T-Zellen

Deshalb infizieren sich nicht alle Menschen mit dem Coronavirus

Robert Klatt

Mann mit Schutzausrüstung )moc.hsalpsnuodnoibagaV lI(Foto: © 

Einige Menschen infizieren sich trotz eines hohen Risikos nicht mit dem Coronavirus. Eine Studie zeigt nun den Grund für diese „Immunität“.

London (England). Laut Daten der Johns Hopkins University (JHU) haben sich bisher über 258 Millionen Menschen (Stand 24.11.2021) nachweislich mit SARS-CoV-2 infiziert. Wissenschaftlern des University College London (UCL) haben jedoch beobachtet, dass sich einige Menschen nicht mit dem Coronavirus infizieren, obwohl ihre Arbeit im Krankenhaus mit einem hohen Infektionsrisiko verbunden ist. Nun haben die Forscher um Leo Swadling im Fachmagazin Nature eine Studie publiziert, die die Gründe dafür erklären soll.

An der Studie nahmen 58 Personen teil, die während der ersten Welle der Covid-19-Pandemie in Krankenhäusern in London arbeiteten und sich trotz des hohen Infektionsrisikos nicht infizierten. Bei allen Probanden war über einen Zeitraum von vier Monaten kein PCR-Test positiv. Antikörper wurden ebenfalls nicht gefunden, obwohl sich Kollegen, mit denen die Probanden eng zusammenarbeiteten, mit Corona infiziert hatten.

Abbruch der Infektion durch T-Zellen?

Die Wissenschaftler fanden bei 20 Probanden erhöhte T-Zellen-Werte. Bei 19 Probanden wurde das Immunprotein IFI 27 nachgewiesen, das eine typische Signatur einer frühen Infektion mit SARS-CoV-2 ist. Laut der Studie ist das Vorhandensein des Immunproteins ein Indiz für eine abgebrochene Infektion. Das Coronavirus wäre in diesem Fall abgewehrt worden, bevor es im Körper Schaden anrichten konnte.

„Ich habe so etwas noch nie gesehen. Es ist sehr überraschend, dass T-Zellen in der Lage sein könnten, eine Infektion so schnell zu kontrollieren“, sagt der Immunologe Shane Crotty vom La Jolla Institute for Immunology.

Proteincluster des Virus deaktiviert

Dies liegt laut den Studienautoren sehr wahrscheinlich daran, dass die T-Zellen ein Proteincluster ausgeschaltet haben, das für die Reproduktion des Virus nötig ist. Diese These wird auch dadurch gestützt, dass ein größerer Anteil der 58 Probanden T-Zellen im Blut hatte, die dieses Cluster erkennen, als in der Vergleichsgruppe, die mit SARS-CoV-2 infiziert war.

Die Wissenschaftler haben überdies erkannt, dass in Blutproben der Probanden, die vor dem Auftreten von SARS-CoV-2 entnommen wurden, schon T-Zellen vorhanden waren, die das Proteincluster erkennen. Diese können laut der Studie bei Infektionen mit anderen Coronaviren entstanden sein. In der Medizin spricht man dabei von einer Kreuzinfektion.

Keine Belege für Kontakt mit SARS-CoV-2

In der Wissenschaft wird die Methodik der Studie jedoch auch kritisiert, weil es keine Belege dafür gibt, dass die 58 Probanden tatsächlich Kontakt mit SARS-CoV-2 hatten. Laut der Immunologin Donna Farber ist es somit problematisch anzunehmen, dass die T-Zellen eine Infektion verhindert haben. Auch die Co-Autorin Mala Maini bestätigt, dass das Team keine direkten Beweise für eine abgebrochene Corona-Infektion bei den Probanden habe. Der Verlauf der Covid-19-Pandemie in Großbritannien ist aber gut dokumentiert und die Studienautoren gehen deshalb davon aus, dass es kein Zufall ist, dass zu einem Zeitpunkt mit vielen Covid-19-Patienten in britische Krankenhäuser auch vermehrt T-Zellen im Blut der Probanden entdeckt wurden. „Das Timing ist so klar“, erklärt Maini.

Einschränkungen bei der Delta-Variante?

Die Autoren erklären überdies, dass ihre Theorie, wenn diese richtig ist, nicht auch für die Delta-Variante des Virus gelten muss. Außerdem könnte es sein, dass die Infektion nur bei Personen unterbrochen wird, die regelmäßig mit Atemwegsviren in Kontakt kommen. Die Wissenschaftler waren deshalb davor, vorschnell anzunehmen, dass eine frühere Infektion mit einem anderen Coronavirus auch vor SARS-CoV-2 schützt.

Wie der Biomediziner Alexander Edwards von der University of Reading erklärt, kann die Studie trotz aller Bedenken in jedem Fall beim Kampf gegen die Covid-19-Pandemie helfen. Das Studiendesign ermöglicht laut ihm die Entwicklung eines völlig neuen Impstoff-Typs. „Ein Impfstoff, der die T-Zell-Immunität gegen verschiedene virale Protein-Ziele stärkt, die von vielen verschiedenen Coronaviren gemeinsam genutzt werden, würde unsere Impfstoffe ergänzen, die neutralisierende Antikörper induzieren“, erklärt Edwards.

Nature, doi: 10.1038/s41586-021-04186-8

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