Verschwörungstheorien und Co.

Kinderimpfungen gehen global zurück

 Robert Klatt

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Kinderimpfungen haben seit 1974 mindestens 154 Millionen Todesfälle verhindert. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) möchte die Durchimpfungsraten deshalb bei vielen Krankheiten weiter erhöhen. Verschwörungstheorien und fehlende Mittel sorgen aber dafür, dass die Impfraten global sinken.

Genf (Schweiz). Das Erweiterte Impfprogramm (EPI) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat laut wissenschaftlichen Schätzungen seit 1974 über vier Milliarden Kinder geimpft und dadurch 154 Millionen Todesfälle verhindert. Die Durchimpfungsraten für die Impfungen gegen Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten (DTP) sowie gegen Masern und Pneumokokken sollen laut der 2019 beschlossenen Immunisierungsagenda 2030 (IA2030) der WHO bis 2030 auf mindestens 90 Prozent steigen, um weitere Kinder vor vermeidbaren Toten zu bewahren.

Laut einer Publikation der Forschungsgruppe Global Burden of Disease 2023 Vaccine Coverage Collaborators im Fachmagazin The Lancet ist dieses Ziel jedoch unrealistisch. Die Impfraten gegen viele Krankheiten haben sich zwar im Zeitraum von 1980 bis 2023 verdoppelt, stagnieren in vielen Ländern aber aktuell oder gehen sogar zurück.

Covid-19 hat Impfprogramme unterbrochen

Die sinkenden Impfraten gehen unter anderem auf die Covid-19-Pandemie zurück, während der in vielen Ländern die Impfprogramme unterbrochen wurden. Zudem haben Verschwörungstheorien zu Impfrisiken und Impfnebenwirkungen während der Pandemie viele Anhänger gefunden, die nun ihre Kinder nicht mehr mit teilweise jahrzehntelang erprobten Impfstoffen impfen lassen.

„Diese Trends erhöhen das Risiko des Ausbruchs von durch Impfung vermeidbaren Krankheiten wie Masern, Polio und Diphtherie und unterstreichen die dringende Notwendigkeit gezielter Verbesserungen, um sicherzustellen, dass alle Kinder von lebensrettenden Impfungen profitieren können.“

Fehlende Ressourcen für Kinderimpfungen

Neben der zunehmenden Impfskepsis führen auch die in vielen Ländern fehlenden Ressourcen für Kinderimpfungen zu einer geringeren Impfquote. Besonders in afrikanischen Ländern südlich der Sahara, darunter Nigeria, Äthiopien und Somalia, sowie in südasiatischen Ländern wie Indien und Indonesien fehlen vielen Familien die finanziellen Mittel, um ihre Kinder gegen alle potenziell tödlichen Infektionskrankheiten impfen zu lassen. Neben der problematischen ökonomischen Situation erschweren in vielen Staaten auch bewaffnete Konflikte sowie die geringe politische und gesellschaftliche Stabilität das Impfen.

„Die Stärkung der primären Gesundheitssysteme, die Bekämpfung von Fehlinformationen über Impfstoffe sowie die Anpassung an lokale Gegebenheiten sind für die Verbesserung der Durchimpfungsrate von entscheidender Bedeutung.“

Sinkende Impfquoten in wohlhabenden Ländern

Laut der Studie sind aber auch die Impfquoten in wohlhabenden Ländern wie Deutschland bei vielen Krankheiten zu gering. Als Beispiel nennen die Forscher den aktuellen, großen Masernausbruch in den U.S.A. sowie die Verzehnfachung der Maserninfektionen in der Europäischen Union (EU) 2024.

Es ist laut den Studienautoren deshalb selbst im sehr optimistischen Szenario unwahrscheinlich, dass die von der WHO angepeilte globale Durchimpfungsrate von 90 Prozent bis 2030 erreicht wird. Wenn die aktuellen Trends weiterhin bestehen, ist eine globale Durchimpfungsrate von 76 Prozent gegen Masern realistisch.

The Lancet, doi: 10.1016/S0140-6736(25)01037-2

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