziert hat. Um das Gift herstellen zu können, hat sich ein Mann 856-mal mit Schlangengift injiziert.
„Der Spender hatte über einen Zeitraum von fast 18 Jahren Hunderte von Bissen und Selbstimmunisierungen mit eskalierenden Dosen von 16 Arten sehr tödlicher Schlangen durchgeführt, die normalerweise ein Pferd töten würden.“
Laut der Publikation im Fachmagazin Cell haben die Forscher von Centivax Antikörper aus dem Blut des Probanden extrahiert und erprobt, gegen welche Schlangengifte diese wirken. Sie haben dazu Mäuse mit dem Gift von Schlangen aus der Familie der Elapiden injiziert und den Tieren anschließend unterschiedliche Antikörper des Mannes verabreicht.
Das Experiment zeigt, dass der Mann tatsächlich Antikörper gebildet hat, die gegen mehrere Schlangengifte parallel helfen. Eine Kombination der Antikörper konnte bei den Versuchstieren alle 19 verabreichten Schlangengifte neutralisieren. Bei 13 der 19 Schlangengifte haben die Antikörper einen vollständigen Schutz erreicht und bei den übrigen sechs einen teilweisen Schutz.
Laut den Forschern deuten die Ergebnisse darauf hin, dass das Gegenmittel auch das Gift von anderen Elapiden neutralisieren könnte. Nun soll das Gegenmittel mit Hunden erprobt werden, weil diese in Australien oft nach einem Schlangenbiss in eine Tierklinik eingeliefert werden. Die Forscher wollen dabei die Wirkung erhöhen und an der optimalen Dosierung arbeiten. Außerdem möchten sie in Zukunft ein Gegengift entwickeln, das bei Vipern, einer weiteren großen Giftschlangenfamilie, funktioniert.
„Das Endprodukt wäre möglicherweise ein einzelner Pan-Gegengift-Cocktail oder wir würden zwei herstellen – einen für die Elapiden und einen für die Vipern –, da es in einigen Gebieten der Welt nur die eine oder die andere Schlangengruppe gibt.“
Cell, doi: 10.1016/j.cell.2025.03.050