Robert Klatt
Das elektromechanische Umformen (EMR) kann mit einem kurzen elektrischen Impuls verformte Hornhaut behandeln, ohne dass dafür eine Operation per Laser oder Messer nötig ist. Der gesamte Eingriff dauert nur eine Minute, ist reversibel und verursacht keine Zellschäden oder strukturelle Veränderungen.
Los Angeles (U.S.A.). Die Hornhaut ist entscheidend für den Sehsinn des Menschen. Die klare, kuppelförmige Schicht an der Vorderseite des Auges bricht das einfallende Licht und fokussiert es auf die Netzhaut im hinteren Teil des Auges. Wenn die Krümmung der Hornhaut unregelmäßig ist, entstehen Sehprobleme wie Kurzsichtigkeit (Myopie) oder Weitsichtigkeit (Hyperopie).
Menschen mit diesen Problemen können entweder eine Brille oder Kontaktlinsen nutzen oder ihre Augen per LASIK-Operation behandeln lassen. Bei der Operation schneidet ein Laser mikroskopisch kleine Mengen Gewebe unter einem Hornhautläppchen weg, sodass das Licht wieder korrekt gebrochen wird. In der Medizin ist das Verfahren, obwohl die Erfolgsquote der Operation sehr hoch ist, nicht unumstritten, weil es invasiv ist und dauerhaft die Struktur des Auges verändert.
„LASIK ist im Grunde nur eine elegante Form klassischer Chirurgie. Es ist immer noch ein Herausschneiden von Gewebe, nur eben mit einem Laser.“
Forscher des Occidental College (Oxy) und der University of California, Irvine (UCI) arbeiten seit Langem an einer nicht-invasive Alternative zur LASIK-Operation. Die Basis des sogenannten elektromechanischen Umformens (EMR) haben sie 2023 im Fachmagazin ACS Biomaterials Science & Engineering vorgestellt. Bei dem innovativen Verfahren wird die Hornhaut des Auges ganz ohne Laser oder Messer nur mit einem schwachen elektrischen Puls verformt.
Das Verfahren funktioniert, weil die Hornhaut überwiegend aus Kollagen besteht und die Stabilität somit von geladenen Molekülen und Proteinen abhängt. Ein schwacher Stromimpuls, der über eine speziell entwickelte Elektrode in Form einer Kontaktlinse verabreicht wird, verändert den pH-Wert des Gewebes und macht die Hornhaut für einen kurzen Zeitraum biegsam. In dieser kurzen Zeit kann die Platinlinse die Hornhaut verformen. Wenn der elektrische Impuls endet und der pH-Wert wieder ins Gleichgewicht zurückkehrt, wird die Hornhaut wieder hart und behält ihre neue Krümmung. Das gesamte Verfahren dauert etwa eine Minute.
„Der gesamte Effekt wurde zufällig entdeckt. Ich habe lebendes Gewebe als formbares Material betrachtet. und stieß so auf diesen Prozess der chemischen Modifikation.“
Bei Experimenten mit zwölf Kaninchenaugen hat das Verfahren die zuvor zugefügte Kurzsichtigkeit behoben, ohne dabei Zellschäden oder strukturelle Veränderungen auszulösen. Die Methode wurde bisher aber nur an isolierten Augen und nicht an lebenden Tieren erprobt.
„Nun beginnt der lange Weg durch detaillierte und präzise Tierversuche.“
In den kommenden Versuchen soll erprobt werden, welche Sehfehler das EMR behandeln kann. Anschließend müssen noch klinische Studien mit Menschen durchgeführt werden, bevor das EMR zugelassen werden kann.
„Es liegt ein weiter Weg zwischen unseren bisherigen Ergebnissen und einer Anwendung in der Klinik. Aber wenn wir so weit kommen, ist diese Methode breit einsetzbar, erheblich günstiger und möglicherweise sogar umkehrbar.“
ACS Biomaterials Science & Engineering, doi: 10.1021/acsbiomaterials.2c01177